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Wie die Politik auf den Coronaschock reagieren sollte

Manche Politiker und Ökonomen nutzen die Virusepidemie, um altbekannte Forderungen durchzusetzen. Zielführend ist diese Art der Krisenpolitik aber nicht.

01.03.2020, Baden-Württemberg, Weil am Rhein: Auf einem Schild steht beim Umzug der Bauernfastnacht die Aufschrift
01.03.2020, Baden-Württemberg, Weil am Rhein: Auf einem Schild steht beim Umzug der Bauernfastnacht die Aufschrift

„Ceterum censeo ...“, „im Übrigen meine ich ...“ – So wie der römische Politiker Cato der Ältere jede seiner Reden mit der Aufforderung geschlossen haben soll, Karthago zu zerstören, nutzen Politiker auch heute gern jeden neuen Anlass, um zu fordern, worauf sie schon immer pochen.

So verlangt FDP-Chef Christian Lindner unter Verweis auf die aktuelle Virusepidemie, was er schon lange durchsetzen möchte: Steuersenkungen und den Wegfall des Solidaritätszuschlags. Auch der Harvard-Ökonom Ken Rogoff nimmt die wegen der Epidemie gesenkten globalen Wachstumsprognosen zum Anlass, die Rücknahme der von ihm seit Langem bekämpften US-Zollerhöhungen zu fordern.

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„Das Coronavirus als Vorwand zu nehmen, um Standardforderungen zu wiederholen, ist nicht zielführend“, kritisiert der Düsseldorfer Ökonomieprofessor Jens Südekum. Der Staat müsse sich nun erst einmal darauf konzentrierten, die medizinische Versorgung sicherzustellen. Und das sei kompliziert genug, wenn die Zahl der Erkrankten steige und ärztliches Personal in Quarantäne geschickt werde.

Auch die Beseitigung oder Aussetzung der Defizitregeln wird aus Anlass der Krise verstärkt gefordert – eine unnötige Diskussion. Denn der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hat längst klargestellt, dass die Kommission die Ausnahmeregeln für besondere Notlagen anwenden werde, wenn Staaten wie Italien aufgrund kostenintensiver Krisenmaßnahmen die Defizitgrenzen rissen.

Und dann die Geldpolitik. Wer die Analysen der Bankvolkswirte studierte und US-Präsident Donald Trump lauschte – zumindest bis Dienstag –, gewann den Eindruck, dass das Wohl der Volkswirtschaften, von Bürgern und Anlegern, davon abhänge, ob die Notenbanken die Geldpolitik lockern würden.

Prompt folgte die US-Notenbank am Dienstag den lautstarken Forderungen und senkte den Leitzins. Der Glaube an die Allmacht der Notenbanker ist brüchiger geworden. Die Folge: Sogar an den sonst so sensibel auf die Zinsen reagierenden Aktienmärkten verpuffte die Maßnahme weitgehend.

„Die Zentralbanken werden bei der Bekämpfung des wirtschaftlichen Schadens durch das Coronavirus nur wenig helfen können“, erklärt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Eine Zinssenkung bringt keinen Arbeitnehmer zur Arbeit, der unter Quarantäne steht, keinen Konsumenten, der die Ansteckung scheut, in ein Restaurant, Kaufhaus oder Flugzeug.

Corona-Krise: Unternehmen stärken

Bei der aktuellen Krise geht es nicht in erster Linie darum, irgendwie genug Geld in Umlauf zu bringen, damit eine Nachfrageschwäche ausgeglichen wird. Vielmehr geht es darum, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nur auf diese Weise werden Produktions- und Nachfrageausfälle begrenzt.

Im Anschluss müssten dann Unternehmen gestärkt werden, die trotzdem unter Umsatzeinbrüchen leiden. Es geht darum, ihre Pleite zu verhindern sowie Arbeitsplätze und die damit verbundenen Einkommen zu erhalten.

Aus diesem Grund regt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, an, das Kurzarbeitergeld auszuweiten und Notkredite für Unternehmen vorzubereiten, die nun von der Unterbrechung ihrer Lieferketten betroffen sind. So kann die Insolvenz an sich solider Betriebe verhindert werden – und die Vernichtung von Kapital und Arbeitsplätzen, die damit einhergeht.

„Firmen und Beschäftigte sollten die Sicherheit haben, dass pandemiebedingte Einnahmeausfälle abgefedert werden“, verlangt auch Ökonomieexperte Südekum. Das könne etwa durch eine staatliche Ausfallversicherung und erweiterte Kurzarbeitsregeln sichergestellt werden.

Tom Krebs, Professor an der Universität Mannheim, verweist darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit genügend Rücklagen habe, um eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter zu finanzieren.

Während die Zentralbanken bereits reagierten, halten sich die Finanzpolitiker mit Antikrisenmaßnahmen derzeit noch zurück. Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellte bislang lediglich klar, dass man notfalls jederzeit ein Konjunkturprogramm auflegen könne. Was genau in dieses Paket gepackt werden soll, verriet er nicht. Nicht auszuschließen ist, dass es durchaus gezielte Hilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer sind, die ökonomisch unter der Corona-Krise leiden.

Ganz in diesem Sinne hat die italienische Regierung bereits angekündigt, dass Unternehmen, deren Umsatz um mindestens 25 Prozent eingebrochen ist, Steuergutschriften erhalten sollen.

Auch der britische Finanzminister Rishi Sunak ließ bereits durchblicken, dass er in seiner Budgetvorlage am 11. März gezielte Hilfsmaßnahmen für von Quarantäne betroffene Unternehmen plane – darunter Steuerstundungen sowie Hilfen für betroffene Arbeitnehmer, soweit sie Einkommensausfälle haben. Generell sollen die Krisenmaßnahmen Berichten zufolge von medizinischem Rat inspiriert werden, nicht von makroökonomischen Theorien.

Das Gegenstück zu diesen Plänen ist Hongkong. Dort setzt die Regierung die Gießkanne ein. Alle erwachsenen Bürger erhielten einen Scheck über umgerechnet rund 1000 Euro.

Coronavirus verursacht globales Problem der Nachfrage

Doch bei aller Vorliebe für gezielte Maßnahmen gegen die Epidemie und für die direkt Betroffenen: Unter den Ökonomen herrscht auch die Einschätzung vor, dass das Nachfrageproblem im weiteren Verlauf der Krise einer hohen Beachtung bedarf und tatkräftig angegangen werden muss.

Denn die Corona-Epidemie habe neben Produktionsausfällen auch globale Nachfrageausfälle zur Folge, schreiben die Volkswirte der Bank of America. Nun seien Geld- und die allgemeine Finanzpolitik gefordert: „Eine koordinierte globale Reaktion auf der Ebene der G7-Länder könnte viel dazu beitragen, dass die Weltwirtschaft leichter wieder in Gang kommt, wenn die Verwerfungen durch die Epidemie abebben.“

Krebs von der Uni Mannheim sieht das ähnlich: „Wenn es sich später abzeichnet, dass sich die wirtschaftliche Situation stark verschlechtert hat, sollten kreditfinanzierte Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur ergriffen werden“, empfiehlt er. Dazu könne dann auf die Ausnahmeregel in Artikel 109 Grundgesetz für Naturkatastrophen und besondere Ausnahmesituationen zurückgegriffen werden.