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Im Privatkundengeschäft deutscher Banken herrscht Dauermisere – doch es gibt Hoffnung

Der zersplitterte Markt und die Dauerniedrigzinsen drücken die Margen der Banken im Privatkundengeschäft. Einziger Ausweg: die Digitalisierung.

Es waren schwarze Minuten für den deutschen Fußball, aber auch schwarze Minuten für die Commerzbank. Als der Südkoreaner Son Heung Min in der Nachspielzeit den Ball ins leere deutsche Tor schob und mit dem 0:2 das Ausscheiden der Nationalmannschaft perfekt machte, da versanken nicht nur Jogi Löw und seine Spieler in Verzweiflung. Auch im Frankfurter Commerzbank-Turm herrschte Trauer.

Deutschlands zweitgrößte Privatbank hatte im Herbst 2016 das Ziel ausgegeben, bis 2020 unter dem Strich zwei Millionen neue Privatkunden zu gewinnen. Dabei sollte unter anderem auch die WM-Euphorie helfen. Schon seit Wochen läuft eine groß angelegte Kampagne mit TV-Spots, in denen Löw und Co. für das kostenlose Girokonto des Instituts werben. Doch auf Rückenwind von der Nationalmannschaft muss Vorstandschef Martin Zielke nun verzichten.

„Wir sind wie alle anderen in Deutschland sehr enttäuscht. Aber wir sehen das sportlich: Man gewinnt zusammen, und man verliert zusammen“, sagte eine Commerzbank-Sprecherin mit einer Prise Fatalismus.

Dabei ist es auch ohne WM-Pleite schon schwierig genug für deutsche Banken, im Privatkundengeschäft Geld zu verdienen. Für Holger Sachse, Partner und Bankenexperte der Boston Consulting Group (BCG), zählt der Markt „zu den schwierigsten der Welt“. Das zeigen die Zahlen der Vergangenheit: Weltweit sind die Erlöse im Privatkundengeschäft nach Berechnungen von BCG von 2011 bis 2016 um 4,8 Prozent gestiegen. In Deutschland schrumpfte der Markt dagegen um zwei Prozent.

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Die Zukunft sieht nach den Prognosen der Berater nicht sehr viel besser aus: Während BCG global bis 2021 ein Wachstum von 5,3 Prozent – die höchste Steigerung seit einem Jahrzehnt – für das Privatkundengeschäft vorhersagt, liegt die Prognose für Deutschland bei einem mageren Plus von lediglich einem Prozent. „Die Entwicklung stagniert quasi“, konstatiert BCG-Partner Sachse.

Der deutsche Bankenmarkt ist extrem zersplittert

Für die Dauermisere auf dem Heimatmarkt gibt es gleich mehrere Gründe, die sich zum Teil auch noch gegenseitig verstärken. Der wichtigste: Im Vergleich zu anderen Ländern ist der deutsche Bankenmarkt extrem zersplittert. Commerzbank, Deutsche Bank und die anderen privaten Banken rangeln mit Genossenschaftsbanken und Sparkassen um Marktanteile.

Während in Deutschland noch immer rund 1.700 Geschäftsbanken an den Start gehen, ist die Wettbewerbssituation in anderen großen europäischen Ländern deutlich entspannter. Frankreich zählt nur noch 790 selbstständige Banken, in Großbritannien sind es 340 und in Spanien sogar nur 280.

Dazu kommen die chronischen Niedrigzinsen, die ebenfalls auf die Margen drücken. Die Banken versuchen, mit höheren Gebühren gegenzusteuern, doch das reicht nicht, um das Problem zu lösen. Gut die Hälfte ihrer Erträge je Kunde erzielen die deutschen Banken im Privatkundengeschäft mit dem Zahlungsverkehr, wie die Beratungsfirma Confidum ermittelt hat. Kein Wunder, dass viele Geldhäuser derzeit an der Preisschraube drehen und die Girokonten verteuern.

„Aber die Banken können nur einen Teil des Problems an die Kunden weitergeben“, warnt BCG-Partner Sachse. Trotz höherer Gebühren schaffen es die Geldhäuser nach Einschätzung der Unternehmensberater nicht, ihre Einnahmen so signifikant zu steigern, um den Rückgang der Zinserträge aufzufangen.

Die Einnahmen aus dem übrigen Privatkundengeschäft stammen im Wesentlichen aus den Gebühren, die wohlhabende Kunden für Bankdienste bezahlen. „Wenn man von den Erträgen aus dem Zahlungsverkehr absieht, können die deutschen Kreditinstitute eigentlich nur an Kunden mit einem höheren Einkommen oder Vermögen verdienen“, erläutert Confidum-Manager Hans-Joachim Schettler.

Der Grund: Nur 30 Prozent der Haushalte schaffen es, große Summen anzusparen. 80 Prozent der Sparquote entfallen nach Berechnungen von Confidum auf nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung.

Anteil vermögender Kunden ist relativ gering

60 Prozent der deutschen Haushalte haben demnach weniger als 3.000 Euro auf der hohen Kante. Und fast ein Drittel spart gar nicht. 27 Prozent der Deutschen verfügen nach eigenen Angaben über keinerlei Rücklagen, wie eine repräsentative Umfrage der Onlinebank ING-Diba kürzlich ergab.

Das bekommen vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu spüren. „Gerade bei diesen Instituten ist der Anteil vermögender Kunden relativ gering“, betont Schettler. Deshalb sind diese Bankengruppen noch abhängiger von den Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr.

„Aber die Kreditinstitute können die Preise zum Beispiel für die Kontoführung nicht ständig erhöhen“, warnt Schettler. Sonst würden die jungen Kunden endgültig abwandern. Viele Klienten aus dieser Zielgruppe entschieden sich schon jetzt lieber für ein Gratiskonto bei einer Onlinebank.

Deshalb müssen Sparkassen und Genossenschaftsbanken reagieren: „Sie kommen um eine massive Restrukturierung nicht herum“, betont Schettler. Die Institute müssten ihre Kosten auf breiter Front drücken, auch durch mehr Filialschließungen und Stellenabbau – sowohl im Vertrieb als auch in der Produktion und in der internen Steuerung.

Etliche Banken haben auch schon in großem Stil Filialen abgebaut. Vor Kurzem kündigte die Kreissparkasse Köln, die viertgrößte Sparkasse in Deutschland, an, dass sie 45 und damit etwa ein Viertel ihrer Zweigstellen schließt. Doch das allein reicht nicht.

Zwei Drittel der Kosten einer typischen kleineren Filiale sind Personalkosten, hat die Beratungsgesellschaft Investors Marketing für das Handelsblatt berechnet. „Deshalb geht es beim Filialabbau eigentlich um die Frage, ob und wie viele Stellen dadurch gestrichen werden“, erläutert Investors-Marketing-Chef Oliver Mihm. „Bisher ist es oft so, dass gerade Sparkassen Filialen schließen und die Mitarbeiter dann in anderen Filialen arbeiten. Das senkt die Kosten der Sparkasse aber nicht.“

Doch nicht nur Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssen sich auf die neuen Realitäten einstellen. Einen, wenn nicht den einzigen Ausweg aus der Misere im Privatkundengeschäft bietet nach Einschätzung von BCG die Digitalisierung. Hier vermuten die Berater „immenses Potenzial, das noch kaum genutzt wird, mehr Erträge pro Kunde zu erzielen“.

Die BCG-Analyse ergibt für Deutschland und Österreich eine Summe von mindestens 50 Millionen Euro pro eine Million Kunden, die weniger digitalisierte Banken im Vergleich zu fortgeschritten digitalisierten Banken „liegen lassen“.

Einer der wichtigsten Faktoren bei der Digitalisierung des Privatkundengeschäfts ist die Personalisierung, also das Anbieten von genau auf den einzelnen Kunden zugeschnittenen Lösungen. Eine Studie von BCG kommt zu dem Ergebnis, dass die Personalisierung für über 60 Prozent der deutschen Konsumenten der wichtigste oder zumindest ein sehr wichtiger Faktor ist, Kunde einer bestimmten Bank zu werden.

42 Prozent der Kunden verlassen sogar ihre aktuelle Bank, weil sie das Serviceangebot und die Kommunikation als nicht hinreichend personalisiert empfinden. Bereits die Hälfte der Deutschen sieht sich selbst als vornehmlich digitale Bankkunden. Damit liegt Deutschland auf Platz fünf eines internationalen Rankings von 16 Ländern rund um den Globus. Für BCG-Berater Sachse ist das Thema Individualisierung der digitalen Produkte schlicht „alternativlos“.