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Pfizer, Sinopharm und Sputnik V: Orbáns Impfstoffstrategie könnte Schule machen

Ungarn setzt neben von der EU zugelassenen Corona-Vakzinen auch solche aus China und Russland ein. Premier Orbán verschafft sich so innen. wie außenpolitisch zusätzlichen Spielraum.

„Jede Impfung ist besser als ein ungeimpftes Leben in Gefahr.“ Mit diesen Worten fasst Ungarns Landeschefärztin Cecilia Müller die Prioritäten der Regierung zusammen. Sie erklären, weshalb Ungarn im November zusätzlich zur gemeinsamen Beschaffungsstrategie der Europäischen Union dem russischen „Sputnik V“-Vakzin und dem chinesischen Produkt von Sinopharm eine Notfallzulassung erteilte.

Damit tat Budapest zwar nichts Unrechtes, unterlief aber das politische Ziel der Mitgliedstaaten, Geschlossenheit zu demonstrieren und – auch zur Vertrauensbildung bei der Bevölkerung – nur Präparate zu verimpfen, welche die Europäische Arzneimittelbehörde zugelassen hat.

Ungarn sieht seinen Sonderweg nun durch die Engpässe bei den EU-Lieferanten bestätigt. Die Lage erinnere an die vor einem Jahr, sagte der ungarische Premierminister Viktor Orbán in dieser Woche anlässlich des sogenannten 17+1-Gipfels, eines jährlichen Treffens Chinas mit zentral- und osteuropäischen Ländern. „Die ganze Welt will ein Produkt kaufen, bei dem die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt. Damals waren es Masken und Beatmungsgeräte, nun sind es Vakzine.“ Deshalb freue er sich, dass möglicherweise bereits kommende Woche die ersten von insgesamt 2,5 Millionen Sinopharm-Dosen in Ungarn eintreffen.

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Halten die Probleme der europäischen und amerikanischen Impfstoffhersteller an, könnte die ungarische Strategie durchaus Schule machen: Tschechien prüft nun ebenfalls offiziell, ob es Sputnik V kaufen will. Zudem haben Deutschland und Österreich in den vergangenen Wochen ihre ablehnende Haltung gegenüber russischen und chinesischen Impfstoffen deutlich relativiert.

Bereits seit Dienstag läuft in Ungarn die Impfung mit Sputnik V. In den Krankenhäusern wurde in den vergangenen sechs Wochen fast nur das Pfizer/Biontech-Präparat verimpft, von dem Ungarn bis Ende des Jahres 6,6 Millionen Dosen erhalten soll.

Europäische Solidarität schert Orbán nicht

Knapp 300.000 Menschen bekamen bisher mindestens die erste Impfung verabreicht, womit Ungarn pro Kopf im europäischen Mittelfeld liegt. Die logistischen und organisatorischen Probleme im Land glichen dabei jenen, mit denen auch die anderen EU-Staaten zu kämpfen haben.

Mit den chinesischen und den russischen Stoffen hofft Orbán aber, sich zusätzlichen Spielraum zu verschaffen. Zwar war Ungarns Regierungschef wohl nicht der Einzige, der die politische Sprengkraft des Gerangels um den Impfstoff voraussehen konnte. Doch der primär in nationalen Kategorien denkende Populist schert sich wenig um abstrakte Werte wie die europäische Solidarität angesichts einer Krise, die auch für sein Regime bedrohlich ist.

Als Wundermittel hat sich Sputnik V bisher nicht erwiesen. Dies hat wohl auch damit zu tun, dass die Regierung nach der Kritik am zunächst wenig transparenten Zulassungsverfahren durch ein hastiges Vorgehen keine zusätzliche Angriffsfläche bieten wollte – und Moskau beschränkte Lieferkapazitäten hat.

Zwar will die Regierung mittelfristig bis zu eine Million Ungarn mit Sputnik V gegen das Coronavirus immunisieren. Doch in nächster Zeit erwartet sie nur Dosen für 20.000 Personen. Das zeigt, wie stark das Land weiterhin von den im Rahmen der EU bestellten Präparate abhängig ist.

Ungarns Gesundheitssystem bewältigt die Pandemie eher schlecht als recht. Mit mehr als 13.000 Toten zählt Ungarn auf die Bevölkerung umgerechnet im europäischen Vergleich zu den am schwersten getroffenen Ländern.

Ungarn verhält sich opportunistisch

Die vielen Opfer sind auch die Konsequenz daraus, dass Orbán aus Rücksicht auf die Wirtschaft lange vor radikalen Maßnahmen zurückschreckte und bis heute ein „Lockdown light“ im Land herrscht. Von einer raschen ökonomischen Erholung hängt wohl auch ab, ob die Regierungspartei Fidesz bei den Parlamentswahlen im April 2022 ihre dominante Stellung halten kann.

Doch es sind nicht nur innen-, sondern auch außenpolitische Überlegungen, die Orbáns Impfpluralismus inspirieren. So profitiert Ungarn zwar besonders stark vom gemeinsamen Einkauf, da ein Preiskampf mit reicheren europäischen Ländern zweifellos ruinös gewesen wäre. Gleichzeitig fügt sich die Kritik an Brüssels Impfstrategie nahtlos in die EU-skeptische Rhetorik Orbáns ein.

Regierungsnahe Publizisten und Experten betonen auch, dass Budapest im Gegensatz zu anderen Hauptstädten beim Impfstoff nicht nach geopolitischen Überlegungen handle. Sie unterstellen damit, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, dass die Rivalität zwischen Ost und West teilweise Einfluss auf Impfstrategien hatte.

Orbáns Ungarn verhält sich opportunistischer und pflegt demonstrativ seine guten Beziehungen zu Moskau und Peking, auch in der Hoffnung, davon wirtschaftlich zu profitieren. Im Falle von Sputnik V geht es nicht zuletzt um die Frage des Standorts für eine künftige europäische Produktion.