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Die Preiskämpfe der Windbranche

Für Hans Bünting war es eine kleine Schmach. Der Vorstand für Erneuerbare Energien beim Essener Energieversorger Innogy wollte vor Helgoland in der Nordsee den Offshore-Windpark „Kaskasi“ bauen. Das Projekt entwickelt Innogy schon länger. Doch den Zuschlag im April bekamen andere Projekte, etwa eines vom Konkurrenten EnBW. Der Grund: Das Angebot von Büntings Truppe war zu teuer.

Der Markt für Windenergie erlebt gerade eine Zeitenwende. Früher erhielten Projektierer eine üppig bemessene fixe Vergütung vom Staat für jede erzeugte Megawattstunde Strom. Seit Anfang des Jahres müssen sich die Anbieter aber europaweit in Auktionen um die Höhe der Förderungen streiten. Derjenige, der den niedrigsten Preis bietet, bekommt den Zuschlag. Bis auf die Zusage für die Modernisierung eines Windparks mit einer Leistung von lediglich zwölf Megawatt ging Innogy dieses Jahr bei den Auktionen völlig leer aus.

Jetzt kann der Konzern aber einen großen Erfolg vermelden – allerdings nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien. In der jüngsten Auktionsrunde der Briten bekam Innogy den Zuschlag für den Bau des Offshore-Windparks „Triton Knoll“. Bis Mitte 2018 soll die finale Investitionsentscheidung fallen. Innogy will das Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund zwei Milliarden britischen Pfund gemeinsam mit dem norwegischen Energiekonzern Statkraft bis 2021 entwickeln und dann in Betrieb nehmen. Der Meerwindpark vor der Ostküste Englands soll eine Leistung von 860 Megawatt haben. Das entspricht in etwa der Leistung eines großen Kohlekraftwerkblocks.

„Ich bin sehr froh, dass wir das Projekt gewonnen haben. In den letzten Auktionen waren wir ja nicht erfolgreich“, sagte Bünting. Der 52-Jährige verfolgt die Devise, Windparks nur dann zu bauen, wenn sie sich wirtschaftlich rechnen. Für den Betrieb von „Triton Knoll“ erhält Innogy eine Vergütung von gut 74,75 Pfund je Megawattstunde über 15 Jahre. Obwohl man die Länder wegen ihrer unterschiedlichen Regularien nicht eins zu eins vergleichen kann, liegt die Förderung in Großbritannien damit dennoch weit über dem Preisniveau Deutschlands.

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Hierzulande sorgten zuletzt EnBW aus Karlsruhe und Dong aus Dänemark für Aufsehen. Die beiden Energieversorger wollen bis 2025 in der deutschen Nordsee die ersten Meerwindparks der Welt bauen, die völlig ohne Subventionen auskommen. Experten sehen darin eine brutale Wette auf steigende Strompreise und enorme Fortschritte bei der Technologie von Windmühlen. Die Hersteller von Turbinen und Rotorblättern – den wichtigsten Komponenten einer jeden Windenergieanlage – ächzen bereits unter dem Preisdruck infolge der Auktionen.

Von Dienstag bis Freitag trifft sich die heimische Windkraftindustrie in Husum zu ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Fachmesse. Die Stimmung in Nordfriesland dürfte dieses Mal eher verhalten sein. Die Branche ist im Krisenmodus. Nach Jahren des Dauerwachstums steuert die Industrie auf eine herbe Flaute zu. Wurden hierzulande im Jahr 2016 noch Windräder mit einer Leistung von 4.600 Megawatt am Festland neu gebaut, könnten es im Jahr 2019 im schlimmsten Fall nur noch 1.100 Megawatt sein. Das entspräche einem Einbruch von 76 Prozent binnen drei Jahren, wie eine Analyse des Markforschungsunternehmens Windresearch zeigt.


Jobabbau und miese Stimmung

Das Wachstum verlagert sich zunehmend von Europa nach Asien und flaut deutlich ab. Statt zweistelliger Wachstumsraten wie in den Vorjahren erwartet die Commerzbank in einer Prognose für den Windenergiemarkt bis 2026 nur noch ein jährliches Wachstum bei Windkraftanlagen an Land von durchschnittlich zwei Prozent. Lediglich beim deutlich kleineren Markt für Windkraftanlagen auf hoher See erwartet die Commerzbank einen Boom mit Wachstumsraten von durchschnittlich 17 Prozent pro Jahr. Allerdings auch nicht unbedingt in Deutschland. Hier hat die Bundesregierung den Zubau gedeckelt – auf 15.000 Megawatt bis zum Jahr 2030.

Für Berthold Bonanni ist klar: „Internationalisierung wird der Schlüssel für die Zukunft sein.“ Der Leiter des Bereichs Energie bei der Commerzbank glaubt, nur wer breit aufgestellt ist, wird den harten Wettbewerb der nächsten Jahre überstehen. Bonanni sieht eine „fortschreitende Konsolidierung der Windbranche“. Gerade bei deutschen Windkraftfirmen stehen derzeit Tausende Stellen auf der Kippe.

„Wir werden in den nächsten zwei Jahren einen Einbruch beim Zubau neuer Windparks in Deutschland sehen – darauf müssen wir reagieren“, sagte Nordex-Chef José Luis Blanco kürzlich dem Handelsblatt. Der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands drittgrößtem Hersteller von Windturbinen will bis zu 500 Jobs in Europa abbauen.

Bei Konkurrent Senvion, der Nummer vier unter den deutschen Windkraftkonzernen, wird ebenfalls kräftig gespart. 660 Vollzeitkräfte müssen gehen. Das Rotorblattwerk des Unternehmens in Bremerhaven wurde bereits dichtgemacht, ebenso wie die Fabriken in Husum (Schleswig-Holstein) und Trampe (Brandenburg). Weil die Aufträge ausblieben, stellte Ende Juni zudem die Siemens-Gamesa-Tochter Adwen die Produktion von Offshore-Windrädern in Bremerhaven ein.

Durch die Ausschreibungen sinken die Vergütungen für Windstrom drastisch. Bekamen Projektierer für jede Megawattsunde erzeugten Strom bis Ende 2016 noch Förderungen in der Höhe von teilweise fast 90 Euro, waren es zuletzt kaum mehr als 43 Euro. In Deutschland sorgen zudem Sonderregeln für sogenannte Bürgerwindparks für Projektverzögerungen und rückläufige Auftragsbestände bei den Turbinenbauern.

Die Zeiten, in denen sich mit Windkraftanlagen traumhaft hohe Margen erzielen ließen, sind vorbei. Innogy-Vorstand Hans Bünting sieht aber trotzdem noch ein attraktives Geschäftsmodell. „Ich erwarte, dass Überrenditen wie unter dem EEG nicht mehr zu erzielen sind. Dennoch können wir Renditen erwirtschaften, die unseren Vorstellungen entsprechen“, so Bünting. Und selbst den Offshore-Windpark „Kaskasi“ hat der Manager noch nicht völlig abgeschrieben. In der nächsten Auktionsrunde für Meerwindparks im April 2018 will er mit dem Projekt, das zuletzt nicht zum Zug kam, erneut an den Start gehen. Aber auch hier gilt für Bünting das Credo: Der Preis muss stimmen. Nur wenn sich der Bau des Parks lohnt, will er wirklich investieren.