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„Politisch und rechtlich höchst fragwürdiger Eingriff“

Der Vorsitzende der Mindestlohnkommission will keine Anhebung der Lohnuntergrenze auf zwölf Euro per Gesetz. Armut lasse sich damit kaum bekämpfen.

Die Stimme des Vorsitzenden der Mindestlohnkommission gibt im Zweifel den Ausschlag, wenn sich das mit drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertretern besetzte Gremium nicht auf eine Anpassung der Lohnuntergrenze einigen kann. Bislang musste Jan Zilius, der als früherer Justiziar der IG Bergbau und Energie und ehemaliger RWE-Arbeitsdirektor beide Seiten kennt, aber nie eingreifen. Die bisherigen Beschlüsse erfolgten einstimmig.

Herr Zilius, die Gewerkschaften, aber auch SPD, Grüne oder Linke fordern eine rasche Anhebung des Mindestlohns auf mindestens zwölf Euro. Was halten Sie davon?
Dafür müsste das Gesetz geändert werden und ich bezweifele, dass es dafür im Augenblick eine parlamentarische Mehrheit gibt. Bei zwölf Euro liegen wir in einem Bereich, wo knapp 30 Prozent aller Beschäftigten heute weniger verdienen. Wir würden also in einer Weise in die Tarifautonomie eingreifen, die politisch und rechtlich höchst fragwürdig ist.

Beim Verdi-Bundeskongress gab es einen Antrag aus Bayern, den Mindestlohn auf 18,50 Euro anzuheben …
Einige Gewerkschafter sind sich offensichtlich nicht bewusst, was das für die eigene Tarifarbeit bedeuten würde – völlig unabhängig davon, ob die Wirtschaft eine solche Erhöhung verträgt. Schon ein Mindestlohn von zwölf Euro hätte Ende 2018 in knapp 270 laufende Tarifverträge eingegriffen.

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Teilen Sie die Kritik, dass ein Mindestlohn von weniger als zwölf Euro nicht armutsfest ist?
Armut lässt sich mit dem Mindestlohn nur sehr eingeschränkt bekämpfen. Weniger als 30 Prozent aller Mindestlohnbezieher leben in armutsgefährdeten Haushalten. Umgekehrt ist nur ein Viertel aller Personen aus armutsgefährdeten Haushalten erwerbstätig. Das Problem liegt nicht in der Höhe des Stundenlohns, sondern in der Tatsache, dass der Arbeitsumfang häufig zu gering ist. Auch mit 13 oder 14 Euro Mindestlohn sind Sie armutsgefährdet, wenn Sie nur 15 oder 20 Wochenstunden arbeiten.

Die Gewerkschaften argumentieren, man sei 2015 mit 8,50 Euro Mindestlohn zu niedrig gestartet, weil der DGB diese Marke schon fünf Jahre zuvor gefordert hatte. Dies rechtfertige eine außerplanmäßige Erhöhung. Können Sie die Argumentation nachvollziehen?
Ich kann sie nachvollziehen, aber seinerzeit gab es eben nur für 8,50 Euro eine parlamentarische Mehrheit. Und die gleiche Diskussion, die wir damals geführt haben, wird bei einer Erhöhung auf zwölf Euro erneut beginnen: Was hat das für Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, schließen Betriebe und so weiter. Wir wissen heute, dass die 8,50 Euro tragfähig waren. Wir wissen aber nicht, ob das für zwölf Euro auch gilt.

Damals ist vor massenhaften Jobverlusten gewarnt worden, die es nicht gegeben hat. Jetzt aber stecken wir im konjunkturellen Abschwung. Werden die Kritiker von damals vielleicht doch noch Recht behalten?
Die Diskussion hat sich in den letzten Jahren auch dank der Forschungsarbeit deutlich versachlicht. Es kann durchaus sein, dass eine Konjunkturdelle in einzelnen Branchen zu Jobverlusten führen wird. Das allerdings jetzt auf den Mindestlohn zurückzuführen, der vor fünf Jahren eingeführt wurde, halte ich für ziemlich gewagt.

Kommt der aktuell geltende Mindestlohn denn wenigstens überall an?
Wir haben leider keine wirklich verlässlichen Daten, aber es scheint so zu sein, dass der Mindestlohn in einem größeren Umfang nicht eingehalten wird, was natürlich unbefriedigend ist. Wir haben schon im letzten Bericht der Kommission gesagt, dass die Compliance ein Problem ist – und so viel passiert ist seither nicht. Der Zoll ist ein Stückweit überfordert, weil er es mit einer sehr kleinteiligen Arbeitgeberlandschaft zu tun hat.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs könnte die lückenlose Arbeitszeiterfassung vielleicht bald Pflicht werden. Würde das helfen?
Für die wirksame Kontrolle des Mindestlohns ist eine konkrete Erfassung Voraussetzung. Und zwar unabhängig von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Viele Unternehmen suchen händeringend Arbeitskräfte, und die Nachfrage bestimmt den Preis. Müssten nicht allein wegen der Knappheit höhere Löhne gezahlt werden?
Wir reden ja nicht umsonst vom Fachkräftemangel, mit der Betonung auf Fachkräften. Und da ist in den meisten Fällen nicht der Personenkreis angesprochen, der vom Mindestlohn profitiert.

Halten Sie das Verfahren zur Mindestlohnbestimmung in der Kommission weiter für richtig oder sehen Sie Korrekturbedarf?
Das Verfahren hat sich bewährt. Bei den beiden bisherigen Erhöhungen haben wir uns ja nicht sklavisch an den Tarifindex gehalten, sondern haben, wie es das Gesetz vorsieht, eine Gesamtabwägung vorgenommen.