"Kampfjet-Koalition" für die Ukraine nimmt Gestalt an

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schließt eine umfassende Beteiligung Deutschlands an der Kampfjet-Koalition für die Ukraine vorerst aus. "Die Möglichkeiten wären dafür außerordentlich beschränkt", sagte er in Brüssel.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schließt eine umfassende Beteiligung Deutschlands an der Kampfjet-Koalition für die Ukraine vorerst aus. "Die Möglichkeiten wären dafür außerordentlich beschränkt", sagte er in Brüssel.

Die "Kampfjet-Koalition" für die Ukraine nimmt langsam Gestalt an: Polen, die Niederlande und zwei weitere EU-Länder wollen ukrainische Piloten ausbilden und könnten in einem zweiten Schritt Kampfflugzeuge an Kiew liefern, wie die Verteidigungsminister dieser Länder am Dienstag in Brüssel bestätigten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt noch prüfen, wie Deutschland die Allianz unterstützen kann.

Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren bestätigte in Brüssel, dass ihr Land zu der transatlantischen Kampfjet-Koalition gehört, die ukrainische Piloten ausbilden will und in einem "nächsten Schritt" auch F-16-Kampfflugzeuge an Kiew liefern könnte. Die USA hatten dafür zuvor den Weg freigemacht, die F-16-Maschinen werden dort hergestellt. Als weitere Teilnehmer der Koalition nannte Ollongren Dänemark, Belgien und Großbritannien.

Auch Polen will mitmachen. "Wir sind bereit", sagte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak in Brüssel. Das Training der ukrainischen Piloten habe aber "noch nicht angefangen". Blaszczak stellte damit Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell richtig. Dieser hatte zunächst behauptet, die Schulung habe bereits "in mehreren Ländern begonnen", darunter Polen.

Pistorius sagte zu einer möglichen deutschen Unterstützung, sie werde "derzeit geprüft". Der deutsche Beitrag sei aber "nicht maßgeblich, weil wir einfach keine F-16-Flugzeuge haben und auch bei der Pilotenausbildung mutmaßlich nicht besonders viel helfen könnten", betonte er in Brüssel. Unterstützung wäre etwa logistisch oder finanziell denkbar. Dafür sprach sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), im Deutschlandfunk aus.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dankte allen beteiligten Ländern der Koalition. "Das ist ein wichtiger Schritt", sagte Stoltenberg, der zu einem Arbeitsessen mit den EU-Ministern zusammenkam. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte das grüne Licht aus den USA beim G7-Gipfel in Japan am Wochenende "historisch" genannt.

Selenskyj hatte zuvor zugesichert, mit den Kampfjets kein russisches Gebiet anzugreifen. Das wäre nicht vom Völkerrecht gedeckt und deshalb eine rote Linie für den Westen. Pistorius sagte, er sehe durch die Kampfjet-Koalition "kein Eskalationsrisiko" mit Blick auf Russland.

Die EU-Verteidigungsminister berieten zudem über die zugesagten Munitionslieferungen an die Ukraine. Bisher habe die EU "220.000 Artilleriegeschosse verschiedener Kaliber" und 1300 Geschosse zur Luftabwehr geliefert, sagte Borrell zum Abschluss des Treffens.

Die EU hatte Kiew im März eine Million Geschosse binnen eines Jahres zugesagt, dafür sind zwei Milliarden Euro vorgesehen. Zuletzt gab es aber massive Zweifel, ob eine so hohe Zahl an Munition realistisch ist. Die nun von Borrell angekündigte Zahl kam nach Brüsseler Angaben nur durch Rechentricks zustande.

Als besonders problematisch gilt die gemeinsame Beschaffung von Munition zu Gunsten der Ukraine, die auf Vorschlag Borrells erstmals über die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) koordiniert werden soll. Pistorius plädierte hier für "pragmatische Lösungen". Deutschland etwa will eigene Rüstungsverträge für Partnerländer öffnen.

Die EU-Kommission gab indes eine neue Hilfstranche für die Ukraine von 1,5 Milliarden Euro frei. Sie soll der Ukraine helfen, Krankenhäuser und Schulen offen zu halten oder Straßen und Energieleitungen wiederherzustellen, die Russland zerstört hat.

lob/lan