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PSA greift bei Opel durch – 2019 droht Kurzarbeit in Rüsselsheim

Der französische Autobauer bindet seine deutsche Tochter enger an die Zentrale. 2019 droht im Stammwerk Rüsselsheim Kurzarbeit. Die Mitarbeiter toben.

Die Meldung ist kurz, nur für einen kleinen Kreis bestimmt und ungewöhnlich schnörkellos formuliert. Ihr Verfasser kommt sofort zur Sache. Bereits im ersten Satz ordnet PSA-Personalchef Xavier Chereau am 10. September in einem „Organizational Announcement“ eine völlige Neugliederung der Personalangelegenheiten bei dem französischen Autohersteller an. Demnach darf es seither bei PSA in jedem europäischen Land markenübergreifend nur noch einen zentralen Verantwortlichen für die Belange der Beschäftigten geben.

Die bisherige Doppelstruktur, bei der die deutsche Tochter Opel weitgehend unabhängig von Peugeot und Citroën agierte, entfällt. Anke Felder, die für Opel als Arbeitsdirektorin in der Geschäftsführung sitzt, verliert dadurch die hierarchische Personalverantwortung in Kernmärkten wie Großbritannien, Spanien und Frankreich an Xavier Chereau. Das geht aus dem internen PSA-Papier hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

Die Änderungen sind signifikant. Es geht um die Berichtshoheit über ein Viertel der mehr als 30.000 Beschäftigten von Opel. „Man hat Felder eines von vier Stuhlbeinen weggesägt“, heißt es in Konzernkreisen. Das komme einer „Entmachtung“ gleich, erklärten vier Insider dem Handelsblatt unabhängig voneinander.

Hintergrund der Aktion: PSA-Chef Carlos Tavares gilt als großer Zentralist. Eineinhalb Jahre nach der Übernahme von Opel zurrt der Portugiese mit französischem Pass die deutsche Tochter nun über Matrixorganisationen immer enger an das Hauptquartier in Rueil-Malmaison nahe Paris.

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Für die Bereiche Human Resources, Einkauf, Public Policy und Legal Affairs wurden bereits Matrixstrukturen etabliert. Nun folgen weitere Einheiten. Dafür wird etwa die Geschäftsführung von Opel von sechs auf fünf Personen verkleinert. Rémi Girardon, bisher Produktionschef bei der Marke mit dem Blitz, wechselt zurück nach Frankreich. Zum 1. Januar 2019 übernimmt der Ingenieur die Leitung aller Motorenwerke im PSA-Verbund.

Als das Handelsblatt vergangene Woche Opel mit Recherchen dazu konfrontiert, geht das Unternehmen in die Offensive. In einer Pressemitteilung verkündet die Firma, dass Antonio Cobo, der derzeit noch das Opel-Werk im spanischen Saragossa leitet, künftig die Produktion von Opel an allen Produktionsstandorten verantworten wird. Anders als Girardon wird Cobo aber nicht Teil der Geschäftsführung von Opel sein, er trägt lediglich den Titel eines Vizepräsidenten.

Durch den Schritt, die oberste Managementebene in Rüsselsheim zu verkleinern, verliert Opel erneut ein Stück seiner Eigenständigkeit, heißt es in Konzernkreisen. Die Folge: Opel-Frontmann Michael Lohscheller könne mit seinem Team kaum noch selbstständig Entscheidungen treffen. Das ist problematisch und unausweichlich zugleich. Denn PSA-Chef Tavares steckt in einem Dilemma.

PSA-Chef Tavares steckt in einem Dilemma

Einerseits ist die Integration von Opel in den Konzernverbund „die Voraussetzung für das Überleben“ der deutschen Traditionsmarke, wird in Unternehmenskreisen konstatiert. Es gelte, schnellstmöglich die im Sanierungsplan „Pace“ angedachten Synergieeffekte von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr zu heben. Andererseits sei klar: „Die Markenidentität von Opel lässt sich nicht in Frankreich entwickeln.“

So oder so kann es sich der deutsch-französische Autobund nicht leisten, weiter Zeit mit einer Nabelschau zu verlieren. Denn auch unter der Regentschaft von PSA hält der Absatzschwund bei Opel unvermindert an. Von Januar bis Oktober konnten die Rüsselsheimer lediglich 813.000 Pkws in Europa verkaufen. Das sind sechs Prozent weniger als im vergleichbaren Zeitraum des ohnehin schon schwachen Vorjahrs.

Schlimmer noch: Auch im Segment der leichten Nutzfahrzeuge zeigen die Verkaufszahlen nach unten. In den ersten zehn Monaten 2018 setzte Opel nur rund 71.000 Fahrzeuge in diesem Segment ab. Das ist ein Rückgang von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei träumt Opel-Chef Lohscheller eigentlich davon, in diesem „unterschätzten Bereich“ mit neuen Modellen wie dem Combo oder Vivaro bis 2020 um 25 Prozent zu wachsen.

Bisher ist die Nachfrage allerdings schwach. Das sorgt zunehmend für Unruhe – insbesondere am Stammsitz in Rüsselsheim. Hier fertigt Opel den Zafira und sein Flaggschiff Insignia. Doch der Konzern musste seine Produktionspläne für 2019 bereits um etwa 10.000 Einheiten nach unten korrigieren, verlautet es in Konzernkreisen.

„Selbstverständlich passen wir in unseren Werken die Produktionsplanung regelmäßig an die aktuellen Marktprognosen an“, erklärte ein Opel-Sprecher dazu.

Nach Handelsblatt-Informationen summiert sich der Personalüberhang in der Fertigung in Rüsselsheim mit Blick auf das kommende Jahr auf mehr als 600 Mitarbeiter. „Wir steuern auf massive Überkapazitäten zu“, heißt es in Konzernkreisen.

Längst erwägt das Management daher Gegenmaßnahmen. Im Raum steht Kurzarbeit sowie die Idee, in Rüsselsheim vom Zwei- auf Einschichtbetrieb umzustellen. „Reine Spekulationen“, entgegnet ein Opel-Sprecher. Sicher ist: Um die Situation zu entspannen, braucht es dringend ein neues Modell in Rüsselsheim – da sind sich Opel-Geschäftsführung und Beschäftigte einig. Allein: Es fehlt bisher die Zusage aus Frankreich.

Die Stimmung in der Belegschaft ist gereizt. Vergangene Woche gingen Hunderte Opelaner auf die Straße, um gegen den Teilverkauf des Entwicklungszentrums ITEZ an den französischen Dienstleister Segula zu demonstrieren. Opel-Chef Lohscheller will 2000 seiner 7 000 Ingenieure in Hessen an Segula auslagern, um die Überkapazitäten im ITEZ einzudämmen. Doch die Gewerkschaft und viele Beschäftigte lehnen diesen Plan ab.

Die IG Metall fordert für den Fall eines Betriebsübergangs ein Rückkehrrecht für die Opelaner. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, Segula könnte es an Solidität mangeln. Denn die französische Gruppe weist in einzelnen Gesellschaften Verluste aus.

Als Gesamtkonzern sei Segula Technologies als Gesamtkonzern aber rentabel, versichert das Unternehmen. Überprüfen lässt sich das nur bedingt. Das Familienunternehmen veröffentlicht weder Bilanz noch Organigramm für die komplette Gruppe.

Um für die Pläne von Segula zu werben, reiste Deutschlandstatthalter Martin Lange mit sieben Vertrauten am 15. November nach Rüsselsheim. Bei einem Treffen mit den 70 wichtigsten Opel-Führungskräften im ITEZ stellten die Segula-Manager ihren Businessplan vor. „In Rüsselsheim entsteht das Herzstück eines integrierten Engineering-Netzwerks“, heißt es in der mehrseitigen Präsentation, die dem Handelsblatt vorliegt.

Opel-Chef Lohscheller wirbt für Verständnis

Demnach strebt Segula an, ein „Generalentwickler für Fahrzeuge“ zu werden. Den Umsatz in Deutschland will der Konzern den internen Papieren zufolge von 230 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 420 Millionen Euro im Jahr 2023 steigern. Das wäre ein Wachstum von 83 Prozent binnen vier Jahren. Profitziele nennt Segula nicht, hält aber fest, dass es bis 2023 keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll und stellt einen „(Haus)Tarifvertrag“ in Aussicht.

Die ersten Gespräche mit der IG Metall seien „konstruktiv“ ‧gewesen, erklärte eine Segula-Sprecherin. Klar ist aber: Für die Gewerkschafter kommt nur ein Flächentarifvertrag infrage, einen Haustarifvertrag lehnen sie hingegen kategorisch ab.

Auch außerhalb Deutschlands brodelt es bei Opel. Mangels Nachfolgeaufträgen wackeln im Getriebe- und Motorenwerk in Wien-Aspern mehr als 400 Jobs in den nächsten Jahren, heißt es in Konzernkreisen. Der Abbau von 140 Stellen im Jahr 2019 ist bereits fix. Danach könnten weitere folgen. Opel verweist auf eine „Zukunftsvereinbarung“ für den Standort.

Bei einem Townhall-Meeting Anfang Dezember warb Opel-Chef Lohscheller um Verständnis für den Sanierungsplan: „Pace“ funktioniere. Er verwies auf den operativen Halbjahresgewinn von 505 Millionen Euro. Mit dem „Volks-Elektroauto“ – der Stromversion des Corsa – will Opel zudem ab 2019 wieder angreifen. Vereinzelt bekam Lohscheller dafür Applaus, berichten Teilnehmer. Die Buhrufe hätten aber überwogen.