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Das profitable Amigo-Netzwerk des Georg Nüßlein

Der CSU-Abgeordnete verdiente nicht nur an Masken, er ließ sich seine politischen Kontakte auch von anderen Firmen bezahlen. Sein Rückzug aus der Politik war zwangsläufig.

Der Bundestag hat die Immunität des CSU-Abgeordneten Nüßlein aufgehoben und damit den Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse genehmigt. Foto: dpa
Der Bundestag hat die Immunität des CSU-Abgeordneten Nüßlein aufgehoben und damit den Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse genehmigt. Foto: dpa

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Unternehmer ihren örtlichen Bundestagsabgeordneten anrufen, wenn sie Probleme mit Behörden oder Ministerien haben. Oft genug schreiben die Parlamentarier dann mit ihrer Funktionsbezeichnung und dem Briefkopf des Bundestages drängende Briefe an säumige Beamte oder höhere Dienststellen, um das Anliegen der Unternehmer mit etwas politischem Druck voranzutreiben. Sogar ein Vieraugengespräch mit dem Parteifreund Minister ist nicht ungewöhnlich – schließlich gehört es zu den Aufgaben eines Abgeordneten, sich um die Probleme in seinem Wahlkreis zu kümmern. So weit, so gut.

Georg Nüßlein, Vizevorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kümmerte sich neben seinem politischen Amt ebenfalls um zahlreiche Dinge. Aber im Gegensatz zu den meisten Abgeordneten tat er das ungerne umsonst. Das gilt nicht nur für ein von ihm eingefädeltes 14-Millionen-Geschäft mit Schutzmasken, die an den Bund und andere öffentliche Stellen geliefert wurden und für das der Neu-Ulmer Abgeordnete 660.000 Euro Provision erhielt. Es gibt auch zahlreiche andere Geschäfte zwischen Privatunternehmen und öffentlicher Hand, bei denen Nüßlein mitmischte. Über seine Firma Tectum Holding GmbH hat er nicht nur Maskenlieferungen an das Bundesgesundheitsministerium vermittelt, sondern auch an mehrere Landesresorts.

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Die Tectum Holding scheint eine Allzweckwaffe zu sein. Inhaber Nüßlein wickelt darüber Vermögensverwaltung, allgemeine Finanzberatung und offenbar auch Provisionen für staatsnahe Deals wie die Lieferung von Coronamasken für Gesundheitsministerien ab. Welche Einnahmen er mit der Tectum Holding erzielt, ist unbekannt – dem Bundestag hat Nüßlein diesbezüglich keine Mitteilungen gemacht.

Gute Geschäfte mit der Bahn

Der umtriebige Abgeordnete, der schon für die Kosmetikfirma „Veronas Dreams“ der damaligen Werbeikone Verona Feldbusch tätig war, führt nicht nur eigene Firmen. Nüßlein sitzt auch in vielen Gremien, in denen er seine politischen Kontakte gewinnbringend nutzen kann. Zum Beispiel ist der gelernte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler und viel beschäftigte Berufspolitiker nebenbei Aufsichtsrat bei der Münchener Sfirion AG, einem inhabergeführten Ingenieurbüro, das sich auf Projektmanagement im Baugeschäft spezialisiert hat. Einer der Kunden ist die Deutsche Bahn AG. Seitdem Nüsslein im Aufsichtsrat der Sfirion AG sitzt, hat sich das Geschäft mit dem Staatskonzern besonders gut entwickelt, vor allem, seit 2009 das Bundesverkehrsministerium nach Jahren der sozialdemokratischen Führerschaft wieder an die CSU zurückfiel.

Ob die Verkehrsminister nun Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt oder Andreas Scheuer hießen – alle sind jahrelange CSU-Parteifreunde von Nüßlein und alle waren von Amts wegen für die Bahn zuständig. Die Umsätze der Sfiron AG mit der Bahn jedenfalls haben sich nach Aussage eines Berliner Insiders seit 2009 fast verdoppelt. Welche Rolle Nüßlein dabei spielt, ob er bei seinen CSU-Parteifreunden für das von ihm mitbeaufsichtigte Unternehmen geworben hat und ob er über seine Aufsichtsratsvergütung hinaus weitere Zahlungen erhielt, ist nicht unwahrscheinlich, aber derzeit noch nicht zu klären. Das Büro von Nüßlein antwortet seit Tagen nicht mehr auf Presseanfragen und auch die Sfirion AG reagierte nicht auf schriftlich gestellte Fragen.

Man kennt sich, man hilft sich

Das Amigo-Netzwerk von Nüßlein reicht jedoch nicht nur bis in das Verkehrsministerium. Auch sein alter Parteifreund Alfred Sauter, Mitglied des CSU-Präsidiums, ehemaliger bayerischer Justizminister und heute Landtagsabgeordneter und Rechtsanwalt, half Nüßlein bei seinen Geschäften. In den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München gegen Nüßlein und den Geschäftsmann Thomas Limberger wegen des Verdachts auf Bestechung und Bestechlichkeit in Zusammenhang mit den Masken-Geschäften taucht jedenfalls auch der Name Alfred Sauter auf.

Der einflussreiche CSU-Politiker wird dort als Zeuge geführt. Auf Presseanfragen sagte Sauter, dass er nur einen Vertrag zwischen dem bayerischen Gesundheitsministerium und einem Lieferanten von Masken entworfen habe. Dafür sei ihm selbstverständlich eine anwaltliche Vergütung entrichtet worden, so Sauter, der in einer Kanzlei mit dem Ex-CSU-Politiker Peter Gauweiler arbeitet. Zur Frage der Rolle von Nüßlein äußerte Sauter sich nicht.

Sauter und Nüßlein sind gute Bekannte. Sauter vertritt im bayerischen Landtag den Wahlkreis Günzburg – eine Stadt, die auch in dem Bundestagswahlkreis von Nüßlein liegt. Und auch Thomas Limberger ist mit beiden CSU-Politikern bekannt. Von Limbergers Firma in Liechtenstein sollen jene 660.000 Euro an Nüßlein geflossen sein, die dieser bislang nicht dem Finanzamt als Umsatzsteuervoranmeldung mitgeteilt hat. An den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Durchsuchungen in 13 Orten – unter anderem in Liechtenstein – sind mehr als 30 Beamte beteiligt. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sind, sei derzeit noch nicht absehbar, so die Staatsanwaltschaft. Nüssleins Immunität als Abgeordneter ist vom Bundestag einstimmig aufgehoben worden, sein Amt als Fraktionsvize lässt er ruhen. Die bisherigen Vorwürfe weist sein Anwalt als „haltlos“ zurück.

Unionsfraktionsspitze warnt vor Nebengeschäften

In der Union herrschen Betroffenheit und Kopfschütteln. Der Verdacht, sich ausgerechnet in der Coronakrise unrechtmäßig bereichert zu haben, sei – so ein CSU-Insider – „furchtbar für uns alle“. Das auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel an der Vermittlung von Maskenlieferung ein kleines Vermögen verdiente, vergrößert den Imageschaden für die Politik um einen weiteren Fall. Da hilft es auch nicht mehr, dass Nüßlein seinen Rückzug aus der Politik ankündigte und Löbel seinen Sitz im Auswärtigen Ausschuss zurückgeben will.

Die Unionsfraktionsspitze warnte die Abgeordneten in einem Schreieben ausdrücklich vor Geschäftemacherei mit Coronamasken. „Ein Tätigwerden im Rahmen eines Mandats darf nicht mit persönlichen finanziellen Interessen verbunden werden“, schrieben Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in einem Brief an ihre Fraktionskollegen. CDU-Generalssekretär Paul Ziemiak nannte die Geschäfte „zutiefst unanständig“.

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