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Peter Altmaier: „Ich will, dass das Wasserstoff-Thema fliegt“

Der Wirtschaftsminister spricht über seine Wasserstoffstrategie und die Förderung europäischer 5G-Anbieter. Altmaier rechtfertigt die Abstandsregelung für Windräder.

Auf dem Schreibtisch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier türmen sich Aktenberge. Seine Industriestrategie, der Streit über Huawei, Ärger beim Ausbau der Windkraft: Der Minister hat gerade alle Hände voll zu tun. Und einfacher wird es nicht, so viel ist sicher. Die SPD zieht es nach links, es drohen neue Kontroversen.

Im Interview spricht er auch über seine Industriestrategie. Europäische 5G-Ausrüster will er industriepolitisch fördern: „In einer hochgradig globalisierten Welt ist es immer ein Problem, wenn ein Unternehmen Monopolist ist“, sagte er dem Handelsblatt.

„Deshalb müssen wir uns auch die Frage stellen, was wir tun müssen, damit in Europa große, kräftige Netzausrüster entstehen, die dann auch im Wettbewerb mit Huawei bestehen.“ Er sei mit den deutschen Telekommunikationsprovidern – Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch – im Austausch und führe Gespräche mit seinen europäischen Kollegen. „Wir wollen eine gemeinsame Haltung finden. Denn wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass es mehrere starke Wettbewerber gibt“, betonte Altmaier.

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Mit der von der Bundesregierung angekündigten Wasserstoffstrategie will der Wirtschaftsminister in neue Dimensionen der Wasserstoffproduktion vorstoßen. „Es soll deutlich werden, dass wir die industrielle Erzeugung von grünem Wasserstoff vorantreiben wollen“, sagte Altmaier . Zugleich räumte er ein, die von seinem Ministerium unterstützten „Real-Labore“ zur Erprobung der Wasserstoff-Produktion reichten nicht aus, um bei dem Thema voranzukommen: „Wir müssen mehr vorzeigen können.“

An der umstrittenen Abstandsregelung für Windräder will der Wirtschaftsminister festhalten. Er glaube, „dass es richtig ist, bei der Windenergie den von der Großen Koalition beschlossenen Mindestabstand von 1000 Metern festzuschreiben“, sagte Altmaier. Es gebe „eine klare Beschlusslage der gesamten Koalition“, ergänzte der Minister. „Wir brauchen auch einen Konsens mit den Windkraftgegnern, wenn der Ausbau von Windparks wieder in Gang kommen soll.“

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Altmaier, Sie schlagen in Ihrer Industriestrategie vor, dass der Staat sich in Notfällen an Unternehmen beteiligen können soll. Glauben Sie nicht an die Kräfte des Marktes?
Im Gegenteil: Die Soziale Marktwirtschaft ist ein großes Erfolgsmodell, das ich mit meiner Industriestrategie für die Zukunft stärken will. Der Staat sorgt für gute Rahmenbedingungen, der Markt und die Unternehmen entscheiden, wo und wie sie investieren. Ich habe sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Beteiligung des Staates an einem Unternehmen immer nur die allerletzte Lösung sein kann. Dieses Instrument darf nur zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Lösungen versagt haben und wichtige strategische Interessen, wie zum Beispiel Technologieführerschaft, auf dem Spiel stehen. Wir setzen also eindeutig auf die Kräfte des Marktes. In 99,999 Prozent aller Fälle kommen wir damit zu den besten Resultaten.

Gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen Sie sich das Instrument der staatlichen Beteiligung gewünscht hätten?
Ich habe in meiner gesamten Zeit als Umwelt-, Kanzleramts- und Wirtschaftsminister nur ein einziges Mal ein staatliches Eingreifen unterstützt, und zwar im Fall des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Dort hat die KfW als staatliche Bank schließlich einen Anteil von 20 Prozent übernommen und diesen Anteil so dem Zugriff eines großen außereuropäischen Netzbetreibers entzogen. 50Hertz ist einer der modernsten Netzbetreiber weltweit, das 50Hertz-Netz ist Teil der kritischen Infrastruktur. In solchen Fällen muss der Staat handeln können. Achtsamkeit gehört zu einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft dazu. Ich wünsche mir aber, dass in meiner weiteren Amtszeit die Notwendigkeit, dass der Staat sich beteiligt, gar nicht mehr entsteht.

Aber im Fall 50Hertz hätte es ohnehin keiner staatlichen Beteiligung bedurft. Nach heute geltendem Recht hätten Sie die Beteiligung schlicht untersagen können.
Das stimmt, diese Situation ist mittlerweile geregelt. Im Falle der kritischen Infrastruktur können wir die Beteiligung eines ausländischen Investors jetzt schon ab einem geplanten Anteilskauf von zehn Prozent prüfen und gegebenenfalls untersagen. Vorher waren es 25 Prozent. Da nur 20 Prozent gekauft werden sollten, lief das Gesetz ins Leere.

Kritiker nehmen die von Ihnen geforderte Beteiligungsmöglichkeit des Staates allerdings als Beleg dafür, dass Sie an der Marktwirtschaft zweifeln. Verstehen Sie das?
Nein. Wer mir das unterstellt, verkennt völlig, dass ich mich in meinem ganzen politischen Leben immer für Marktwirtschaft eingesetzt habe. Und das werde ich auch in Zukunft tun. Marktwirtschaft ist die einzige Wirtschaftsform, die zu einer optimalen Ressourcenallokation führt – und damit zum größtmöglichen Mehrwert für alle Beteiligten, für Unternehmer, für Verbraucher und für Beschäftigte. Meine Industriestrategie stärkt die Soziale Marktwirtschaft und macht sie zukunftsfest, weil sie einen wesentlichen Anteil daran hat, dass wir heute so gut dastehen.

Umfragen belegen, dass in der Bevölkerung das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft schwindet. Der Mitgliederentscheid der SPD ist ein weiteres Indiz dafür. Wie erklären Sie sich das?
Wenn Politik und Wirtschaft sich wechselseitig über Jahre mit Vorwürfen überziehen, führt das zu einem Vertrauensverlust. Am Ende leidet das Ansehen beider Seiten. Das färbt wiederum auf das Bild ab, das die Menschen von der Sozialen Marktwirtschaft haben. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Mehrheit der Bürger in Deutschland hinter der Idee der Sozialen Marktwirtschaft steht. Allerdings liegt es auch an uns, deutlich zu machen, wo sie funktioniert. Und dort, wo sie nicht funktioniert, müssen wir Abhilfe schaffen.

Wo funktioniert die Marktwirtschaft nicht?
Unsere Vorschläge zur Reform der europäischen Fusionskontrolle und zur Reform des Beihilferechts haben damit zu tun, dass der Markt eben nicht immer und überall reibungslos funktioniert. Vor allem dort, wo andere Länder mit Subventionen und Protektionismus unterwegs sind.

Mit Ihren Vorschlägen zur Reform der europäischen Fusionskontrolle sind Sie in Brüssel bislang auf Skepsis gestoßen. Wird sich das mit der neuen EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ändern?
Im Gegenteil, es gab von Anfang an viel Unterstützung. Mit Frankreich und Polen sind wir uns zum Beispiel bei der Reform des EU-Wettbewerbsrechts einig, der Europäische Rat hat die EU-Kommission einstimmig und ausdrücklich zur Erarbeitung einer EU-Industriestrategie aufgefordert. Industriepolitik steht also inzwischen auf der europäischen Tagesordnung. Ich werde mich sehr schnell mit dem neuen Industriekommissar Thierry Breton in Verbindung setzen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam gut zusammenarbeiten werden.


„Es ist ein Problem, wenn ein Unternehmen Monopolist ist“

Bestandteil Ihrer Industriestrategie ist eine Ausweitung der Bereiche, die durch die Außenwirtschaftsverordnung vor dem Zugriff missliebiger Investoren geschützt werden können. Schotten wir uns ab?
Es geht nicht um Abschottung: Deutschland ist eine der offensten Volkswirtschaften weltweit und wird es bleiben. Wir heißen Investoren aus dem Ausland herzlich willkommen. Aber wir müssen in zentralen Bereichen aufmerksamer sein als bisher.

Schimmert hier Angst vor China durch?
Wir müssen keine Angst vor China haben, und ich habe auch keine Angst vor China. Ich habe vielmehr hohen Respekt vor der enormen Leistung der Menschen in China. China war bis vor wenigen Jahren ein Entwicklungs- und Schwellenland. Das hat sich innerhalb von nur einer Generation umgekehrt. Heute sind chinesische High-Tech-Konzerne in vielen Bereichen führend. Diese Leistung muss man anerkennen.

China betrachtet Ihre Pläne zur Reform der Außenwirtschaftsverordnung als gezielte Maßnahme zur Abwehr chinesischer Investoren. Was halten Sie dem entgegen?
Wenn wir die Zusammenarbeit mit China im Geist von Respekt und gegenseitiger Achtung ausbauen wollen, müssen wir in der Lage sein, unsere berechtigten Interessen zu schützen. Und wir müssen diejenigen Bereiche benennen, wo China marktwirtschaftlicher werden muss: Beim Schutz des geistigen Eigentums etwa, oder beim Zugang deutscher Unternehmen zum chinesischen Markt.

Die Chinesen verweisen darauf, dass sie ihre Märkt Schritt für Schritt öffnen. Überzeugt Sie das nicht?
Diese Fortschritte wurden auch deshalb erzielt, weil wir China seit geraumer Zeit dazu drängen, für Chancengleichheit zu sorgen.

Befinden wir uns in einem Systemwettbewerb mit Peking?
Der BDI hat China als „systemischen Rivalen“ eingestuft. Daran ist richtig, dass in China und einigen anderen asiatischen Ländern Demokratie und Marktwirtschaft, politische Freiheit und wirtschaftliche Freiheit eben nicht Hand in Hand gehen. Ich kann derzeit allerdings nicht erkennen, dass China sein Modell nach Deutschland oder nach Frankreich exportieren will.

Nach Afrika dagegen schon.
Ja, deshalb muss es doch unser Ziel sein, dass wir umgekehrt die Attraktivität des europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells international stärker deutlich machen. Dafür habe ich neben der Mittelstands- und der Industriestrategie ein weiteres großes Projekt angekündigt: die Charta der sozialen Marktwirtschaft. Ich werde vorschlagen, dass wir – gemeinsam als Europäer – anderen Staaten beim Aufbau von marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen Hilfe leisten. Wir haben ein Interesse, dass unser Wirtschaftssystem weltweit als vorbildlich angesehen wird.

Wir wollen Sie da befördern? Durch die Umleitung von Entwicklungshilfe?
Zunächst mit einer Stiftung Soziale Marktwirtschaft, die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft aus aller Welt mit den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft vertraut macht. Auch die Entwicklungspolitik würde profitieren, etwa wenn wir sie mit einer gemeinsamen europäischen Menschenrechtspolitik verbinden.

Aber muss man dabei gleich so weit gehen, Huawei, den Champion des chinesischen Staatskapitalismus, das deutsche 5G-Netz ausstatten zu lassen?
Falsch, ich setze mich für keinen bestimmten Anbieter ein. Aber Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit beinhalten eben auch, dass Anbieter nicht willkürlich ohne nachprüfbare Tatsachen vom Marktzugang ausgeschlossen werden dürfen. Deshalb schärfen wir unsere Sicherheitsgesetze und stellen klar, dass die Daten unserer Bürgerinnen und Bürger gegen den Zugriff anderer Staaten wirksam geschützt werden müssen. Das gilt dann für alle Bewerber gleichermaßen. Mein Ansatz ist, China in die globalen marktwirtschaftlichen Strukturen zu integrieren. Dazu gehört, dass gleiche Regeln für alle gelten.

So einen Ausschluss fordert ja auch keiner, sondern die Berücksichtigung der Risiken, die sich aus den politischen Rahmenbedingungen in Ländern wie China ergeben.
Meine Partei hat dazu gerade einen Beschluss gefasst, den begrüße ich ausdrücklich. Darin heißt es, dass Anbieter einen Katalog mit Sicherheitskriterien erfüllen müssen, der auch beinhaltet, dass eine Einflussnahme durch einen fremden Staat auf unsere 5G-Infrastruktur ausgeschlossen ist.

Ein Unternehmen wie Huawei, das sich dem Willen des chinesischen Regimes beugen muss, müsste demnach ausgeschlossen sein. Oder?
Wir sind in der Bundesregierung dabei, die Umsetzung der nötigen Gesetze vorzubereiten. Genau diese Frage wird jetzt gemeinsam mit dem Parlament geprüft. Und ich erwarte, dass wir in den nächsten Wochen zügig ein entsprechendes Gesetz vorlegen werden. Übrigens liegt in der 5G-Debatte auch eine exzellente Bestätigung meiner Industriepolitik.

Das müssen Sie uns erklären.
In einer hochgradig globalisierten Welt ist es immer ein Problem, wenn ein Unternehmen Monopolist ist. Deshalb müssen wir uns auch die Frage stellen, was wir tun müssen, damit in Europa große, kräftige Netzausrüster entstehen, die dann auch im Wettbewerb mit Huawei bestehen.

Solche Anbieter gibt es doch schon längst: Nokia und Ericsson. Warum diese Unternehmen nicht das europäische 5G-Netz aufbauen lassen?
Ich bin mit den deutschen Providern – Deutscher Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch – im Austausch, wie auch mit meinen europäischen Kollegen. Wir wollen eine gemeinsame Haltung finden. Denn wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass es mehrere starke Wettbewerber gibt.

Für die Amerikaner sind Nokia und Ericsson offenbar schon heute gut genug. Sie verzichten auf Huawei und kaufen stattdessen in Europa.
Die Situation, dass Ericsson und Nokia in den USA und Huawei in Europa besonders stark sind, ist über viele Jahre entstanden. Aber auch in den USA gibt es in einigen Bundesstaaten Lieferverträge mit Huawei. Ich will nicht spekulieren, ob es auch eine Rolle spielt, dass europäische Anbieter oft weniger kapitalkräftig sind.

Müssen wir nicht berücksichtigen, dass Huawei keine Marktpreise, sondern politische Preise bietet?
Das kann ich nicht beurteilen. Dafür haben wir Anti-Dumping-Verfahren. Diese sollten wir bei entsprechenden Hinweisen auch nutzen. Die Chinesen sind generell günstig, da sie niedrigere Löhne haben ...

...und eine Industriepolitik betreiben, die die Abschottung des eigenen Markts beinhaltet.
Auch das. Wobei europäische Unternehmen im 5G-Bereich sehr wohl zum Zuge kommen. Aber eine beliebte Methode der Chinesen ist sicher das Angebot von Komplettpaketen: Mit einem Produkt erhält man auch eine sehr günstige Finanzierung über eine staatliche chinesische Bank. Das führt dann oft dazu, dass vor allem wirtschaftlich schwächere Länder in Afrika diese Angebote nutzen und ihr Heil bei China suchen. Darüber muss die EU diskutieren. Unsere Lösung darf aber nicht in mehr staatlichem Protektionismus, sie muss in mehr Marktwirtschaft liegen.


„Angebot einer souveränen europäischen Dateninfrastruktur schaffen“

Beim Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur – Stichwort Gaia-X – wollen Sie dann aber doch staatlich nachhelfen.
Das Speichern und Verarbeiten von Daten hat exponentiell an Bedeutung gewonnen und ist eine wichtige Quelle für Innovation und neue Geschäftsmodelle. Gleichzeitig liegt die Wertschöpfung fast ausschließlich bei amerikanischen Konzernen – den „Hyperscalern“ Microsoft, Google und Amazon. Aus diesem Grund wollen wir das Angebot einer souveränen europäischen Dateninfrastruktur schaffen.

Ein ambitioniertes Projekt. Viel Geld machen Sie dafür aber nicht locker.
Das ist auch nicht nötig, denn es geht nicht darum, einen europäischen Hyperscaler zu gründen. Es geht darum, die bestehenden europäischen Angebote so miteinander zu verzahnen, dass daraus neue Geschäftsmodelle entstehen können. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er seine Daten in Deutschland, Europa oder einem dritten Land speichern und verarbeiten lassen will. Wir wollen nicht einseitig von Anbietern abhängig sein, egal, aus welchem Land sie kommen. Das ist ja auch das Problem, das uns in Fall von Huawei beschäftigt.

Ein Vergleich von Amerika und China hat Ihnen in den vergangenen Tagen schon einmal großen Ärger eingehandelt. US-Botschafter Richard Grenell hat Ihnen Beleidigung vorgeworfen.
Ich war als Wirtschaftsminister zweimal in den USA und unterhalte exzellente Beziehungen zu diesem Land. Wir bilden mit den Amerikanern eine Werteunion, ungeachtet mancher Differenzen in der Handelspolitik. Damit ist sehr klargemacht, wo ich stehe.

Derzeit stehen Sie nicht nur im Fall Huawei in der Kritik, sondern auch beim Klimaschutz. Manche Unternehmen müssen künftig einen nationalen CO2-Preis zahlen, sind aber zugleich zur Teilnahme am europäischen Emissionshandel verpflichtet. Wie wollen Sie solche Doppelbelastungen verhindern?
Wir haben Doppelbelastungen in einigen Bereichen bereits ausgeschlossen. Ich gebe aber zu, dass wir in der Kürze der Zeit nicht alle Probleme lösen konnten. Ich habe als Bundeswirtschaftsminister bereits unmissverständlich klargemacht, dass dieses Thema für mich nicht erledigt ist. Bis zur Einführung eines CO2-Preises im Jahr 2021 wollen wir erreichen, dass es für die Industrie keine Doppelbelastungen gibt. Wir haben noch das ganze nächste Jahr, um das sicherzustellen. Ich bin optimistisch, dass uns das gelingt.

Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist ein zentrales Vorhaben im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Die Länder ziehen bislang nicht mit. Sie rufen den Vermittlungsausschuss an. Wie wollen Sie sie noch überzeugen?
Traditionell führt der Chef des Bundeskanzleramtes in solchen Fällen die Verhandlungen für die Bundesregierung. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich hier nicht ins Detail gehen möchte. Den Ländern muss allerdings klar sein, das die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ein zentrales Element für das Gelingen von mehr Klimaschutz ist. Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Ich plädiere daher weiterhin für einen nationalen Klimakonsens.

Sie haben immer wieder Entlastungen für den industriellen Mittelstand bei den Strompreisen in Aussicht gestellt. Ist diese Entlastung bereits mit der Reduzierung der EEG-Umlage von derzeit sechs Cent je Kilowattstunde um 0,25 Cent ab 2021 abgeschlossen?
Mein Ziel ist, dass die Strompreise zum Ende dieser Legislaturperiode nicht über dem heutigen Stand liegen. Das heißt, dass wir das Strompreisniveau zunächst stabilisieren. Zugleich wollen wir in dieser Legislaturperiode einen Pfad aufzeigen können, wie die Strompreise bis Mitte der 20er-Jahre weiter sinken können.

Was ist dabei Ihr Maßstab?
Ziel ist, dass die Strompreise im europäischen Mittel liegen – und nicht mehr an der Spitze. Die Entlastung der EEG-Umlage um 0,25 Cent ist natürlich nur ein Anfang. Die weiteren Schritte sind aber bereits skizziert. 2022 beträgt die Entlastung 0,5 Cent, 2023 dann 0,625 Cent.

Trotzdem bleibt das in den Augen vieler Unternehmen unzureichend.
Wettbewerbsfähige Strompreise bleiben mein Ziel. Ich halte das Ziel auch deshalb für erreichbar, weil ab Mitte der 20er Jahren viele EEG-Anlagen, die mit hohen Förderzusagen gebaut wurden, aus der Förderung herausfallen. Zugleich sinken die Kosten für neue Erneuerbare-Projekte drastisch, das wird besonders beim Offshore-Wind deutlich.

In Kürze soll das Kohleausstiegsgesetz vom Kabinett verabschiedet werden. Jetzt sieht es so aus, also würden darin die umstrittenen Regelungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien nicht enthalten sein. Was planen Sie?
Es ist richtig, dass wir die Regelungen zu den Erneuerbaren zwischenzeitlich abgekoppelt hatten. Mittlerweile sehe ich aber die Möglichkeit, die Dinge wieder zusammenzuführen.

Bleibt es auch bei der umstrittenen Abstandsregelung für Windräder?
Wenn es nach mir geht: ja. Denn wir brauchen auch einen Konsens mit den Windkraftgegnern, wenn der Ausbau von Windparks wieder in Gang kommen soll. Es gibt eine klare Beschlusslage der gesamten Koalition aus dem Klimakabinett. Ich glaube daher, dass es richtig ist, bei der Windenergie den von der Großen Koalition beschlossenen Mindestabstand von 1000 Metern festzuschreiben.

Bleibt es auch bei den fünf Häusern als Bezugsgröße für den Mindestabstand?
Wir sind hier mitten in Gesprächen, die ich nicht durch öffentliche Äußerungen erschweren möchte.

Auch beim Thema Braunkohle-Ausstieg weist der Gesetzentwurf noch eine Leerstelle auf. Wird die noch gefüllt?
Das haben wir versprochen. Deshalb sind wir mit den Betreibern und den Bundesländern in intensiven Gesprächen.

Sie wollen gemeinsam mit drei Kabinettskollegen noch in diesem Jahr eine Wasserstoffstrategie vorlegen. Wird das mehr als eine Absichtserklärung sein?
Wir werden den Entwurf einer Wasserstoffstrategie zügig in die Ressortabstimmung geben. Es soll deutlich werden, dass wir die industrielle Erzeugung von grünem Wasserstoff vorantreiben wollen.

Mit den Reallaboren, die Ihr Haus fördert, wird es dann aber nicht getan sein.
Die Reallabore sollte man nicht unterschätzen. Sie sind ein wichtiger Punkt, denn auch da geht es bereits um Anwendungen im industriellen Maßstab. Aber natürlich reicht das nicht aus. Wir müssen mehr vorzeigen können. Viel von dem, was wir hier bei uns entwickeln, wird am Ende in sonnen- und windreichen Regionen, wo sich grüner Wasserstoff mittels Strom aus erneuerbaren Energien kostengünstig herstellen lässt, zum Einsatz kommen.

Der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft stellt eine Herausforderung dar, die eine ähnliche Größenordnung hat wie die Energiewende. Dieser Einstieg darf allerdings nicht so teuer werden. Ich will, dass das Wasserstoffthema fliegt, und zwar auch im wörtlichen Sinne. Synthetische Kraftstoffe, die auf Basis von grünem Wasserstoff hergestellt werden, eröffnen die Möglichkeit für klimaneutrales Fliegen.
Herr Altmaier, vielen Dank für das Interview.