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Putzmittelmarke Frosch ist Vorreiter beim Plastikrecycling

Reinhard Schneider hat ein Faible für Symbolik. Sonst hätte er wohl nicht acht Windräder auf die Firmenzentrale in Mainz gesetzt. Die lassen sein Chefbüro unter dem Dach bei Wind leicht erzittern. Vielleicht hätte er dann auch nicht frühzeitig einen Schritt unternommen, der sich derzeit richtig auszahlt: Das Familienunternehmen Werner & Mertz ist mit seiner Reinigungsmittelmarke Frosch ein Vorreiter bei recycelten Plastikverpackungen.

Ein Pluspunkt in Zeiten, in denen Plastikmüll ein globaler Aufreger ist. Schneider zeigt aus dem Bürofenster auf einen Schornstein in der Nähe und sagt: „Da pustet die Müllverbrennungsanlage wieder einiges in die Luft, weil alle anderen zu bequem waren, das Plastik zu recyceln.“

Der Unternehmer nimmt kein Blatt vor den Mund, im Gegenteil: Schneider nutzt seine Vorreiterrolle, um lautstark für seine Variante des Recyclings zu trommeln. Zusammen mit dem Grünen Punkt und dem Verpackungshersteller Alpla wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem auf dem Firmengelände Flaschen allein aus Altplastik produziert werden – mit 20 Prozent Plastik aus dem Gelben Sack.

Der Aufkleber „Weltrekord: bereits über 200 Millionen Flaschen aus 100 Prozent Altplastik“, der derzeit auf seinen Produkten klebt, ist nur ein Teil seiner Kampagne. Schneider hat eine eigene „Initiative Recyclat“ ins Leben gerufen. Sie soll über Open Innovation weitere Partner finden, die mitmachen – und politischen Druck erzeugen.

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So hat der 50-Jährige gerade an die Vorsitzenden der Bundestagsparteien – außer der AfD – einen Brief verfasst, der dafür wirbt, Recycling von alten Flaschen finanziell zu belohnen. Schneider wendet sich damit gegen alternative Ansätze, die etwa gewerbliche Plastikabfälle einbeziehen oder Kunststoffe unsortiert per Pyrolyse verwerten wollen.

Er sieht in dem energieintensiven Verfahren einen Trick der Chemieindustrie, im Spiel bleiben zu wollen. Denn anders als beim PET-Recycling ist bei der Pyrolyse anschließend die Neuherstellung von Kunststoff nötig. Ein Sprecher des Kunststoffverbands Plastics Europe plädiert dafür, Verbrennung, Recycling und Pyrolyse als gleichberechtigte Verfahren zu bewerten: „Wir spielen das eine nicht gegen das andere aus.“ Die Verfahren eigneten sich für verschiedene Ausgangsmaterialen und Ziele.

Früher Beginn einer Ära

Für Schneiders Unternehmen Werner & Mertz jedenfalls zahlt sich der frühe Einstieg in die Öko-Nische aus. Schon 1986 begann der Schuhcremehersteller, Reinigungsmittel zu produzieren, deren Tenside nicht aus Erdöl, sondern aus Pflanzenöl stammen. Damals hatte die Umweltbewegung wegen Waldsterben und Tschernobyl großen Zulauf.

Heute hat Schneider in einigen Kategorien hierzulande höhere Marktanteile als große Konkurrenten wie Henkel und P & G – etwa bei WC- und Universalreinigern. Fernsehwerbung mit dem Comic-Frosch, die auf die Recycling-Flaschen verweist, hat offenbar Wirkung: In allen Kategorien wachse Werner & Mertz derzeit schneller als der Markt, gewinne also Marktanteile, sagte Schneider.

Sebastian Bayer, Einkaufschef der Drogeriekette dm bestätigt: „Wir bei dm können beobachten, dass die Marke Frosch bei unseren Kunden sehr beliebt ist. Bei den Produkten werden etwa Inhaltsstoffe aus heimischer Produktion und größtenteils Rezyklate zur Herstellung der Verpackungen verwendet.“ Aus seinem Büro schaut Schneider auch auf einen Neubau.

Mit der Eröffnung im Mai will er die Produktionskapazität verdoppeln. Auch hier ist eine Flaschenproduktion vorgesehen. Dabei war der Erfolg kein Selbstläufer. Um die vorige Jahrhundertwende machte Schneiders Urgroßvater aus einer Wachszieherei eine Fabrik für die erste wachshaltige Schuhcreme. Dabei nutzte er die Märchenfigur Froschkönig als Markensignet. In den 1960ern kam wachshaltige Bodenpflege unter der Marke Emsal dazu – der Einstieg in die Reinigungsmittel.

Betriebswirt Schneider kam im Jahr 2000 von einer ersten Karrierestation bei Nestlé ins Familienunternehmen, das seit dem Tod seines Vaters 1991 familienfremd geführt wurde. Zuvor hatten sich Tanten und Cousins auszahlen lassen: Die Eigenkapitalquote war so auf zehn Prozent gesunken.

„In der ersten Woche schon hat mir die Hausbank dringend geraten, das Unternehmen zu verkaufen, so lange ich noch etwas dafür bekomme“, erinnert sich Schneider. „Ich hatte aber das Gefühl, wir können das besser machen als die Großen.“ Heute macht die Firma etwa 400 Millionen Euro Umsatz mit rund 1000 Mitarbeitern, 732 davon in Deutschland. Die Eigenkapitalquote liegt bei 35 Prozent.

Putzmittel emotionalisiert

Hauptumsatzbringer ist längst Frosch. Werner & Mertz hat es geschafft, mit dem grünen Comicfrosch Reinigungsmittel zu emotionalisieren. Ob das auch mit Duschgels gelingt, ist noch ungewiss. Denn bei Biokosmetik ist die Konkurrenz im Drogeriemarkt anders als bei ökologischen Reinigungsmitteln groß. Dabei positioniert sich Frosch geschickt zwischen alternativen Putzmitteln aus dem Bioladen, die auf einige chemische Zusatzstoffe etwa zur Konservierung verzichten, und konventionellen Reinigungsmitteln.

Inzwischen hat aber auch Konkurrent Henkel das Feld wiederentdeckt und bringt neue Reiniger mit Blauem Umweltengel. Einen erster Anlauf mit der eigens gegründeten Ökomarke Terra hatte Henkel nach kurzer Zeit wegen ausbleibenden Erfolgs wieder aufgegeben. Schneider sieht die Angriffe gelassen. „Die stärkste Form der Anerkennung für ein Original ist die Nachahmung“, sagt er. „Es geht heute nicht mehr darum, wie viel Werbedruck man erzeugt, sondern wie glaubwürdig man ist.“

Seine These: verstärkte Werbung für Reiniger aus pflanzlichen Rohstoffen nutzen letztlich dem Original, nämlich Frosch – auch wegen der ökologischeren Flaschen. Für sein Lieblingsprojekt geht der Unternehmer auch in den Streit mit Procter & Gamble. Dabei geht es beiden Seiten um Glaubwürdigkeit. Juristisch zog Schneider mehrfach gegen Werbeaussagen des Herstellers zu Felde, der in einigen Shampoo-Flaschen ebenfalls einen Teil wiederverwertetes Plastik eingesetzt hatte.

So verbot ein Gericht bestimmte Aussagen auf Fairy-Flaschen zur Wiederverwertung von Ozeanplastik. „In Deutschland ist eine spezifischere Benennung eingefordert worden, und wir haben eine Umstellung der Auslobung auf unseren Fairy-Flaschen vorgenommen“, erläutert eine P & G-Sprecherin. An der Nachhaltigkeit der Flasche mit 100 Prozent Rezyklat, davon zehn Prozent Gewässer- und Uferplastik, habe sich nichts geändert.

Der Streit artet zur juristischen Schlammschlacht aus : Im Gegenzug bezweifelte P & G, dass Schneider seine Reiniger als „Bio“ bezeichnen darf. „In der Tat gibt es auch Beanstandungen gegen Werner & Mertz“, so P & G. So gehe es etwa darum, zu klären, inwiefern ein „Spülmittel für saubere Meere“ die Erwartungen der Verbraucher daran erfüllen könne oder wie viel „Bio“ tatsächlich in jedem Frosch-Produkt stecke. Der streitbare Unternehmer Schneider wird nicht so bald zur Ruhe kommen.