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Polen verhängt 6,5 Milliarden Euro Bußgeld gegen Nord Stream 2

Das umstrittene Projekt verstößt laut polnischen Behörden gegen Marktregeln. Nord Stream 2 droht mit der Milliardenstrafe zur Investitionsruine zu werden.

Der Streit über die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 entzündet sich erneut. Die polnische Wettbewerbsbehörde UOKiK entschied am Mittwoch, dass die im Bau befindliche Gasröhre den Wettbewerb behindere und „die Interessen der Verbraucher verletzt“. Deshalb verhängte sie eine Strafe von umgerechnet 6,5 Milliarden Euro gegen den russischen Gazprom-Konzern.

Die an der Finanzierung der Leitung beteiligten europäischen Versorger Uniper und die BASF-Tochter Wintershall Dea, die österreichische OMV, Frankreichs Engie Energy und der niederländisch-britische Multi Shell bekamen Bußen von insgesamt 52 Millionen Euro auferlegt. Gazprom und seine Partner wiesen die Strafen am Mittwoch empört zurück.

Polen ist gegen die Pipeline für russisches Erdgas, die zum Großteil fertiggestellt ist. Sie verläuft auf dem Grund der Ostsee und umgeht damit die traditionellen Transitländer Polen und Ukraine. Das aber führt laut der Warschauer Behörde zu höheren Gaspreisen in Polen.

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„Der Bau von Nord Stream 2 ist ein klarer Verstoß gegen die Marktregeln“, sagte Behördenchef Tomasz Chrostny am Mittwoch in Warschau. „Dieses Projekt wäre ohne Gazprom-Partner aus der EU nicht zustande gekommen. Sie sollten es sich noch einmal überlegen, ob sie Teil eines Projekts sein wollen, das gegen die Marktregeln des Blocks verstößt.“

Gazprom und seine Partner hätten nun 30 Tage Zeit, die Finanzierungsvereinbarungen zu beenden, um den Wettbewerb „wiederherzustellen“. Die Geldbuße beträgt zehn Prozent der erwarteten Einnahmen der russischen Gasexportgesellschaft. Es ist die maximal zulässige Strafe.

Uniper Gas & Transportation „teilt die Einschätzung nicht, die UOKiK ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat“, sagte ein Firmensprecher dem Handelsblatt. Bei den zwischen den Finanzinvestoren von Nord Stream 2 und Gazprom geschlossenen Vereinbarungen handele es sich um Finanzierungsvereinbarungen – nicht um ein Joint Venture.

Das heißt aus Uniper-Sicht: „Finanzierungsvereinbarungen stellen keinen anmeldepflichtigen Zusammenschluss nach polnischem Fusionskontrollrecht dar.“ Es gebe auch keinen solchen Präzedenzfall in der bisherigen Praxis europäischer Wettbewerbsbehörden. Uniper prüft einen möglichen Einspruch gegen die Strafen aus Polen. Eine Entscheidung könnte sich vier bis fünf Jahre hinziehen. Strafzahlungen wären – je nach Entscheidung – erst dann fällig.

Wintershall Dea teilte mit, sich nicht zu dem laufenden Verfahren äußern zu wollen. Das Unternehmen „behält sich aber natürlich vor, rechtliche Schritte einzuleiten“. Auch Shell brachte seine Unzufriedenheit mit der polnischen Entscheidung zum Ausdruck: „Wir prüfen derzeit diese Entscheidung und entscheiden über die nächsten Schritte", sagte Wera Surschenko, Russland-Vertreterin des Konzerns.

Gazprom kündigt rechtliche Schritte gegen Polens Entscheidung an

Andere Beteiligte sind entschlossener: Gazprom kündigte in Moskau an, erneut gegen die Entscheidung vorzugehen. Bereits Ende August hatte die polnische Behörde eine Millionenstrafe gegen den russischen Gasriesen und einige Partner verhängt, da sie die Verträge für Nord Stream 2 nicht offenlegen wollten.

„Die UOKiK-Entscheidung verstößt gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit und eines fairen Verfahrens“, teilte der russische Gasmonopolist in Moskau mit. Die „beispiellose Höhe der Geldbuße“ zeige „den Willen, sich der Umsetzung des Nord-Stream-2-Projekts mit allen Mitteln zu widersetzen“.

Sollte die polnische Milliardenstrafe gegen Nord Stream 2 rechtskräftig werden, ist die Profitabilität der 9,5 Milliarden Euro teuren Rohrleitung endgültig infrage gestellt. Analysten der mehrheitlich staatlichen Moskauer Sberbank hatten bereits errechnet, dass das Projekt wegen der überhöhten Preise von Baukonzernen, die Präsident Wladimir Putin nahestehenden Geschäftsleuten gehören, eine Milliarden-Investitionsruine werde.

Noch am Dienstag hatte Gazprom in einer Unternehmenspräsentation klargestellt, die noch fehlenden 120 der insgesamt 1230 Kilometer langen Leitung in Kürze fertigstellen zu wollen. Wegen massiver US-Sanktionsdrohungen hatte die schweizerisch-niederländische Verlegefirma Allseas im Dezember ihre Arbeit ausgesetzt. In den Hafen Mukran auf Rügen verlegte russische Spezialschiffe haben bisher wegen notwendiger technischer Umrüstungen noch nicht loslegen können.

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki hatte im September erklärt, seine Regierung werde den Druck auf Deutschland verstärken. Gerade nach der Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny wolle man das Vorhaben stoppen.

Bei Beratungen mit US-Außenminister Mike Pompeo im August war Nord Stream 2 ebenfalls Thema. Polen hat in Swinemünde ein Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG) errichtet, wo auch amerikanisches LNG anlandet.

Zwar liegt die Nord-Stream 2-Verbindung außerhalb der polnischen Hoheitsgewässer. Die Regierung in Warschau hat nach eigener Ansicht dennoch Einfluss auf die Ostseeleitung, da durch Polen die Jamal-Pipeline läuft, die Gas aus sibirischen Feldern nach Europa transportiert. Bisher werden so jährlich etwa 30 Milliarden Kubikmeter Jamal-Gas nach Deutschland eingespeist.

Kritiker von Nord Stream 2 sagen, die zweite Ostseeröhre bringe nicht mehr russisches Erdgas nach Europa, sondern ersetze nur den bisherigen Gastransit via Polen und Ukraine aus politischen Motiven.