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Praxair-Manager provoziert Linde

Der Dax-Konzern Linde kommt bei der Verschmelzung mit Praxair gut voran. Doch schon jetzt gibt es Spannungen zwischen dem US-Management und den Münchenern. Auch bei den Linde-Beschäftigten ist der Unmut groß.

Für die Linde AG sind es Monate des Abschieds. Die Aktien wurden im Dax bereits durch Papiere der neuen Holding Linde plc ersetzt. Und auch die traditionelle Herbst-Pressekonferenz, auf der Vorstandschef Aldo Belloni am Freitag im Herzen der Münchener Innenstadt die Zahlen vorlegte, fand in dieser Form wahrscheinlich zum letzten Mal statt.

Denn der Zusammenschluss mit dem US-Konkurrenten Praxair wird wohl trotz anhaltender Kritik von Arbeitnehmern wie geplant über die Bühne gehen. „Wir liegen im Zeitplan und gehen davon aus, dass wir die Fusion in der zweiten Jahreshälfte 2018 erfolgreich abschließen werden“, sagte Belloni.

Linde und Praxair wollen zum weltgrößten Gasekonzern mit rechnerisch 27 Milliarden Euro Umsatz fusionieren. Gelingt der Zusammenschluss, verweisen sie den französischen Konkurrenten Air Liquide auf den zweiten Platz.

In den vergangenen Tagen hatten allerdings Aussagen von Praxair-Finanzvorstand Matt White unter anderem über das mögliche künftige Portfolio für Unruhe und Missstimmung gesorgt. White hatte vor Analysten angedeutet, dass man nach der Fusion Teile des Anlagenbaus und die Medizingase verkauft werden könnten. Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle soll empört gewesen sein: Schließlich ist es ja auch seine Rolle, als künftiger Verwaltungsratschef über die Wahrung der deutschen Interessen zu wachen.

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Linde-CEO Belloni stellte klar, dass Geschäfte wie der Anlagenbau und das Medizingase-Geschäft im neuen Konzern auf längere Sicht – wie alle Sparten auch – auf den Prüfstand kommen. „Garantien gibt es nicht.“ Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Anlagenbau stark genug ist, um sich im neuen Konzernverbund dauerhaft zu behaupten. Belloni räumte ein, dass es Gesprächsbedarf mit White gibt.

Die Quartalszahlen waren angesichts der Diskussionen Nebensache: Doch die Geschäfte laufen ordentlich bei Linde. In den ersten neun Monaten legte der Umsatz um gut zwei Prozent auf 12,9 Milliarden Euro zu. Das operative Ergebnis verbesserte sich um knapp vier Prozent auf 3,15 Milliarden Euro. „Mit der Auslastung unserer Anlagen sind wir zufrieden und die allgemein gute konjunkturelle Lage hat auch unser Anlagenbaugeschäft erreicht“, sagte Belloni.


Eine letzte Hürde bleibt

Doch an den Finanzmärkten, auf den Fluren der Linde-Zentrale und an den Standorten draußen dreht sich fast alles um die Fusion. Vor ein paar Tagen gab es bei einem Gesamtbetriebsratstreffen viel harte Kritik – auch an Belloni, ist aus Unternehmenskreisen zu hören. Es gibt immer noch viel Widerstand gegen den 60-Milliarden-Euro-Deal. „Die Stimmung in der Arbeitnehmervertretung ist nicht gut“, räumte Belloni offen ein. „Da hat sich nichts geändert.“

An den Investoren aber wird der Deal nicht scheitern. Zwar musste Linde die Mindestumtauschquote von 75 auf 60 Prozent senken. Doch das war eher ein technischer Akt. Belloni ist zuversichtlich, dass man die 75 Prozent erreichen wird. Bis Freitag sind 67,9 Prozent getauscht worden. Linde braucht eine Annahmequote von mindestens 74 Prozent, sonst könnte das Steuerrecht in den USA die Fusion für die beiden Partner unattraktiv machen.

Steuerrechtlich soll die fusionierten Linde plc zwar in Großbritannien ansässig sein, sie droht bei einer Quote von weniger als 74 Prozent aber in Amerika besteuert zu werden. „Daraus ergäben sich vielfältige steuerliche Risiken, die – im Interesse aller Aktionäre – bewirken würden, die Fusion nicht zu vollziehen“, sagte Belloni.

Da einige Indexfonds erst jetzt das Angebot annehmen dürfen, gehen Industriekreise davon aus, dass auch die 75-Prozent-Hürde bis Ablauf der Frist am 7. November genommen wird.

Eine letzte Hürde jedoch bleibt: die Wettbewerbshüter. Allen Beteiligten ist klar, dass sich Linde und Praxair von Teilen ihres Geschäfts werden trennen müssen. In Europa oder den USA wäre ihre Marktmacht sonst zu groß. Doch die Fusionspartner halten das Problem für beherrschbar. Verhandlungen mit potenziellen Käufern laufen bereits, vor allem in den USA sind sie laut Industriekreisen schon einen Schritt vorangekommen.

In Deutschland hat bereits der Konkurrent Messer Interesse angemeldet. Auch Finanzinvestoren sehen sich die betroffenen Standorte genau an. Belloni wollte nicht ins Detail gehen, sagte aber: „Das Interesse von potenziellen Käufern ist extrem hoch.“

Etwa zwei Dutzend maßgebliche Kartellbehörden müssen dem Deal zustimmen, bislang liegt grünes Licht unter anderem aus Russland vor, wo es nur wenige Überschneidungen gibt.

Maximal wollen sich Linde und Praxair von 3,5 Milliarden Dollar Umsatz trennen. Sollten die Wettbewerbshüter massivere Einschnitte fordern, könnten sie sich die Fusion noch einmal überlegen. In Industriekreisen wird aber nicht damit gerechnet, dass dieser Rahmen ausgeschöpft wird.

Somit spricht aktuell vieles dafür, dass die Fusion glatt über die Bühne geht. Danach aber wird die Integration spannend. Schon jetzt stöhnen manche in München über das sehr selbstbewusste Auftreten der Amerikaner. Auch zeichnen sich kulturelle Unterschiede ab. Während der Linde-Vorstand nach intensiven Debatten gemeinsam entscheidet, ist die Macht von Praxair-Chef Steve Angel, der den neuen Konzern führen soll, größer.

Der Chemie-Professor Belloni ist ein eher sachlicher, nüchterner Mensch. Doch so ganz unberührt, räumte er ein, sei er nach mehr als 37 Jahren im Konzern vom Abschied von der Linde AG dann doch nicht.

KONTEXT

Die weltweit größten Industriegasekonzerne

Air Liquide

Die Franzosen wurden mit dem Kauf des US-Konkurrenten Airgas zuletzt wieder zum größten Industriegaseunternehmen der Welt.

Umsatz: 21,2 Milliarden Euro

Gewinn: 1,8 Milliarden Euro (ohne Airgas)

Marktpräsenz: 80 Länder

Mitarbeiter: 68.000

Hauptsitz: Paris

Linde

Umsatz: 18 Milliarden Euro

Gewinn: 1,15 Milliarden Euro

Marktpräsenz: 100 Länder

Mitarbeiter: 64.500

Hauptsitz: München

Praxair

Umsatz: 10,8 Milliarden Dollar (9,6 Milliarden Euro)

Gewinn: 1,68 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro)

Marktpräsenz: 50 Länder

Mitarbeiter: 26.000

Hauptsitz: Danbury, Connecticut

Air Products

Umsatz: 9,9 Milliarden Dollar (8,8 Milliarden Euro)

Gewinn: 1,43 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro)

Marktpräsenz: 50 Länder

Mitarbeiter. 19.000

Hauptsitz: Allentown, Pennsylvania