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Plan für Pflegereform liegt vor: So will Spahn die häusliche Pflege stärken

Der Bundesgesundheitsminister will die Pflegeversicherung reformieren. Die häusliche Pflege soll besser vergütet und Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden. Das kostet.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) macht ernst mit seiner angekündigten Pflegereform. Details zu seinem Vorhaben finden sich nun in einem Eckpunktepapier, das dem Handelsblatt vorliegt. „Fast 25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland ist es an der Zeit die grundlegenden Strukturen zu überdenken und zukunftsfest zu machen“, heißt es darin.

Spahn will insbesondere die häusliche Pflege stärken. Die Erstattung ambulanter Pflegesachleistungen, das Pflegegeld und die Tagespflege-Vergütung sollen Mitte 2021 um fünf Prozent angehoben werden. Danach sollen die Vergütungsbeträge einmal im Jahr an die Inflation angepasst werden. Zudem soll die Pauschale für bestimmte Pflegehilfsmittel von 40 auf 60 Euro steigen. Pflegehilfsmittel können etwa Hausnotrufsysteme, Verbandsmaterial oder Rollstühle sein.

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen sich künftig flexibler mit ihrem Pflegedienst verständigen können. Es soll in ihrer Entscheidung liegen, ob sie bestimmte Leistungen der Pflegekräfte wählen oder sie für einen Zeitraum engagieren.

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Spahn hatte bereits angekündigt, auch die Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen entlasten zu wollen. Die staatliche Pflegeversicherung ist lediglich vorgesehen, um einen Teil der Pflegekosten abzudecken. Wenn über die feste Pauschale die Pflegekosten nicht abgedeckt werden können, fällt ein Eigenanteil an.

Derzeit zahlen Pflegebedürftige in Deutschland im Schnitt 786 Euro monatlich als Eigenanteil, zeigen Zahlen des Verbands der Ersatzkassen (VDEK). Zu dem Eigenanteil für die Unterbringung im Heim kommen weitere Posten wie die Verpflegung hinzu.

Den Eigenanteil will Spahn nun auf 700 Euro pro Monat deckeln und auf maximal 36 Monate begrenzen. „Das führt zu spürbaren Entlastungen, sorgt für Planbarkeit und stellt ein hohes Maß an Transparenz sicher“, heißt es im Eckpunktepapier.

Auf die Kritik des Koalitionspartners will der Minister aber offenbar nicht eingehen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte bemängelt, dass der Vorschlag „einen typischen konservativen Rechenfehler“ beinhalte, da nicht berücksichtigt worden sei, „dass diejenigen, die hohe Einkommen und hohe Vermögen haben, mehr leisten können“. Klingbeil hatte deshalb eine stärkere Berücksichtigung des Einkommens bei den Pflegekosten gefordert.

Private Pflegevorsorge stärken

Neben den Unterbringungs- und Verpflegungskosten müssen Pflegebedürftige anteilig Investitionskosten übernehmen. Das sind Ausgaben des Heimbetreibers wie Gebäudemiete oder Anschaffungen. Pflegebedürftige zahlen dafür im Schnitt 455 Euro. Spahn will mit der Pflegereform nun klarstellen, dass die Länder für die Investitionskosten zuständig sind. Sie sollen deshalb einen monatlichen Zuschuss von 100 Euro für jeden vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zahlen.

Gleichzeitig sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, Pflegekräfte fairer zu bezahlen: „Die Entlohnung entsprechend Tarif für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen soll künftig Voraussetzung für die Zulassung zur Versorgung werden.“ Die Pflegekräfte sollen zudem mehr Befugnisse bekommen, etwa, indem sie Pflegehilfsmittel verschreiben dürfen.

Spahn will außerdem die private Pflegevorsorge stärken. Die staatliche Zulage soll von fünf auf bis zu 15 Euro im Monat steigen. Pflegende Angehörige sollen zudem unterstützt werden, indem der Bund deren Beitragszahlungen an die Rentenversicherung übernimmt.

Das Eckpunktepapier gehe in die richtige Richtung, lobt die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche. Doch ihr geht der Plan nicht weit genug. „Ich vermisse Vorschläge, wie der Bundesgesundheitsminister Pflegebedürftige schon jetzt spürbar entlasten will“, sagte sie dem Handelsblatt.

Kosten von sechs Milliarden Euro

Mit Gesamtkosten in Höhe von sechs Milliarden Euro rechnet Spahn für seine Pflegereform. Finanziert werden soll das durch Steuermittel. „Bessere Pflege kostet Geld. Das darf aber nicht dazu führen, dass immer mehr Pflegebedürftige durch steigende Eigenanteile finanziell überfordert werden“, heißt es im Eckpunktepapier.

Es ist ein zentrales Versprechen vieler Koalitionspolitiker und insbesondere Spahn, dass die Sozialabgaben für Arbeitnehmer nicht die Grenze von 40 Prozent überschreiten dürfen. In bestimmten Fällen wird das zukünftig nicht mehr möglich sein – und schon gar nicht mit der umfassenden Pflegereform. Deshalb greift der Minister auf Steuergelder zurück.

Seit Jahren vollziehe sich ein schleichender Systemwechsel – weg vom deutschen Versicherungsmodell, hin zum steuerfinanzierten Wohlfahrtsstaat, kritisierte kürzlich FDP-Chef Christian Lindner in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. „Nun droht ein solcher Systembruch auch in der Pflegeversicherung.“

Die Pflegereform verbessere die Lage von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen nicht. „Ein solcher Schritt wäre vielmehr ein massiver Angriff auf die Generationengerechtigkeit“, befand Lindner. Spahn begründet den Griff in die Staatskasse in seinem Eckpunktepapier hingegen damit, dass mit der Pflegeversicherung Leistungen erbracht würden, „deren Finanzierung gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist“.

Mehr: Christian Lindner: Mit Spahns Plänen für die Pflegeversicherung droht eine Überforderung des Systems