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Quarantäne-Hotel auf Teneriffa: „Einige betrinken sich schon morgens“

Aus einer Woche Vier-Sterne-Hotel werden 17 Tage Quarantäne mit dreimal Fiebermessen pro Tag: Bernd Walsers Familie und mit ihr etwa 700 Urlauber sitzen fest – isoliert von der Außenwelt.

Nach der Erkrankung eines Italieners mit dem Coronavirus steht das gesamte Hotel für 14 Tage unter Quarantäne. Foto: dpa
Nach der Erkrankung eines Italieners mit dem Coronavirus steht das gesamte Hotel für 14 Tage unter Quarantäne. Foto: dpa

Zu seinem 60. Geburtstag hat sich Bernd Walser einen besonderen Wunsch erfüllt: Er wollte Urlaub mit der ganzen Familie machen. Mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Töchtern buchte er eine Woche im Viersternehotel H10 Costa Adeje Palace auf Teneriffa, mit Garten, Pool und direktem Zugang zum Meer. Die Anlage nutzt die Familie nun allerdings deutlich länger, als ihr lieb ist: Seit Montagabend darf sie das Hotel nicht mehr verlassen, nachdem ein Gast aus Italien positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

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„Am Montagabend habe ich mich nur gewundert, als ich beim Rauchen am Eingang sah, dass das Hotel mit einem Flatterband abgesperrt war“, erzählt Walser. „Ich habe mir aber nicht viel dabei gedacht, es kamen zugleich Busse mit neuen Gästen an.“ Als er am nächsten Morgen aufstand, fand er unter seiner Zimmertür einen Zettel. Das Hotel sei „wegen behördlicher Maßnahmen gesperrt“, stand darauf. Alle Gäste sollten auf ihren Zimmern bleiben.

Später kamen zwei junge Ärztinnen, maßen die Körpertemperatur und verteilten Fieberthermometer, Handschuhe und Atemmasken. Dreimal am Tag sollen die Walsers ebenso wie die übrigen 700 Gäste nun Fieber messen und sich bei erhöhter Temperatur an der Rezeption melden.

Die spanischen Behörden stellten das gesamte Hotel unter Quarantäne und verpflichteten die Gäste, während der 14-tägigen Inkubationszeit des Virus dort zu bleiben. Am Donnerstagabend durften immerhin 130 Menschen wieder nach Hause reisen. Grund für die drastischen Maßnahmen: Der mit dem Virus infizierte Italiener machte mit einer Gruppe von zehn Freunden in dem Hotel Urlaub. Seine Ehefrau und zwei Freunde haben sich ebenfalls angesteckt und liegen im Krankenhaus, es geht ihnen aber gut.

Die übrigen sechs Italiener der Gruppe sind nach Angaben der spanischen Zeitung „El País“ in dem Hotel in einem eigenen Trakt isoliert, dürfen ihre Zimmer nicht verlassen und erhalten ihr Essen auf Tabletts, die Angestellte in gebührendem Abstand zur Zimmertür abstellen.

Deutsche Urlauber bemängeln hygienische Verhältnisse

Am Donnerstag spitzte sich die Lage im Hotel auf Teneriffa zu. In einer Petition wandten sich deutsche Urlauber an Bundesaußenminister Maas. „Die Situation hier vor Ort stellt sich aufgrund der Versorgungssituation und der hygienischen Verhältnisse dramatisch dar“, hieß es darin.

Die spanischen Behörden seien wegen der begrenzten medizinischen Möglichkeiten auf der Kanareninsel offenbar überfordert. „Wegen des mangelhaften Infektionsschutzes, der hier leider festzustellen ist, wäre eine sofortige Evakuierung nach Deutschland erforderlich“, hieß es in dem Schreiben.

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Aus dem Auswärtigen Amt hieß es: „Die Entscheidung der Abriegelung beziehungsweise Quarantänemaßnahmen obliegt den zuständigen spanischen Behörden.“ Diese müssten auch über die Dauer der Maßnahmen oder die Möglichkeit einer Abreise entscheiden. Das deutsche Konsulat in Las Palmas de Gran Canaria und der Honorarkonsul auf Teneriffa verfolgten die Entwicklungen aber genau.

Urlauber liegen mit Schutzmasken am Pool. Bei erhöhter Temperatur sollen sie sich an der Rezeption melden. Nur die bereits Infizierten müssen auf ihren Zimmern bleiben. Foto: dpa
Urlauber liegen mit Schutzmasken am Pool. Bei erhöhter Temperatur sollen sie sich an der Rezeption melden. Nur die bereits Infizierten müssen auf ihren Zimmern bleiben. Foto: dpa

Informationen bekommt Walser aus dem Internet

„Die fehlenden Informationen sind das, was alle hier am meisten nervt“, sagt Tourist Walser. Nur aus dem Internet habe er erfahren, dass die „behördlichen Maßnahmen“ auf das neuartige Coronavirus zurückgehen und er womöglich nicht wie geplant nach Hause fliegen kann.

Erst an diesem Donnerstag bestätigte die Rezeption: Die Walsers müssen noch bis zum 9. März bleiben, bis die Inkubationszeit des Virus vorüber ist. Aus einer Woche Familienurlaub sind 17 Tage Lager geworden.

Die Einzigen, die das Hotel wieder verlassen durften, waren Gäste, die erst angekommen waren, nachdem der infizierte Italiener bereits ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Stimmung unter den von der Außenwelt isolierten Urlaubern ist ruhig, aber angespannt. „Wenn du hustest, guckt der Nachbar“, sagt Walser. Das trifft vor allem seine Frau, die bereits mit einer Erkältung aus Deutschland angereist ist.

Jüngere halten sich an die Aufforderungen - Ältere eher nicht

Jeder entwickele seine eigene Strategie, um mit der Situation umzugehen, erzählt er. Die jüngeren Gäste hielten sich an die Aufforderungen, Masken und Handschuhe zu tragen, die älteren dagegen eher nicht. Einige würden sich schon ab dem Morgen betrinken – das Hotel hat alle Gäste auf Vollpension und Gratis-Getränke umgebucht.

Andere, wie die Walsers, verbringen viel Zeit auf dem Balkon, spielen Karten oder laufen durch die Anlage. „Aber auch wir haben uns am Abend eine Flasche Wein geteilt, das braucht man schon zur Beruhigung“, sagt Walser.

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Die Langeweile nervt ihn, er sei nicht der Typ, der im Urlaub gerne am Pool liegt. Während einige Gäste baden, meidet er das Wasser aus Angst vor Ansteckung lieber. Er wollte im Urlaub die Insel erkunden, doch das Mietauto steht unbenutzt vor der Tür. Nun läuft er jeden Tag mehrmals über die Anlage, radelt auf dem Ergometer. „Ich habe an der Rezeption schon angeboten, dass ich in der Küche helfe oder andere Dienste übernehme, aber bisher ist niemand darauf eingegangen“, erzählt er.

Mitarbeiter der deutschen Botschaft oder Psychologen haben sich bei Walser noch nicht gemeldet. Eine irgendwie geartete Betreuung finde nicht statt. Er schätzt, dass rund 100 Deutsche im Hotel sind.

Insgesamt gibt es in Spanien derzeit 15 Infizierte, einer davon liegt in kritischem Zustand in einem Krankenhaus in Madrid. Die allermeisten Ansteckungen lassen sich auf Besuche der Betroffenen in Italien zurückführen. Für Unruhe sorgt jedoch ein Fall in Sevilla, bei dem völlig unklar ist, wie sich der Infizierte das Virus eingefangen hat.

Ein Polizist mit Atemschutzmaske steht vor dem wegen Coronavirus-Fällen unter Quarantäne gestellten Hotel auf Teneriffa. Foto: dpa
Ein Polizist mit Atemschutzmaske steht vor dem wegen Coronavirus-Fällen unter Quarantäne gestellten Hotel auf Teneriffa. Foto: dpa

Spanier nervös - Warteschlangen für Atemschutzmasken

Obwohl die Behörden zur Ruhe mahnen, reagieren die Spanier nervös: In Madrid sind in Apotheken und Drogerien Handgels zur Desinfizierung ausverkauft, ebenso wie Atemschutzmasken. „Wir kommen hier kaum noch zum Arbeiten, weil so viele Kunden sich auf die Warteliste für Atemschutzmasken setzen lassen“, sagt Alexandra Becerra von der „Farmacia Plaza Chamberi“ im Herzen der Hauptstadt.

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Sie zieht aus einer Klarsichtfolie drei eng beschriebene Seiten mit Namen und Telefonnummern all derjenigen hervor, die seit Montag nach den ausverkauften Masken gefragt haben. Es war der Tag, an dem Hunderte von Infektionen in Italien bekannt wurden, sodass klar war, dass das Virus auch in Europa angekommen ist.

Seitdem häufen sich die Fälle. Offenbar wächst auch die Angst. Bernd Walser bemüht sich auf Teneriffa indes um Gelassenheit. Seine Tochter war am Donnerstag auf der Titelseite der britischen „Daily Mirror“ zu sehen – auf dem Foto eines Paparazzos, der vom Hubschrauber aus Bilder von der Anlage geschossen hat. Über Instagram habe die Zeitung dann seine Tochter identifiziert und ihr ein Interview angeboten. Die Familie sieht das mit gemischten Gefühlen – aber immerhin bringt es etwas Abwechslung in den Tag.

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