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Puigdemont kommt frei - Die Flucht hat sich gelohnt

Carles Puigdemont kann nicht wegen Rebellion angeklagt werden, weil er ins Ausland geflüchtet ist. Das deutsche Gericht sieht keine Hinweise auf Hochverrat.

Nun ist es passiert. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig Holstein hat eine Auslieferung des abgesetzten katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont wegen Rebellion als „von vornherein unzulässig“ bewertet. Die Entscheidung ist für Spanien bindend. Das heißt, sollte das OLG in einem zweiten Schritt entscheiden, Puigdemont wegen Untreue auszuliefern, kann Spanien ihn auch nur deswegen anklagen. Auf die Veruntreuung öffentlicher Gelder stehen aber deutlich geringere Strafen als auf Rebellion, die bis zu 30 Jahre Haft nach sich zieht.

Das würde bedeuten: Puigdemont als Hauptverantwortlicher der Verfassungsverstöße könnte auf ein deutlich milderes Urteil hoffen als die ehemaligen Regierungsmitglieder, die sich der spanischen Justiz gestellt haben. Der spanische Richter hat insgesamt 13 separatistische Politiker und Aktivisten wegen Rebellion angeklagt, einige von ihnen sitzen bereits seit Monaten in Untersuchungshaft in Madrid. „Sie können ungeachtet der deutschen Entscheidung gegen Puigdemont weiterhin in Spanien wegen Rebellion angeklagt werden“, sagt Manuel Ollé, Professor für internationales Strafrecht an der Universität Complutense in Madrid, dem Handelsblatt.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Flucht hat sich gelohnt. Neben Puigdemont haben sich sechs weitere Separatisten ins Ausland abgesetzt, von denen bisher noch keiner in Untersuchungshaft sitzt. Puigdemont könnte an diesem Freitag aus dem Gewahrsam in Schleswig-Holstein entlassen werden. Das Gericht hatte zwar einen Auslieferungshaftbefehl erlassen, ihn aber unter Auflagen ausgesetzt.

Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört es unter anderem, eine Kaution von 75.000 Euro zu hinterlegen. Puigdemonts deutscher Anwalt Till Dunckel hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt, man wolle so schnell wie möglich die Auflagen erfüllen, damit der 55-Jährige so schnell wie möglich aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster freigelassen werden könne.

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Für die Haftverschonung muss Puigdemont neben der Kautionszahlung vier weitere Auflagen erfüllen: Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und des Oberlandesgerichts zu folgen.

Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit Bedauern. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger“, sagte Justizminister Rafael Catalá in einer ersten Reaktion in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden. Von vielen Katalanen wurde die Nachricht aus Deutschland mit Begeisterung aufgenommen, von größeren Kundgebungen wurde am Abend jedoch nichts bekannt.

Ob die weiterhin in Spanien inhaftierten Separatisten tatsächlich wegen Rebellion verurteilt werden, wird erst der dortige Gerichtsprozess entscheiden. Und den wird ein anderer Richter führen als der, der die Ermittlungen geleitet und die Anklage erhoben hat. Auch in Spanien ist eine Debatte darüber entbrannt, ob eine Anklage wegen Rebellion gerechtfertigt ist.

Zahlreiche Juristen verneinen das, weil sie die Voraussetzung dafür – Gewaltanwendung – nicht als ausreichend gegeben sehen. Auch das OLG begründet seine Entscheidung so. Der zuständige spanische Ermittlungsrichter hatte dagegen argumentiert, die Separatisten hätten mögliche gewalttätige Ausschreitungen in Kauf genommen, als sie das verbotene Unabhängigkeitsreferendum organisierten.

Für den spanischen Richter ist die Entscheidung des deutschen Gerichts eine harte Schlappe. Er hatte den zunächst von einer Kollegin ausgestellten europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont wieder aufgehoben, weil er verhindern wollte, dass Belgien Puigdemont nicht wegen Rebellion, sondern nur wegen geringerer Delikte ausliefert. Nachdem er Ende März Anklage erhoben hatte, setzte er den Haftbefehl aber wieder in Kraft.

Puigdemont befand sich an dem Tag gerade in Finnland und ist auf dem Rückweg in Deutschland festgenommen worden. Nun tritt in Deutschland offenbar genau das ein, was der Richter damals in Belgien verhindern wollte.

Theoretisch könnte er den europäischen Haftbefehl nun erneut zurückziehen – um eine Auslieferung nur wegen Untreue zu verhindern. Puigdemont bliebe dann weiter der Weg nach Spanien versperrt, weil dort immer noch der Haftbefehl und die Anklage wegen Rebellion auf ihn warten würden. Doch dieses Vorgehen scheint nicht sehr wahrscheinlich. Schließlich könnte das letztendlich zur völligen Straffreiheit von Puigdemont führen, wenn er Spanien für immer meidet.

Das deutsche Gericht hat sein Urteil gesprochen, alle Parteien müssen es akzeptieren. Den in Spanien bereits Inhaftierten kann man nur wünschen, dass sie nicht bereuen müssen, sich der spanischen Justiz gestellt zu haben.