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Pinterest-Chef bringt sein Unternehmen zur richtigen Zeit an die Börse

 

Ben Silbermann ist still, introvertiert und vorsichtig. Im Gespräch hört der Pinterest-Chef genau zu und nimmt sich Zeit, bevor er antwortet. Der 37-Jährige ist ein sympathischer und nachdenklicher Typ. In den USA, wo Understatement verpönt und Selbstvermarktung als Trumpf gehandelt wird, ist Silbermann eine Ausnahme. Auch sein Geschäft zog er mit viel Vorsicht auf – Kritiker werfen ihm vor, er sei zu zögerlich.

Die übliche Start-up-Formel im Silicon Valley vom schnellen Erfolg um jeden Preis lehnte Silbermann von jeher ab. Dem Handelsblatt sagte er einmal im Interview: „Wir legen viel Wert darauf, nicht auf Kosten unserer Mission zu wachsen. Die besteht darin, Menschen zu helfen, die Dinge zu entdecken und zu tun, die sie lieben.“ Die Chance, zu den ganz Großen zu gehören, hat Pinterest damit jedoch klar verpasst.

Die Haupterlöse des 2010 gestarteten Netzwerks, bei dem Nutzer Bilder oder Fotos, die sie im Netz finden, an ihre Profile „pinnen“, stammen aus Werbeeinnahmen. Pinterest erreicht rund 250 Millionen Nutzer, zwei Drittel davon sind weiblich. Laut der Internet-Marktforschungsfirma Comscore entspricht die Fan-Basis einem Anteil von 43 Prozent aller US-Internetnutzer.

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Doch gleichzeitig streicht die Firma nur mickrige 0,3 Prozent der weltweiten digitalen Werbeumsätze ein, wie der Marktforscher eMarketer errechnete. Zum Vergleich: Google und Facebook kommen gemeinsam auf knapp 60 Prozent, Amazon auf 8,8 Prozent.

Börsengang wird zum Stresstest

Ein besserer Zeitpunkt für einen Börsengang kommt nicht mehr – das hat auch Silbermann erkannt. Die Mitarbeiter wollen nach neun Jahren weiterziehen und ihre Anteile versilbern. Die Financiers drängen darauf, dass sich ihre Investitionen auszahlen. Zu den Investoren zählen die großen Namen der Branche, darunter die Risikokapitalfirma FirstMark, Andreessen Horowitz und Fidelity. Die Gelegenheit für das Wall-Street-Debüt erscheint günstig.

Pinterest könnte vom aktuellen Hype um Start-ups mit einer Milliarden-Bewertung – „Einhörner“ genannt – profitieren. Nachdem Technologiefirmen jahrelang allein durch Risikokapital finanziert wurden, drängt nun eine ganze Reihe von ihnen Richtung Wall Street, wie das bereits börsennotierte Lyft oder dessen Rivale Uber, die Kommunikationsplattform Slack oder Big-Data-Analyst Palantir.

Der Handel an der New Yorker Börse unter dem Ticker-Symbol „PINS“ könnte schon in dieser Woche starten. Der eMarketer-Analyst Andrew Lipsman sieht Pinterest vor großen Herausforderungen: „Das Unternehmen wird beweisen müssen, dass seine Werbeanzeigen effektiv dabei helfen, Marken aufzubauen und Verkäufe zu steigern.“

Kurz vor Handelsstart setzte Pinterest den Ausgabepreis herab, die Preisspanne soll zwischen 15 und 17 US-Dollar liegen. Damit würde Silbermann eine Bewertung von elf Milliarden US-Dollar erreichen, weniger als bei der letzten Finanzierungsrunde 2017, bei der es 12,3 Milliarden US-Dollar erreichte. Für die Investoren wäre das kein guter Deal.

Das Debüt des Start-ups aus San Francisco dürfte trotzdem viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Pinterest wagt sich als erste digitale Medienplattform seit Facebook-Konkurrent Snap an die Börse. Wie die Börsenunterlagen von Pinterest zeigen, sind die Finanzen solider als die von Snap – und sie entwickeln sich positiv.

Steigende Umsätze, kein Gewinn

Vergangenes Jahr erzielte Pinterest einen Umsatz von rund 756 Millionen Dollar, ein Plus von 60 Prozent gegenüber 2017. Demgegenüber stand ein Verlust von 63 Millionen Dollar. 2017 belief sich das Minus noch auf 130 Millionen Dollar. Beim Börsenstart, der von Goldman Sachs, JP Morgan und Allen & Company angeführt wird, könnte das Start-up laut Bloomberg 1,5 Milliarden Dollar einnehmen.

Das Netzwerk will Aktien in zwei Klassen ausgeben, darunter B-Aktien mit 20-fachem Stimmrecht gegenüber Aktien der Klasse A. Das Geld aus dem Börsengang plant Silbermann ein, um weiter in maschinelles Lernen und die visuelle Suche zu investieren. Doch ein Problem dürfte der 37-Jährige auf absehbare Zeit nicht loswerden.

Er betont zwar stets, dass er kein soziales Netzwerk sein will. Im direkten Vergleich mit Facebook, Instagram oder Google kann das ungleich kleinere Pinterest auch nicht mithalten. Doch die Plattform besitzt viele Elemente, die Nutzer aus sozialen Medien kennen. Sie können Profilen folgen oder Inhalte teilen.

Die Firma charakterisiert sich laut Börsenunterlagen als Ort, um „Ideen zu entdecken“. Zudem stammen die Einnahmen aus digitaler Werbung wie bei den großen sozialen Netzwerken. Auch beim E-Commerce droht neue Konkurrenz von Big Tech. Pinterest bietet Händlern die Möglichkeit, ihre Produktkataloge im Netzwerk zu veröffentlichen oder mit „Product Pins“ bestimmte Waren herauszuheben.

Bei dem weitaus größere Rivalen Instagram können Nutzer das Angebot einiger Marken schon heute direkt in der App kaufen.

Abgrenzung zu Facebook

Der Pinterest-Chef lehnt die Strategien seiner Konkurrenten ab. Das geht so weit, dass Pinterest seine Nutzer sogar animiert, offline zu gehen und die Ideen, die sie sich bei der Plattform geholt haben, im realen Leben auszuprobieren. Facebook oder Google dagegen halten ihre Nutzer so lange wie möglich auf ihren Plattformen, um für sie Werbeanzeigen einzublenden und so Einnahmen zu maximieren.

„Ich bin überzeugt, die Leute wollen nicht, dass die Technologie ihr Leben frisst. Sie wollen, dass sie ihr Leben bereichert“, sagt Silbermann. „Das wird sich dann herumsprechen, und auf diese Weise gewinnen wir neue Nutzer.“ Bislang ging die Formel nicht auf – trotz der zahlreichen Datenskandale seit Cambridge Analytica und der monatelangen Debatte darüber, wie Technologie Politik, Leben und Menschen verändert oder gar manipuliert.

Facebook erreicht mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit und steigert seine Beliebtheit unaufhörlich, im zuletzt abgelaufenen Quartal legten Umsatz und Gewinn ebenfalls zu. Eine Besonderheit von Pinterest gibt einen raren Einblick in die Persönlichkeit des Unternehmers, der wie seine Mitgründer als introvertiert gilt. Nutzer der digitalen Pinnwände können ihre Fotos auch nur für sich selbst speichern und für andere unsichtbar machen.

Im Unternehmen achtet Silbermann darauf, dass nicht der lauteste Mitarbeiter den meisten Einfluss hat. In Meetings fragt er bewusst diejenigen, die sich gerade nicht äußern, was sie von einer Idee halten. Stellt er neue Mitarbeiter ein, so sucht er nicht in erster Linie nach Techies, sondern bevorzugt Leute, die neugierig sind. „Wer das ist, hat in der Regel kein so großes Ego, weil ihm klar ist, dass er nicht alles weiß“, sagt Silbermann.

Die schöne Unternehmenskultur führte jedoch zur Kritik am CEO. Bei Pinterest seien alle Angestellten „so freundlich“ zitiert der TV-Sender CNBC einen ehemaligen Manager der Firma. „Keiner wollte dem anderen auf die Füße treten.“ Doch in der Start-up-Welt sind schnelle Entscheidungen oft überlebenswichtig.