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Porzellan und Kulis: Wie Daniel Jeschonowski gleich zwei Firmen retten will

Der Ex-Sanierungsberater kaufte überraschend den insolventen Porzellanhersteller Kahla. Der Unternehmer hat bereits den Werbeartikler Senator saniert.

Das Porzellan aus Kahla in Thüringen ist für sein schlichtes Design bekannt. Foto: dpa
Das Porzellan aus Kahla in Thüringen ist für sein schlichtes Design bekannt. Foto: dpa

Angeschlagenes wieder zu kitten – dafür ist Daniel Jeschonowski Spezialist. Im August hat der 39-Jährige überraschend die insolvente Porzellanmanufaktur Kahla in Thüringen aufgekauft. „Wie viele Mittelständler hat sich Kahla über die Jahre so durchgeschlagen, bis die Firma zum Sanierungsfall wurde“, konstatiert Jeschonowski, der viele Jahre Erfahrung als Restrukturierungsberater hat.

Trotzdem sieht er großes Potenzial in der Traditionsfirma, deren Wurzeln bis ins Jahr 1844 reichen. „Die Marke hat große Strahlkraft.“ Kompromisslos will er Kahla auf „Made in Germany“ ausrichten. „Da wurde in der Vergangenheit viel zu viel herumexperimentiert etwa mit Auftragsarbeiten in Polen.“

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Mit Porzellan hatte Jeschonowski bisher nur am Rande zu tun. Ende 2018 kaufte er nämlich den Werbeartikelhersteller Senator aus dem südhessischen Groß-Bieberau. Die Firma stellt bedruckte Tassen und gravierte Kugelschreiber her. Zuvor hatte er Senator für den Perusa Fonds zwei Jahre als Geschäftsführer restrukturiert. Vom Sanierer wurde er zum Unternehmer. „Ich möchte eben auch Verantwortung übernehmen“, so seine Motivation für das finanzielle Wagnis.

Nun will Jeschonowski mit Kahla eine zweite Firma als Unternehmer wieder flottmachen. „Für Kugelschreiber und Porzellan braucht es Idealismus“, betont er. „Ich mache das sicher nicht, um unmittelbar reich zu werden. Da gibt es einfachere Wege.“ Über den Kaufpreis für die beiden Firmen schweigt er.

Obwohl branchenfremd, traut er sich den Turnaround zu. Schließlich sind Sanierungen sein Metier. Drei Jahre arbeitete er bei der US-Sanierungsberatung Alix Partners für die militärische Luftfahrt. Dort löste er operative Probleme bei Transall, A400M und Tornado – etwa wenn Teile fehlten. „Letztlich geht es immer darum, tragfähige Strukturen und Prozesse zu schaffen und die Mitarbeiter mitzunehmen – egal in welcher Branche“, ist der Kaufmann überzeugt. „Er war schon immer ein Mann der Tat: geradlinig, direkt, konsequent“, sagt sein ehemaliger Kollege Stefan Ohl von Alix Partners über „DJ“, wie er ihn nennt.

„Ein Wessi im Osten“

Jeschonowski ist in Hamburg geboren, wo er mit Frau und Kindern lebt. Aufgewachsen ist er jedoch bei Greifswald. Dorthin verschlug es seine Mutter, eine Juristin, nach der Wende beruflich. Der Vater war Fotograf. „Ich war ein Wessi im Osten“, scherzt er. Dort hat Kahla-Porzellan Kultstatus.

In der Stadt südlich von Jena wird seit mehr als 170 Jahren industriell Porzellan gefertigt. Zu DDR-Zeiten war Kahla Sitz des VEB Feinkeramik mit insgesamt rund 18.000 Mitarbeitern. Die erste Privatisierung nach der Wende endete mit einer Pleite. 1993 kaufte Ex-Rosenthal-Vorstand Günther Raithel die Firma.

Das Porzellanwerk befand sich in einem „katastrophalen Zustand“, erinnert sich Raithel. 35 Millionen Euro investierte die Familie über die Jahre. Es gelang Raithel, Kahla Porzellan zu einer internationalen Marke aufzubauen, die mehr als 100 Designpreise einheimste. „Design oder Nichtsein“ lautete seine Strategie. Sohn Holger, der 2005 übernahm, steigerte den Umsatz auf zwischenzeitlich 30 Millionen Euro.

Doch die deutsche Porzellanbranche steht seit Jahrzehnten unter Preisdruck. Billiganbieter aus Asien überschwemmen den Markt. Im März 2020 meldete Kahla Insolvenz in Eigenverwaltung an. Holger Raithel hatte Jeschonowski kurz zuvor auf einer Messe kennen gelernt. Kahla wollte für Senator Tassen herstellen. Nach der Insolvenz bat Raithel um frisches Geld. Doch lieber kaufte der Senator-Chef Kahla ganz. Mit seinem Konzept konnte er sich gegen diverse Kaufinteressenten aus dem Ausland durchsetzen.

„Kahla hatte sich zu sehr auf aufwendige Großaufträge fokussiert“, hält Jeschonowski für eine Ursache der Pleite. Auch Senator machte vor vier Jahren zweistellige Millionenumsätze mit Aufträgen von Discountern, von denen am Ende kaum etwas hängen blieb. Eine Firma brauche eine Grundlast von normalen Aufträgen, auf die er auch Kahla wieder ausrichten will. „Kleinvieh macht auch Mist.“

Die Porzellanmanufaktur soll vor allem digitaler und somit schneller werden. „Unsere Kunden im Einzelhandel wollen keine ganze Palette Teller bestellen, sondern sechs Stück, die am nächsten Morgen da sind“, sagt Jeschonowski. Seine Frau Stefanie baut nun den E-Commerce nach Senator auch bei Kahla auf. Sie war früher im Controlling bei Haribo und Beiersdorf tätig und ist sein wichtigster Sparringspartner.

Synergien zwischen den beiden Unternehmen

Bei Senator hat sie viel verändert. „Bis 16 Uhr können individuell gravierte Kugelschreiber bestellt werden, die gehen am selben Tag raus“, sagt der Unternehmer. Kahla und Senator machen ihr Geschäft mit Händlern. Vielen fehle es an digitaler Feuerkraft. „Hier müssen wir sie bei der Hand nehmen.“

Überhaupt sieht der Unternehmer viele Synergien zwischen Kahla und Senator – etwa bei Einkauf, Personal, Controlling und EDV. Die Beschäftigtenzahl von Kahla ist im Zuge der Insolvenz von 250 auf 175 gesunken. „Ich habe den Arbeitnehmervertretern gesagt: Es wird Stellen kosten, aber wir wollen den Standort erhalten.“ Bei Senator mussten vor vier Jahren 85 Arbeitsplätze abgebaut werden. Seither arbeiten dort konstant 250 Beschäftigte.

Kritik gab es von Gewerkschaftsseite, als Senator aus dem Chemie-Arbeitgeberverband austrat und mit jedem Mitarbeiter Einzelvereinbarungen traf. „Nur so konnten wir die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden erhöhen ohne Lohnausgleich“, erklärt Jeschonowski. „Dafür gibt es zehn Jahre Standortgarantie.“

Die Opfer der Mitarbeiter zeigen Wirkung: Senator hat 2019 bei 35 Millionen Euro Umsatz einen sechsstelligen Gewinn gemacht. Für Kahla erwartet er 2020 Umsätze von rund zehn Millionen Euro. „Kahla hat einen extrem modernen Maschinenpark und eine tolle Marke. Vor der Konkurrenz in Fernost ist uns nicht bange.“

„DJ krempelt als Manager die Ärmel hoch und fordert sehr viel von seinem Team“, weiß Ex-Kollege Ohl. Er sei sich aber nicht zu schade, auch dorthin zu gehen, wo es wehtue. Das bringe ihm viel Standing und Glaubwürdigkeit bei seiner Mannschaft ein.

Jeschonowski will nah dran sein am Tagesgeschäft. „Als Unternehmer muss ich Kundenreklamationen selbst mitbekommen.“ Weil der Spagat zwischen zwei Unternehmen recht groß ist, unterstützt ihn seit November ein zweiter Geschäftsführer bei Senator. Auch bei Kahla sucht er für Produktion und Finanzen Verstärkung.

Selbst als zweifacher Unternehmer nimmt sich Jeschonowski Zeit für seine Passion. Der leidenschaftliche Segler ist auch im Deutschen Hochseesportverein aktiv. In den Herbstferien segelte er mit der Familie eine Woche auf der Ostsee – vier Wochen nach dem Kauf von Kahla. „Das hat funktioniert, weil ich wesentliche Abläufe bereits auf den Weg gebracht habe“, sagt er. „Als Chef ist es ja nicht meine Aufgabe, jeden Tag den Grüßonkel zu spielen.“