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Politik und Datenschützer nehmen Adresshandel der Post ins Visier

Politiker und Datenschützer haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Datenhandels einer Tochter der Post. Die Bundesnetzagentur hat sich eingeschaltet.

Die Tochtergesellschaft Deutsche Post Direkt verkauft seit 2005 Daten an Parteien, die damit ihren Wahlkampf effizienter machen wollen. CDU und FDP haben im vergangenen Bundestagswahlkampf darauf zugegriffen. Zwar betonen beide Seiten – die Parteien und das Unternehmen – sich dabei an das Bundesdatenschutzgesetz gehalten zu haben.

Doch Politiker und Datenschützer haben inzwischen große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Datenhandels.

Dabei haben die Wahlkämpfer nur Informationen über Straßenzüge, nicht aber über einzelne Personen erhalten. Die Post-Tochter erklärte, sie gebe Daten nur für Mikrozellen heraus, die standardmäßig auf Basis von durchschnittlich 6,6 Haushalten basieren.

Die Informationen sind anonymisiert und beziehen sich auf unterschiedliche Datensätze aus öffentlichen Quellen, wie beispielsweise denen des Statistischen Bundesamtes oder des Kraftfahrtbundesamtes. Sie werden übereinandergelegt und daraus Profile für die angegebenen Zellen errechnet.

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Dieses Vorgehen ist üblich bei sogenanntem Dialogmarketing, bei dem potenzielle Käufergruppen dank der Daten gezielt angesprochen werden. Die Verkäufer der Informationen unterliegen der Aufsicht der Datenschutzbehörden, somit auch die Deutsche Post Direkt. Die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte Helga Block prüft derzeit, ob der Adresshandel der Post-Tochter im Einklang mit dem Bundesdatenschutzgesetz steht.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt wies sie auf die Risiken solcher Dienstleistungen hin. „Unternehmen, die aus dem Handel mit anonymen Daten ein Geschäftsmodell machen, müssen wissen, dass Anonymität in Zeiten von Big Data leicht zur Illusion werden kann“, sagte Block dem Handelsblatt. „Die Anonymität des Einzelnen ist durch immer leistungsfähigere Rechner und durch den immer einfacher werdenden Zugriff auf Informationen schnell aufgehoben.“

Obwohl lediglich für die Wahrung des Postgeheimnisses zuständig, hat sich auch die Bundesnetzagentur an die Post gewandt, „um den der Medienberichterstattung zugrunde liegenden Sachverhalt näher aufzuschlüsseln“, wie die Agentur dem Handelsblatt erklärte. Die Bewertung von Datenanalysemethoden und Werbeaussagen liege indes außerhalb der Zuständigkeit der Bonner Behörde.

Man könne nur überprüfen und gegebenenfalls sicherstellen, dass personenbezogene Daten, die im Rahmen der Erbringung von Postdiensten verarbeitet werden, in Übereinstimmung mit der Post-Datenschutzverordnung genutzt werden, erklärte die Bundesnetzagentur. Hierzu stehe sie in engem Kontakt mit den Datenschutzbehörden.

Allerdings handele es sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand um ein gängiges statistisches Verfahren, bei dem Daten soweit anonymisiert werden, dass sie keine Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen.

Die Daten kommen, wie die Post betonte, nicht aus den großen Adressbeständen der hauseigenen Brief- und Paketsparte. Vielmehr entstammten alle den Parteien zur Verfügung gestellten Adressen aus frei zugänglichen Quellen, wie etwa vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg oder von Einwohnermeldeämtern.

Die Dienstleistung der auf Direktmarketing spezialisierten Tochter der Deutschen Post zielt darauf ab, großen Parteien anonymisierte Daten über politische Präferenzen oder Grundeinstellungen von Bewohnern bestimmter Stadtteile oder Wohngebiete zur Verfügung zu stellen. Man bewege sich mit dem Angebot auf dem Boden aller gesetzlichen Vorschriften, erklärte die Bonner Zentrale kürzlich.

FDP und CDU hatten im vergangenen Bundestagswahlkampf entsprechende Datenpakete der Post-Tochter gemietet und dafür fünfstellige Beträge bezahlt.

Politiker und Datenschützer sind skeptisch, ob bei der Vorgehensweise der Post nicht doch vorab eine Zustimmung betroffener Bürger hätte eingeholt werden müssen. Entscheidend für den Datenschutz sei, ob die mithilfe spezieller Algorithmen aufgearbeiteten, kostenpflichtigen Datenpakete zu Wahlkampfzwecken von Parteien auf eine einzelne Person rückführbar sind.

„Beim Zusammenführen von Adressdaten mit anderen Informationen handelt es sich ohne Zweifel auch um personenbezogene Daten und diese unterfallen dem Datenschutz“, sagte der innen- und justizpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht, dem Handelsblatt.

Zwar sei Datennutzung für das Direktmarketing zugelassen. „Allerdings umfasst dies nicht umfassende Informationen zu den angeschriebenen Personen“, gab Albrecht zu bedenken. „Sobald diese verknüpft werden, ist die gesamte Datenverarbeitung kein Direktmarketing mehr, sondern ein individuelles Profiling, das der Zustimmung der Betroffenen bedarf.“

Die Aufsichtsbehörden müssten daher die „Grenze zwischen anonymisierten aggregierten Statistiken und individualisierten Profilen genau überprüfen“.

Bei der Nutzung anonymisierter Gruppenanalysen sollte die Politik außerdem, „auch abseits des Datenschutzes über die Grenzen ihres Einsatzes diskutieren“. Schon jetzt werde offenbar, dass durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche Diskriminierung und Manipulation für viele Menschen zum Alltag werde.

Die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen, glaubt, dass es ohne eine Regulierung in diesem Bereich nicht gehen wird und „gesetzgeberisch nachgeschärft“ werden muss. Als einen Grund führte sie im Gespräch mit dem Handelsblatt an, dass Datensammlungen, die zwar nicht immer zuverlässig anonym, aber durch Unschärfen auch nicht eindeutig als personenbezogen einzustufen seien, sowie Gruppeneffekte wie Diskriminierung bislang nicht im Zentrum des Datenschutzrechts stünden. Und auch die ab Mai europaweit geltende Datenschutzgrundverordnung nur sehr vage auf das Thema eingeht.

Hansen fordert daher, die Dienstleistungen von Datenhändlern streng zu regulieren. „Zum Schutz vor Manipulation sollten nur solche Systeme zum Einsatz kommen dürfen, die von unabhängigen Instanzen geprüft wurden, also eine Art Check von Algorithmen und Datensammlungen“, sagte die Datenschützerin.

Daneben hält sie eine gesetzliche Transparenzpflicht für geboten. „Gegenüber allen Interessierten und in jedem Fall gegenüber den Datenschutzaufsichtsbehörden oder Verbraucherschützern ist offenzulegen, wie bestimmte Nachrichten oder die Reihenfolge von Informationen zustande kommen, auf welcher Basis Hausbesuche erfolgen und ob und welche Algorithmen oder Datensammlungen dafür verwendet werden“, sagte die Expertin.

Außerdem müsse es möglich sein, „den Einsatz von manipulativen und damit unethischen Verfahrensweisen zu untersagen, auch wenn der Personenbezug keine oder eine nur untergeordnete Rolle spielt“. Ein generelles Verbot forderte Hansen für die Verwendung „sensibler Daten“.

Dazu gehören aus ihrer Sicht „alle Informationen, die für Psychoprofile verwendet werden und eine Manipulation erleichtern“ wie Daten über Emotionen, Ängste oder Suchtpotenziale.

Andere Anbieter von Daten für den Wahlkampf distanzieren sich von den Methoden der Post. In einem gemeinsamen Brief von Election.de und der Druckerei und Mailingfirma van Acken an die CDU-Landesverbände werben sie für einen sicheren Umgang mit Daten: „Anders als die Deutsche Post Direkt GmbH, die Schätzwerte für CDU-Affinitäten anbietet, orientieren wir uns ausschließlich am tatsächlichen Wahlverhalten innerhalb eines Wahlbezirkes“, schreiben die Anbieter. Der Brief liegt dem Handelsblatt vor.

„Wir planen auf der Basis der so gewonnenen Indikatoren differenzierte Kampagnen, die wahlentscheidende Wechselwähler mobilisieren und zusätzliche Briefwähler aktivieren“ Mit einer Schätzung des persönlichen Wahlverhaltens allein aufgrund demografischer Merkmale wie Kaufkraft, Pkw-Besitz und Wohnsituation sei dies nicht möglich, erklären die Post-Konkurrenten.