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Pharmariesen setzen auf neuen Trend im Kampf gegen Krebs

Mit einer neuen Klasse von Arzneien wollen Pharmafirmen die Wirkung von Immuntherapien gegen Krebs verstärken. Auch Bayer und Boehringer investieren.

Pharmaforscher arbeiten weltweit daran, das menschliche Immunsystem für den Kampf gegen Krebserkrankungen aufzurüsten. Foto: dpa
Pharmaforscher arbeiten weltweit daran, das menschliche Immunsystem für den Kampf gegen Krebserkrankungen aufzurüsten. Foto: dpa

Aus „kalten“ Tumore „heiße“ Tumore zu machen – das ist aktuell einer der stärksten Trends in der Pharmaforschung. Dem schließen sich nun auch die beiden führenden deutschen Pharmahersteller Bayer und Boehringer mit verstärkten Investments an.

Innerhalb weniger Tage vereinbarten beide Konzerne neue Deals auf dem Gebiet: Boehringer kaufte die Schweizer Biotechfirma Amal Therapeutics, Bayer engagierte sich über seine F+E-Organisation „Leaps by Bayer“ als Hauptinvestor bei der neu gegründeten Biotechfirma Phyxis in Boston.

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Was verbirgt sich hinter den Strategien? Im Prinzip geht es darum, das Wirkspektrum von Immuntherapien gegen Krebs zu verbreitern. Die Forschung hatte auf diesem Gebiet in den letzten Jahren einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht, mit einer neuen Klasse von Wirkstoffen, die man als „Checkpoint-Inhibitoren“ bezeichnet.

Diese Mittel neutralisieren einen Abwehrmechanismus, mit dem sich Tumorzellen gegen das Immunsystem des Körpers schützen. Bei etlichen Krebsarten, so insbesondere bei Hautkrebs und Lungenkrebs, brachten diese Mittel deutliche Fortschritte für die Therapie mit zum Teil überraschend hohen Ansprechraten und langer Wirkung. Mehrere Medikamente der Klasse, so insbesondere die Mittel Keytruda von Merck & Co sowie Opdivo von Bristol-Myers Squibb (BMS) erzielen inzwischen Milliardenumsätze.

Allerdings hat sich inzwischen auch herauskristallisiert, dass diese Immuntherapien letztlich nur dort wirken, wo Tumore bereits in erheblichem Umfang von T-Zellen des Immunsystems infiltriert sind, also bereits ein gewisser Entzündungsprozess im Gange ist. Mediziner sprechen in diesem Fall von „heißen“ Tumoren.

Zahlreiche Krebserkrankungen indessen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Einwanderung von Immunzellen nicht stattgefunden hat oder durch unbekannte Mechanismen unterdrückt wird. Zu diesen „kalten“ Tumoren gehören etwa die meisten Krebserkrankungen im Gehirn, Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie viele Arten von Brustkrebs.

Riesiges kommerzielles Potenzial

Vor diesem Hintergrund richtet sich inzwischen immer größere Aufmerksamkeit auf die Frage, wie man T-Zellen noch besser aktivieren und das Mikroumfeld von Tumoren generell besser zugänglich machen kann für Zellen des Immunsystems.

Mit entsprechenden Wirkstoffen, so die Hoffnung, kann die Wirkung der bereits etablierten Checkpoint-Inhibitoren womöglich noch deutlich verbessert und das Einsatzspektrum von Immuntherapien erheblich verbreitert werden. Sollte das gelingen, könnte das weltweite Umsatzpotenzial von Krebsimmuntherapien nach Einschätzung mancher Analysten auf mehr als 100 Milliarden Dollar steigen.

Medikamente, die Tumore „heiß“ machen, bieten daher erhebliches Potenzial, auch in kommerzieller Hinsicht. Und dieses Potenzial eröffnet theoretisch auch für jene Firmen Chancen, die bisher in dem boomenden Feld der Krebsimmuntherapien noch nicht vertreten sind. Bayer und Boehringer setzen darauf, bei dieser zweiten Generation von Immun-Medikamenten mitzuspielen.

Dazu engagiert sich Bayer nun als Hauptfinanzier bei der neugegründeten Biotechfirma Pyxis Oncology. An der Finanzierungsrunde im Volumen von 22 Milliarden Dollar sind neben dem Leverkusener Konzern unter anderem auch die Finanzinvestoren Agent Capital und Longwood Fund sowie die französische Pharmafirma Ipsen beteiligt.

Das auf Immuntherapien spezialisierten Unternehmen mit Sitz in Boston stützt sich vor allem auf Forschungsarbeiten seines Gründers Thomas Gajewski von der Universität in Chicago, der als einer der führenden Experten im Bereich der Immunonkologie gilt. Er befasst sich laut Bayer seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Rolle von T-Zellen bei der körpereigenen Abwehr von Krebs und hat mit seinen Arbeiten zu einem neuen Verständnis der Mikroumgebung von Tumoren beigetragen.

Daraus resultieren nach Angaben des Pharmaunternehmens auch mehrere neue Ansätze, die die Aktivität dysfunktionaler T-Zellen wieder herstellen. Diese Erkenntnisse wolle Pyxis nutzen, um eine Pipeline von Antikörpern zu entwickeln, die auf neu entdeckte immunonkologische Zielstrukturen gerichtet sind.

„Wir haben einen systematischen Ansatz, die Immunbiologie der Mikroumgebung des Tumors zu verstehen“, wird Gajewski dazu einer Mitteilung zitiert. „Sie ist anders als bei anderen entzündlichen Krankheiten. Wir konnten mehrere neuartige Moleküle aufdecken, die Immunantworten auf Krebs regulieren.“

Effektivität etablierter Therapien steigern

In eine ähnliche Richtung zielt die Schweizer Biotechfirma Amal Therapeutics, die Boehringer Ingelheim Anfang der Woche für bis zu 325 Millionen Euro kaufte. Amal arbeitet an einer speziellen Impftechnologie auf der Basis von Peptiden und Proteinen, die eine starke Immunreaktion gegen Krebs auslösen soll.

Das führende Entwicklungs-Produkt von Amal, einen Proteinwirkstoff mit der Bezeichnung ATP128, will Boehringer nun in Kombination mit einem eigenen Checkpoint-Inhibitor testen. Die klinischen Studien dazu sollen noch im Juli anlaufen.

Bayer und Boehringer sind mit diesen Strategien indessen keineswegs alleine unterwegs. Auch die führenden Akteure im Onkologie-Geschäft, darunter Merck & Co, BMS, Roche und Astra-Zeneca, arbeiten intensiv an Therapien, die das Umfeld von Krebszellen beeinflussen und so die Effektivität der etablierten Immuntherapien verstärken.

BMS etwa investierte dazu im vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden Dollar in eine Allianz mit der Biotechfirma Nektar Therapeutics. Merck & Co. erwarb unter anderem die australische Firma Viralytic und die deutsche Biotechfirma Rigontec. Roche wiederum kooperiert mit der deutschen Biotechfirma Biontech, die an individualisierten Impfstoffen gegen Tumore arbeitet.

Auch die Darmstädter Merck-Gruppe, die mit dem US-Konzern Merck & Co. keine Verbindung hat, ist im Bereich der Immuntherapien bereits einen Schritt weiter als ihre beiden heimischen Konkurrenten. So ist Merck nicht nur mit einem eigenen Krebsimmunmedikament, dem Wirkstoff Bavencio, bereits im Markt vertreten.

Darüber hinaus testet der Darmstädter Konzern mit dem Wirkstoff Bintrafusp alfa ein Molekül, das sowohl als Checkpoint-Inhibitor fungiert als auch die Aktivität von Immunzellen im Tumorumfeld stärken soll.

Klar ist aber auch, dass nach wie vor riesiger Bedarf besteht, die Wirkung von Immuntherapien zu verbessern. Der Markt dürfte damit Platz bieten für zahlreiche unterschiedliche Moleküle und Technologien, die in Zukunft in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt werden. Auch für Newcomer in dem Bereich bieten sich damit noch große Chancen.