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Sind Prognosen nur Zeitverschwendung?

Folgt auf den wenig erfreulichen Sommer eine heißer Herbst an den Märkten? Viele Experten prognostizieren das. Doch glaubt man der Börsenlegende Peter Lynch, sind solche Vorhersagen wenig wert.

Der Börsensommer war nichts für schwache Nerven. Die Trump-Rally hat deutlich an Schwung verloren, der starke Euro bremste die exportorientierten Titel im Dax aus und immer neue Drohungen aus und in Richtung Nordkorea ließen die Kurse einknicken. Von Juni bis Ende August verlor der Dax mehr als 900 Punkten. „Für viele Crash-Propheten scheint dies aber nur die Ouvertüre zu einem von ihnen fast schon sehnsüchtig erwarteten Aktienzusammenbruch gewesen zu sein“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.

Die Miesepeter argumentieren nicht zuletzt damit, dass sich die Aktienmärkte finanzhistorisch in einer übertriebenen, ungewöhnlich langen, mittlerweile neunjährigen Hausse befinden. „Und auch Hokuspokus kommt nicht zu kurz: 2017 sei ein Siebener-Jahr, das vermeintlich für Aktien-Krise steht“, sagt Halver. „Doch Totgesagte leben offensichtlich länger.“ Seit seinem Zwischentief bei unter 12.000 Punkten liegt der deutsche Leitindex mittlerweile wieder bei gut 12.500 Punkten.

Die Prognosen der Crash-Propheten haben sich also nicht bewahrheitet, noch nicht zumindest. Doch wohin entwickeln sich der Dax in dieser Woche? Wie in der kommenden? Wie in einem Monat oder einem Jahr? Fast täglich prasseln die Prognosen der Experten auf Börsianer ein. Viele Experten erwarten einen heißen Herbst, aber ob der auch wirklich kommt?

Es ist so eine Sache mit den Prognosen an der Börse. Schon der legendäre Peter Lynch sagte einst: „Niemand war je in der Lage, die Börse vorherzusagen. Es ist eine totale Zeitverschwendung.“ Überraschende Worte eines Mannes, der immerhin einer der erfolgreichsten Fondsmanager der Welt war. Mehr als zehn Jahre lang erzielte er mit seinen Fonds eine überdurchschnittliche Rendite von knapp 30 Prozent – und zwar pro Jahr.

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Von Prognosen hielt er trotzdem nicht viel. Lynch setzte auf einzelne, attraktiv bewertete Unternehmen mit einem für ihn nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei streute er das Risiko extrem breit. Teilweise umfassten seine Portfolios mehr als 1000 Aktien gleichzeitig.

Aber war Lynchs Kritik an den Voraussagen überhaupt berechtigt? Für Börsenprofessor und Bestsellerautor Max Otte ist die Antwort ein ganz klares Ja. Und auch Ulrich Stephan kann der Börsenweisheit einiges abgewinnen. „Natürlich ist die Aussage von Peter Lynch richtig, da niemand in der Lage ist, die Zukunft vorherzusagen“, sagt der Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.


Anleger mit Angstfilter

Diese Erkenntnis sei aber weder neu noch besonders originell. „Bezogen auf die Kapitalmärkte hat Eugene F. Fama bereits Ende der 1960er Jahre die Effizienzmarkthypothese formuliert, der zufolge zumindest kurz- und mittelfristig keine systematischen Überrenditen zu erzielen sind“, ergänzt Stephan. „Sogenannte Marktanomalien resultieren in der Regel aus entsprechend differierenden Risikopositionen.“

Vor allem Punktprognosen auf kurze Sicht sind daher tatsächlich Zeitverschwendung, ist Stephan überzeugt. „Entsprechend raten wir unseren Kunden, Investitionen immer langfristig strategisch und unter besonderem Augenmerk der Risikopräferenzen einzugehen“, sagt er. Die würden sich im Übrigen nicht mit den kurzfristigen Marktbewegungen ändern.

Auch für Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management hat die Börsenweisheit vor allem kurzfristig eine gewisse Berechtigung. „Wenn man aber die Fundamentaldaten bemüht und Bewertungen zu Rate zieht, nimmt die Prognosekraft mit zunehmender Dauer deutlich zu“, gibt er zu bedenken.

Anleger würden viel zu wenig auf die Vorhersagen hören – zumindest wenn diese positiv seien. „Denn traditionell haben die Deutschen rund um das Kapitalmarktgeschehen einen gewissen ‚Angstfilter‘, so dass Risikonachrichten deutlich mehr Beachtung geschenkt wird als positiven Nachrichten“, weiß Galler. Das führt zu einem übervorsichtigen Anlageverhalten, und eher einer defensiven Investmentstrategie, wobei sie sich viele Chancen entgehen lassen.

Otte sieht das anders. Er kritisiert, dass sich Anleger viel zu stark von Vorhersagen beeinflussen lassen. „Fast jeder Privatanleger glaubt, einen kausalen Zusammenhang zwischen irgendwelchen Ereignissen und der Börse zu erkennen und überschätzt sich dabei maßlos“, sagt der Börsenprofessor. „Das Geheimnis der Profis ist, dass sie wissen, dass sie das nicht wissen. Aber wir kennen Bilanzen, Geschäftsberichte und Bewertungsniveaus.“ Ob es einen heißen Börsenherbst gibt ist ihm deshalb auch egal.

Galler und Stephan wagen die Prognose. Der JP-Morgan-Experte erwartet einen „durchwachsenen Herbst mit Sonnenschein – aber auch einigen Stürmen“. Das aktuelle Umfeld sei ein Ausdruck einer gewissen Sorglosigkeit an den Märkten. Denn obwohl es bislang in diesem Jahr nur drei Tage gab, an dem die Volatilität höher als ein Prozent lag, ist in der aktuellen Zyklusphase davon davon auszugehen, dass es auch mal Phasen mit größerer Volatilität kommen und der Rückenwind für Risikoanlagen sollte ein wenig abflauen.


Langfristige Strategie ist wichtiger

„Aber aufgrund der positiven Datenlage bezüglich Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne ist weiterhin mit robusten Ergebnissen zu rechnen“, so Galler. „Es gilt aber, das Portfolio wetterfest zu machen. Und mit Blick auf die erwarteten Zentralbankstraffungen, die ihre Schatten vorauswerfen, ist ein heißer Herbst eher in 2018 zu erwarten, als in diesem Jahr.“

Ulrich Stephan ist verhalten optimistisch, rechnet aber auch mit einigen Turbulenzen. „Das fundamentale Umfeld für die Aktienanlage gestaltet sich momentan aus unserer Sicht günstig, da die Weltwirtschaft die stärkste Dynamik seit sieben Jahren besitzt und die Unternehmensgewinne dieses Jahr weltweit zweistellige Wachstumsraten aufweisen“, sagt der Anlageexperte. „Ein heißer Herbst wird es 2017 sicherlich, da große Fragestellungen geklärt werden müssen.“ Da gehe es viel um die Staffelübergabe an oberster Stelle in China, die Brexit-Verhandlungen und natürlich um die US-Steuerreform.

Geopolitische Faktoren könnten natürlich ebenfalls jederzeit und vor allem unangekündigt zu starken Marktschwankungen führen. „In unserem Basisszenario sind wir jedoch konstruktiv auf Aktienanlagen eingestellt und sehen die Probleme eher auf den Rentenmärkten“, so der Stratege der Deutschen Bank. Letzteres sei auf die ankündigte Normalisierung der Geldpolitik der US-Notenbank Fed, der Europäischen Zentralbank und der Bank of England zurückzuführen. Seine Favoriten sind aktuell Zykliker wie Industriewerte, Anlagen- und Kapitalgüterhersteller sowie die Technologieführer und den Autozulieferer gehören zu unseren Favoriten.

Heißer Herbst oder nicht – wäre es leichter, die Börsenkurse oder doch zumindest ihre Tendenz exakt zu prognostizieren, hätten es diejenigen Investoren leichter, die auf Timing setzen, also steht nach dem richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt suchen. Doch gerade sie tun sich oft schwer.

Oder um es mit Peter Lynch zu sagen: „In der von Forbes veröffentlichten Hitparade der Reichen der Welt war noch nie ein Börsentiming-Experte vertreten.“ Die Börsenregel des legendären Fondsmanager hat also durchaus ihre Berechtigung. Vor allem kurzfristig sind Prognosen an den Finanzmärkten sehr schwierig oder eben „Zeitverschwendung“. Wichtiger ist die langfristige Strategie des Anlegers.