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Nach der Rückkehr der Bundeswehrflugzeuge aus Afghanistan stehen noch Tausende auf deutscher Ausreiseliste

 Die ersten Soldaten der Bundeswehr sind von ihrer Evakuierungsmission in Afghanistan nach Deutschland zum Luftwaffenstützpunkt Wunstorf bei Hannover zurückgekehrt.
Die ersten Soldaten der Bundeswehr sind von ihrer Evakuierungsmission in Afghanistan nach Deutschland zum Luftwaffenstützpunkt Wunstorf bei Hannover zurückgekehrt.

Nach dem Ende des Evakuierungseinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan warten noch rund 300 Deutsche und mehr als 10 000 Afghanen auf Ausreise nach Deutschland. Das teilte das Auswärtige Amt am Freitag mit. Die Lage am Flughafen von Kabul schätzt das Krisenreaktionszentrum des Amts nach dem verheerenden Anschlag am Vortag weiter als „hochgefährlich“ ein und warnt deutsche Staatsbürger davor, sich in der Nähe des Flughafens aufzuhalten. Die USA setzten ihre Evakuierungsflüge trotz des verheerenden Anschlags von Donnerstag mit wohl Dutzenden Toten fort.

In der Nähe des Flughafens hatte sich am Donnerstag nach US-Angaben ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in die Luft gesprengt und zahlreiche Menschen mit in den Tod gerissen, darunter 13 US-Soldaten. Das Pentagon korrigierte die Angabe zur Zahl der Täter am Freitag, zuvor war von zwei Selbstmordattentätern die Rede. Die USA kündigten Vergeltung an. Präsident Joe Biden sagte am Donnerstag an den IS gerichtet: „Wir werden Euch jagen und Euch dafür bezahlen lassen.“ Die Vereinten Nationen bereiten sich auf die Flucht von mehr als einer halben Million Menschen aus Afghanistan vor.

Der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr am Flughafen Kabul war am Donnerstag nach elf Tagen zu Ende gegangen. Die Rettungsaktion soll aber weiter gehen. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sagte am Freitag, es sei nun wichtig, auf den diplomatischen Weg zu setzen, „um Ortskräften und Schutzbedürftigen, die es nicht geschafft haben, eine Ausreise zu ermöglichen“. Die Bundesregierung führt dazu über den Entsandten Markus Potzel Verhandlungen mit dem politischen Arm der Taliban im Golfstaat Katar.

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Die Taliban haben nach dessen Angaben bereits zugesagt, Afghanen mit gültigen Ausweispapieren auch nach dem 31. August - also dem Stichtag für den Abzug der US-Truppen - außer Landes zu lassen. Die Taliban dürften für ihre Kooperation mit Deutschland und den USA auf gewisse Hilfen der internationalen Gemeinschaft hoffen. Biden erklärte dazu: „Sie sind keine guten Kerle, die Taliban. Das meine ich überhaupt nicht. Aber sie haben ein klares Interesse.“

Die ersten deutschen Soldaten der Evakuierungsmission landeten am Freitag kurz vor 20.00 Uhr mit drei Flugzeugen auf dem Fliegerhorst Wunstorf. Mit den Soldaten reisten auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Wehrbeauftragte Högl sowie der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, nach Niedersachsen. Sie hatten die Soldaten im usbekischen Taschkent abgeholt.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden während des Einsatzes 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern ausgeflogen, darunter rund 500 Deutsche und mehr als 4000 Afghanen. Unter den Afghanen sind ehemalige Mitarbeiter von Bundeswehr und Bundesministerien, aber auch besonders schutzbedürftige Menschen, die beispielsweise für Frauen- oder Menschenrechtsorganisationen tätig waren. Die Organisation Reporter ohne Grenzen appellierte an die Bundesregierung, afghanischen Medienschaffenden, die sich in Nachbarländern aufhalten, schnell und unbürokratisch Visa für Deutschland auszustellen.

Die Vereinten Nationen (UN) bereiten sich angesichts der schlechten Sicherheitslage auf weitere Flüchtlinge vor. 515 000 Menschen könnten das Land im schlimmsten Fall in diesem Jahr verlassen, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf. Die Weltgemeinschaft müsse die Nachbarstaaten Afghanistans finanziell unterstützen, forderte die UN. Diese haben bereits 5,2 Millionen Afghaninnen und Afghanen aufgenommen. 90 Prozent seien im Iran und in Pakistan, weitere in Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

Unter der afghanischen Bevölkerung hat der Anschlag großes Entsetzen ausgelöst. Der Platz vor dem Tor, wo am Vortag noch Tausende, die auf einen Evakuierungsflug hofften, Schulter an Schulter standen, war am Freitag menschenleer, wie Fernsehbilder zeigten. In sozialen Medien tauchten mehrere Bilder von Kindern auf, die seit dem Anschlag vermisst werden. US-Präsident Biden sei bei einem Treffen mit seinem nationalen Sicherheitsteam davor gewarnt worden, dass ein weiterer Terroranschlag in Kabul wahrscheinlich sei, hieß es am Freitag in einer Mitteilung der Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki.

Zu der genauen Opferzahl des Anschlags von Donnerstag gibt es weiter unterschiedliche Angaben. Dem britischen Verteidigungsminister zufolge wurden 60 bis 80 afghanische Zivilisten getötet. Die Nichtregierungsorganisation Emergency sagte der Deutschen Presse-Agentur, allein in ihrem Krankenhaus seien 16 Tote eingeliefert worden. Die Taliban sprachen zunächst von nur 13 bis 20 getöteten Zivilisten. Der afghanische Sender Tolo News berichtete am Freitag aber unter Berufung auf Taliban-Kreise, die Zahl der Todesopfer sei auf mehr als 100 gestiegen, 150 Menschen seien verletzt worden. Der britische Außenminister teilte mit, dass zwei britische Erwachsene und ein Kind eines britischen Staatsbürgers unter den Getöteten seien.

Die USA haben innerhalb von 24 Stunden rund um den Anschlag rund 12 500 Menschen außer Landes gebracht. 8500 Menschen wurden vom US-Militär ausgeflogen worden, 4000 wiederum in Maschinen internationaler Partner, wie das Weiße Haus am Freitag mitteilte. Seit dem Start der Evakuierungsmission in Kabul Mitte August flogen die USA und ihre Verbündeten rund 105 000 Menschen aus.

In Kabul wird der Abzug der US-Truppen womöglich auch mit der Zerstörung von Ausrüstung vorangetrieben. Das Militär bestätigte, dass es am Donnerstag kontrollierte Detonationen am Flughafen in Kabul gegeben habe. Das Militär rechne damit, dass vor dem Abzug ein weiterer Teil der Ausrüstung am Flughafen Kabul möglicherweise kontrolliert zur Explosion gebracht werden muss, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby. Derzeit seien noch gut 5000 US-Soldaten am Flughafen in Kabul. Mit Blick auf den Abzug bis 31. August werde das Militär künftig keine genauen Zahlen zur Truppenstärke mehr nennen.

Italien, das derzeit den Vorsitz der G20 innehat, forderte am Freitag zum weiteren Vorgehen in Afghanistan eine „enge internationale Absprache.“ Dazu will das Land einen Sondergipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) einberufen.

dpa/mo