Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    17.917,28
    -171,42 (-0,95%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.939,01
    -50,87 (-1,02%)
     
  • Dow Jones 30

    37.925,98
    -534,94 (-1,39%)
     
  • Gold

    2.342,40
    +4,00 (+0,17%)
     
  • EUR/USD

    1,0723
    +0,0022 (+0,20%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.828,82
    -673,34 (-1,11%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.386,98
    +4,41 (+0,32%)
     
  • Öl (Brent)

    82,54
    -0,27 (-0,33%)
     
  • MDAX

    26.043,18
    -302,89 (-1,15%)
     
  • TecDAX

    3.266,76
    -32,84 (-1,00%)
     
  • SDAX

    13.995,77
    -211,86 (-1,49%)
     
  • Nikkei 225

    37.628,48
    -831,60 (-2,16%)
     
  • FTSE 100

    8.078,86
    +38,48 (+0,48%)
     
  • CAC 40

    8.016,65
    -75,21 (-0,93%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.498,90
    -213,85 (-1,36%)
     

„Project Zero“: Amazon geht jetzt auch in Europa massiv gegen Plagiate vor

Durch technische Maßnahmen und Künstliche Intelligenz will Amazon die Zahl der Fälschungen auf null reduzieren. Doch die Herausforderung ist gewaltig.

Der Angriff kam direkt und mit voller Härte. In einem Brief an Händler warf der US-Chef der Sandalenmarke Birkenstock der Plattform Amazon vor, das Unternehmen tue nicht genug gegen Produktfälschungen. „Wir können für Birkenstock-Produkte auf Amazon weder die Echtheit bestätigen noch die Qualität überprüfen“, schrieb David Kahan. „Sie sind vielleicht gefälscht, vielleicht gestohlen, vielleicht unter sehr fragwürdigen Umständen hergestellt worden.“

Die Konsequenz: Birkenstock zog sich erst in den USA von der Amazon-Plattform zurück, kurz danach auch in Europa. Auch wenn Amazon betont, dass mehr als 99,9 Prozent der auf seiner Plattform gehandelten Waren keine Plagiate sind, tut ein solcher Vorwurf weh. Immer wieder werden Klagen laut, dass die großen Onlinemarktplätze ein beliebter Umschlagplatz für gefälschte Produkte sind. Und das kratzt auch an Amazons Image.

Jüngst gab der E-Commerce-Riese sogar selbst zu, dass das Unternehmen mit gefälschten Waren auf seiner Plattform zu kämpfen hat. In einer Mitteilung an die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC Anfang des Jahres hat der Konzern erstmals eingeräumt, dass er trotz aller internen Kontrollen nicht in der Lage sei, Betrug und Plagiate auf der Plattform vollständig zu unterbinden.

WERBUNG

Doch damit soll nun Schluss sein. Wie Amazon-Vicepresident Dharmesh Mehta im Gespräch mit dem Handelsblatt ankündigte, wird der Konzern an diesem Montag sein ehrgeiziges „Project Zero“ auch in Europa starten: Durch verschiedene technische Maßnahmen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz will Amazon zusammen mit den Markenherstellern die Zahl der Fälschungen auf seiner Plattform auf null reduzieren.

„Kunden erwarten, dass sie sicher sein können, auf unserer Website authentische Produkte zu kaufen. Das ist entscheidend für das Kundenvertrauen“, sagt Mehta, der bei Amazon den Bereich Partner-Beziehungen und Kundenvertrauen verantwortet. „Wir wissen, dass wir in diesem Punkt noch nicht perfekt sind, aber wir arbeiten hart daran, dass wir die Zahl der Fälschungen auf null bringen.“

Die Aufgabe ist herausfordernd, überschwemmen doch gefälschte Markenprodukte geradezu den Markt – und das nicht nur auf den Onlineplattformen. Nach einer Studie der Handelsorganisation OECD und des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) werden weltweit gefälschte Waren im Wert von mindestens 460 Milliarden Euro gehandelt, rund ein Viertel davon in der EU. Damit macht der Anteil gefälschter Produkte am gesamten Welthandel bereits 3,3 Prozent aus.

Fälschungen kosten viele Arbeitsplätze

Mehr als die Hälfte dieser Plagiate kommt der Studie zufolge aus China, gefolgt von Hongkong, der Türkei und Singapur. Doch auch Deutschland wird als Standort für Fälscher immer beliebter und liegt bereits auf Platz fünf. Am häufigsten gefälscht werden Schuhe und Bekleidung. Legt man aber den Wert der gefälschten Güter zugrunde, richten die Betrüger in der Uhrenbranche den größten Schaden an.

Genaue Zahlen, wie viel Umsatz Unternehmen in Deutschland entgeht, gibt es nicht. In einer Studie auf einer Basis von Unternehmensbefragungen hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln jedoch jüngst hochgerechnet, dass der volkswirtschaftliche Schaden in Deutschland bei 54,5 Milliarden Euro liegen dürfte.

Nach Berechnungen der Forscher sind dadurch rund 500.000 Arbeitsplätze bei deutschen Unternehmen weggefallen. Entsprechend hoch ist der öffentliche Druck, dass auch die Onlinemarktplätze hart gegen die Betrüger vorgehen. Vor einem halben Jahr hat Amazon deshalb sein „Project Zero“ in den USA gestartet.

Mittlerweile haben sich mehr als 3000 Markenhersteller für das Programm registriert. Das System basiert auf drei Säulen: Zum einen sucht Amazon mit eigens programmierten Algorithmen und mithilfe von Künstlicher Intelligenz seine Plattform ständig nach Fälschungen ab.

Außerdem bekommen die teilnehmenden Markenhersteller die Möglichkeit, selbst Angebote von der Seite zu löschen, wenn sie Fälschungen entdeckt haben. Zum dritten können die Hersteller alle ihre Produkte mit speziellen Codes versehen, mit denen die Echtheit überprüft werden kann.


65 Millionen verdächtige Produkte gestoppt

Wie wichtig Amazon der Kampf gegen den Imagekiller Plagiate ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Teilnahme an „Project Zero“ für die Markenhersteller grundsätzlich kostenlos ist. Nur für die Kennzeichnung der Produkte mit fälschungssicheren Codes, die für die Brands optional ist, fällt eine Gebühr an.

Das Programm zeigt bereits deutliche Erfolge, die aber zugleich dokumentieren, wie notwendig der Kampf gegen die Plagiate ist. „Seit dem Start hat das Programm über 65 Millionen verdächtige Produkte von Marken gestoppt, die für Project Zero registriert sind“, sagt Amazon-Manager Mehta.

Für jede mutmaßliche Fälschung, die eine Marke aus dem Store entfernt, habe Amazon in der Folge zudem mehr als 500 Angebote proaktiv gesperrt oder entfernt. Das soll nun auch in Europa wiederholt werden. Es läuft bereits ein Pilotversuch mit rund 15 Händlern, der jetzt in den Regelbetrieb übergeht.

„Project Zero war wirklich hilfreich bei unseren Bemühungen, Fälschungen zu bekämpfen“, erklärt Ben Hantoot, Gründer des Partyspiel-Herstellers „Cards Against Humanity“, der am Pilotprojekt in Europa teilgenommen hat. „Wir schätzen es, dass wir verdächtige Angebote selbst löschen können.“

Doch genau dieses Thema ist heikel, räumt auch Amazon-Manager Mehta ein. „Das ist ein kritischer Punkt, wir geben den Herstellern da in der Tat ein sehr mächtiges Werkzeug an die Hand“, sagt er. Der Konzern beobachte aber sehr genau, ob die Marken diese Möglichkeit verantwortungsvoll verwenden. „Wir mussten eine kleine Zahl von Markenherstellern von Project Zero ausschließen, weil sie mit diesem Instrument nicht so umgegangen sind, wie wir uns das vorstellen“, berichtet Mehta.

Außerdem hätten betroffene Verkäufer die Möglichkeit, den Sperrungen zu widersprechen. Wenn sie zeigen könnten, dass sie ein authentisches Produkt verkaufen, werde die Sperrung rückgängig gemacht. Erfahrungen der Vergangenheit jedoch zeigen, dass das für Händler nicht immer ganz einfach ist.

Ebay wählt anderen Ansatz

So wurden Händler teilweise wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen für Wochen gesperrt. Diese stellten sich zum Teil hinterher jedoch als falsch heraus. So war der Unternehmer Denis Klug, der den Mode-Shop Van Verden auf Amazon betreibt, kürzlich für Wochen gesperrt, weil es Unklarheiten wegen der Markenrechte gab. „Die Kontensperrung hat uns fast in den Ruin getrieben“, erinnert sich Klug. Sieben Mitarbeiter musste er entlassen. Wenn nun Markenhersteller selber sperren können, könnte sich diese Problematik noch verschärfen.

Entsprechend skeptisch schauen viele Händler, die nicht zugleich Hersteller ihrer Produkte sind, auf die Maßnahmen im Kampf gegen die Produktpiraterie. Denn das Project Zero wurde in enger Abstimmung mit den Markenherstellern entwickelt und hat entsprechend in erster Linie ihre Interessen im Blick.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Konkurrent Ebay, der jetzt ebenfalls den Kampf gegen die Fälscher verschärft hat. Der Onlinemarktplatz kooperiert seit Anfang Juli mit dem Münchener Start-up Authorized.by. Über die Plattform von Authorized.by können Markenhersteller ihre offiziellen Händler mit einem interaktiven Siegel kennzeichnen.

Diese Positiv-Liste soll dem Kunden eine Orientierung geben, bei welchen Händlern er gefahrlos einkaufen kann, wenn er keinen Fälschungen aufsitzen möchte. Gründer Felix Nottensteiner möchte damit die Komplexität beim Kampf gegen Plagiate reduzieren.

„Für Marken war es bislang sehr aufwendig, alle Anbieter im Netz zu kontrollieren“, sagt er. „Durch unser Siegel wird das viel einfacher, auch für Verbraucher.“ Das sehen viele Hersteller ebenfalls so, Hunderte Marken, wie etwa Deuter, Ortlieb oder Nomos Glashütte nutzen Authorized.by bereits. Die Kooperation mit Ebay ist für ihn jetzt der „Ritterschlag“, wie er selbst sagt.