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Politologe rät zu Sonderparteitag: „Die CDU sollte nicht den Fehler der SPD wiederholen“

Mit ihrer Rückzugsankündigung hat Annegret Kramp-Karrenbauer die CDU in eine Führungskrise gestürzt. Was bedeutet das für die Partei und die Große Koalition?

Die CDU-Chefin hat in der Sitzung des CDU-Präsidiums mitgeteilt, dass sie auf eine Kandidatur als Kanzlerkandidatin verzichtet. Foto: dpa
Die CDU-Chefin hat in der Sitzung des CDU-Präsidiums mitgeteilt, dass sie auf eine Kandidatur als Kanzlerkandidatin verzichtet. Foto: dpa

Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer hat der CDU geraten, ihre Führungskrise rasch zu lösen. „Die CDU kann es sich nicht leisten, sich ein halbes Jahr in internen Grabenkämpfen zu verstricken, um dann auf einem ordentlichen Parteitag die nun anstehenden Fragen zu klären“, sagte Niedermayer dem Handelsblatt.

Es müsse jetzt in den nächsten Wochen einen Sonderparteitag geben. „Die CDU sollte nicht den Fehler der SPD wiederholen, sich monatelang für die Wahl einer neuen Führung Zeit zu lassen. Sonst läuft sie Gefahr ihren Status als Volkspartei zu verlieren.“

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Die Gefahr eines Niedergangs der zweiten großen Volkspartei in Deutschland bestehe durchaus, betonte Niedermayer. „Es wird jetzt eine längere Phase der Selbstbeschäftigung mit Hauen und Stechen geben.“ Denn der nächste Vorsitzende werde auch der nächste Kanzlerkandidat.

Mit Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz gebe es mehrere mögliche Kandidaten. Diese müssten sich jetzt aus der Deckung wagen. „Wenn das Standing bei den Wählerinnen und Wählern in der CDU weiterhin als wichtigstes Kriterium gilt, dann muss es Merz werden“, sagte Niedermayer. Wenn er jetzt aber wieder zögerlich reagiere, dann werde das nichts.

Die Auswirkungen der CDU-Krise auf die Große Koalition hält Niedermayer für überschaubar. „Ich glaube nicht, dass es jetzt zu einem Bruch der Koalition kommt“, sagte er. Der Rücktritt einer Parteivorsitzenden allein rechtfertige nicht das Ende einer Bundesregierung.

Wenn sich die CDU-Krise jedoch noch monatelang hinziehe, sei das eine Belastung für die Große Koalition. „Allerdings muss sich die SPD immer wieder die Frage stellen, was gewinnen wir, wenn wir aus der Koalition aussteigen.“ Die SPD brauche für einen Koalitionsbruch einen guten, inhaltlichen Grund. „Solange aber die Regierungsarbeit zwischen den Ministern und der Kanzlerin gut funktioniert, sehe ich keinen Grund.“

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Wie bewerten Sie die Rückzugsentscheidung der CDU-Vorsitzenden?
Dass Frau Kamp-Karrenbauer so schnell aufgibt, hätte ich nicht erwartet. Aber im Prinzip war der Schritt folgerichtig.

Inwiefern?
Es gab Druck aus verschiedenen Richtungen der CDU. Kritik kam nicht nur vom konservativen und wirtschaftsliberalen Flügel, sondern auch von Ministerpräsidenten wie Armin Laschet und Daniel Günther. Und die jüngsten Umfragen haben ihr auch geschadet. Sie konnte mit ihrer Autorität nicht überzeugen. In Thüringen fehlte ihr das nötige Durchsetzungsvermögen. Natürlich kann eine Parteivorsitzende keine Befehle erteilen. Deswegen muss sie ein hohes Maß an Autorität haben, um überzeugen zu können. Das hatte sie nicht. Und damit dürfte ihr auch klar geworden sein, dass eine Kanzlerkandidatur für sie nicht infrage kommt.

Was könnte dafür der ausschlaggebende Grund gewesen sein?
Die extrem schlechten Werte, die sie in der Bevölkerung hat, dürften auch eine Rolle gespielt haben. Für die CDU war schon immer das Hauptkriterium für die Kanzlerkandidatur, ein gutes Standing in der Bevölkerung und bei den Wählerinnen und Wählern. Dieses Kriterium spricht eindeutig gegen sie. Das erklärt auch, warum AKK den CDU-Vorsitz abgibt. Wenn sie ihr eigentliches Ziel, die Kanzlerkandidatur nicht mehr erreichen kann, wieso sollte sie sich dann die Doppelbelastung als CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin antun.

Welchen Anteil hat Kanzlerin Angela Merkel an der Rückzugsentscheidung?
Frau Merkel hat einen großen Anteil an der Rückzugsentscheidung. Es ist doch ganz klar: Solange Merkel Kanzlerin ist und so agiert, wie sie jetzt in der Thüringen-Krise agiert hat, so lange ist sie eine zweite CDU-Vorsitzende. Damit hat AKK die Autorität als Vorsitzende nicht allein. Wenn Frau Merkel aus Afrika par ordre du mufti, also quasi anweist, das Ergebnis der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen rückgängig zu machen, ist das nicht nur aus demokratietheoretischer Sicht problematisch. Das ist vielen im Osten bitter aufgestoßen.

Erleben wir grade den Niedergang der zweiten großen Volkspartei in Deutschland?
Die Gefahr besteht durchaus. Es wird jetzt eine längere Phase der Selbstbeschäftigung mit Hauen und Stechen geben. Denn der nächste Vorsitzende wird auch der nächste Kanzlerkandidat. Und da gibt es nicht nur einen, sondern mehrere, und die müssen sich jetzt aus der Deckung wagen. Mit der personellen Frage dürfte zudem die Abgrenzung nach rechts und nach links verbunden werden. Hier gibt es teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen in der CDU. Der Nachfolger von AKK muss der Bevölkerung in dieser Frage eine klare Haltung präsentieren können. Das ist in der aktuellen Situation sehr schwierig.

Wer käme als AKK-Nachfolger infrage?
Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz. Wenn das Standing bei den Wählerinnen und Wählern in der CDU weiterhin als wichtigstes Kriterium gilt, dann muss es Merz werden. Denn alle Umfragen zeigen, dass Merz deutlich vor seinen Konkurrenten Laschet und Spahn liegt. Andererseits denke ich, dass die Merkel-Anhänger, zu denen auch Laschet zählt, keine schwache Machtposition in der CDU haben. Deswegen ist es noch offen, was letztlich passieren wird. Vor allen Dingen müsste sich Merz endlich aus der Deckung begeben und klare Kante zeigen. Wenn er wieder zögerlich reagiert, dann wird das nichts.

Kramp-Karrenbauer sagt, sie werde zum Sommer den Prozess der Kanzlerkandidatur organisieren, die Partei weiter auf die Zukunft vorbereiten und dann den Vorsitz abgeben. Ist das nicht zu spät, braucht es jetzt nicht einen Sonderparteitag, um den Wechsel zu vollziehen?
Ja. Von Entscheidungen im Sommer oder Ende des Jahres kann jetzt keine Rede mehr sein. Die CDU kann es sich nicht leisten, sich ein halbes Jahr in internen Grabenkämpfen zu verstricken, um dann auf einem ordentlichen Parteitag die nun anstehenden Fragen zu klären. Es muss jetzt in den nächsten Wochen einen Sonderparteitag geben. Die CDU sollte nicht den Fehler der SPD wiederholen, sich monatelang für die Wahl einer neuen Führung Zeit zu lassen. Sonst läuft sie Gefahr ihren Status als Volkspartei zu verlieren.

Glauben Sie, dass sich nun die Debatte um den Umgang der CDU mit der Linken und der AfD verschärfen wird?
Das ist zu erwarten. Ich verstehe ehrlich gesagt die CDU nicht in dieser Frage. Wenn sie schon einen Parteitagsbeschluss fasst, dann muss sie ihn inhaltlich auch vehement verteidigen. Klar, Bodo Ramelow ist nicht Björn Höcke. Es geht aber nicht um Ramelow, wenn es um die Abgrenzung zur Linkspartei geht.

Sondern?
Es geht um Teile seiner Partei. Es gibt immer noch AGs und Zusammenschlüsse in der Linkspartei, die als linksextremistisch eingestuft sind und vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Und nicht als Prüffall, sondern als Beobachtungsfall. Insofern klingt es etwas merkwürdig, wenn es heißt, die demokratischen Parteien müssten sich gegen die AfD stellen. Für die CDU ist die Linkspartei nachvollziehbar keine lupenreine demokratische Partei.

Wie kommt die CDU aus dem Abgrenzungsdilemma heraus?
Das ist ein Riesenproblem. Solange sich das Problem umgehen ließ, war das eine rein theoretische Frage. Mit Thüringen hat sich die Lage geändert. Was dort passiert ist, kann sich zum Beispiel auch in Sachsen-Anhalt abspielen. Die CDU könnte sich bereiterklären, zu differenzieren, indem sie sagt, die Ost-Landesverbände sind anders zu beurteilen als die Bundespartei und die West-Landesverbände, die ja in der Regel deutlich linker sind. Dann könnte die CDU von Fall zu Fall entscheiden. Das könnte schon in Thüringen praktiziert werden. Da Ramelow hier die politische Linie vorgibt, könnte man mit seiner Linkspartei punktuell inhaltliche Politik machen und bestimmte Gesetzesvorhaben mittragen.

Wertet die Ereignisse die AfD auf?
Ich bin mir da noch nicht ganz sicher. Sie wird natürlich versuchen, aus den Vorkommnissen Kapital zu schlagen. Die AfD kann sich jetzt zurücklehnen, kann die anderen beim Hauen und Stechen beobachten und immer wieder ihre Kommentare von der Seitenlinie geben. Die AfD ist jetzt in einer komfortablen Lage.

Was bedeutet der Rückzug für die Große Koalition?
Ich glaube nicht, dass es jetzt zu einem Bruch der Koalition kommt. Die SPD lenkt mit ihrem Theaterdonner von den eigenen Problemen ab. Aber es ist auch schon bisher vermieden worden, allzu deutlich die Koalitionsfrage zu stellen. Der Rücktritt einer Parteivorsitzenden allein rechtfertigt nicht das Ende einer Bundesregierung.

Kann sich die Lage doch ändern, wenn sich die Lösung der CDU-Krise jetzt noch Monate hinzieht?
Wenn sich die CDU-Krise jetzt noch monatelang hinzieht, ist das eine Belastung für die Große Koalition. Allerdings muss sich die SPD immer wieder die Frage stellen, was gewinnen wir, wenn wir aus der Koalition aussteigen. Die SPD braucht für einen Koalitionsbruch einen guten, inhaltlichen Grund. Solange aber die Regierungsarbeit zwischen den Ministern und der Kanzlerin gut funktioniert, sehe ich keinen Grund. Bei der Grundrente hat man ja gesehen, dass eine Verständigung möglich ist.

Vielen Dank für das Interview, Herr Niedermayer.

Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer hat der CDU geraten, ihre Führungskrise rasch zu lösen. Foto: dpa
Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer hat der CDU geraten, ihre Führungskrise rasch zu lösen. Foto: dpa