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Per Mausklick in die Firma: Wie Teamviewer-Chef Oliver Steil von der Krise profitiert hat

Teamviewer half in der Krise Firmen auf der ganzen Welt beim Umzug in die Heimbüros. Auch, weil Vorstandschef Oliver Steil das Softwareunternehmen vor der Pandemie gut aufgestellt hat.


Als das Coronavirus das öffentliche Leben in China lahmzulegen drohte, fand Mingyuan Software schnell ein wirksames Mittel: Das chinesische Unternehmen verschaffte sich kurzerhand mehr Lizenzen für Teamviewer. Insgesamt 800 Mitarbeiter konnten daraufhin von überall auf die Firmenrechner zugreifen – egal, wo sie aufgrund der Ausgangssperre gestrandet waren. Auch das Forschungszentrum in Wuhan, wo die Epidemie ausgebrochen war, blieb so weiter in Betrieb.

Dank Teamviewer können Mitarbeiter auch in einer abgeriegelten Stadt arbeiten. In Unternehmen, in die keiner mehr hinein darf, von Wohnungen aus, die irgendwo im Land sind: Die Software verbindet Computer so miteinander, dass man von dem einen auf den anderen zugreifen kann.

Dieses System wurde nicht erst für die Pandemie entwickelt, aber es war wie dafür gemacht. Erst in China und dann in zahlreichen anderen Ländern erleichterte es Unternehmen, die Verlagerung ins Homeoffice zu organisieren – aus der Ferne, versteht sich.

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Knapp ein halbes Jahr, nachdem in China der Ansturm auf Teamviewer begonnen hat, ist klar: Das MDax-Unternehmen zählt zu den Gewinnern der Krise. Die Ausgangsbeschränkungen sorgen für zusätzliche Nachfrage, und zwar nicht nur zeitweilig: „Corona ist ein Katalysator, der dafür sorgt, dass sich viel mehr Unternehmen Gedanken über die Digitalisierung machen müssen, und das sehr schnell“, sagt Vorstandschef Oliver Steil.

Der Softwareanbieter hat seine Umsatzprognose fürs laufende Jahr daher auf 450 Millionen Euro angehoben, die Aktie notiert nahe dem Allzeithoch. Und Manager Steil ist das Gesicht dieser Erfolgsgeschichte.

Dabei suchte Teamviewer lange Zeit nicht unbedingt die Öffentlichkeit. Der Unternehmer Tilo Rossmanith entwickelte das Programm aus rein pragmatischen Gründen: Er wollte sich und seinen Kollegen die Fahrten zu den Kunden ersparen. Im einfachsten Anwendungsszenario ermöglicht die Software, dass sich ein Nutzer aus der Ferne auf einen anderen Computer aufschaltet. So ist es möglich, von überall aus an Geräten zu arbeiten, als säße man direkt davor – ob für eine Präsentation oder die Wartung des Rechners. 2005 machte Rossmanith damit in der schwäbischen Stadt Göppingen eine Firma auf.

Cleveres Marketingkonzept

Der Gründer ist längst nicht mehr dabei, doch das Prinzip hat sich durchgesetzt, dank der einfachen Bedienung und eines cleveren Marketingkonzepts: Privatnutzer können die Software bis heute kostenlos nutzen, nur Unternehmen müssen zahlen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda sorgt dafür, dass das Programm als Geheimtipp bei allen privaten Systemadministratoren gilt, die bei Freunden oder Eltern den Drucker installieren oder verlorene Dateien suchen müssen.

Für Unternehmen wie Mingyuan Software ist die Technologie enorm praktisch. Der IT-Anbieter hat zwar mehr als 30 regionale Büros, in einem riesigen Land wie China sind die Wege zu den 6000 Kunden trotzdem weit. „Die digitale Verbindung ermöglicht es uns, schnell auf Kundenbedürfnisse zu reagieren und ihre Probleme zeitnah zu lösen“, berichtet Manager Li Binghua. Nicht einmal zur Installation muss ein Servicemitarbeiter anreisen. Die Software ist für viele Kunden in der Krise ein Mittel zur Selbsthilfe.

Wie lukrativ dieses Geschäft sein kann, bemerkte die Öffentlichkeit 2014, als der Finanzinvestor Permira Teamviewer übernahm: Gut eine Milliarde Dollar bezahlte er, zum damaligen Kurs umgerechnet 870 Millionen Euro. Das Start-up galt angesichts dieser Bewertung mit einem Mal als eines der wenigen deutschen Einhörner – also jene Unternehmen, die in der Technologieszene die magische Milliardenmarke überschreiten.

Wenn man den jüngsten Erfolg von Teamviewer an einer Person festmachen will, dann ist es Vorstandschef Steil. Er begleitete Teamviewer zunächst beim Finanzinvestor Permira, etwa als Vertreter im Beirat. Im Januar 2018 setzte die Private-Equity-Gesellschaft ihn als Vorstand des Portfolio-Unternehmens ein. Die Öffentlichkeit kannte ihn da bereits von seinen Stationen bei den Telekommunikationsunternehmen Sunrise und Debitel.

Steil hat seither die Expansion vorangetrieben. 2019 eröffnete Teamviewer zahlreiche neue Büros, um die lokalen Märkte besser bedienen zu können – in Japan, Indien und Australien, aber auch in China. Es ist Teil der Vertriebsstrategie, Mitarbeiter für den persönlichen Kontakt vor Ort zu haben, auch wenn sie alles aus der Ferne regeln könnten.

Auch beim Portfolio hat Teamviewer sich unter Steil breiter aufgestellt. Auf Basis seiner Fernzugriffstechnologie hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Produkte entwickelt. So gibt es ein Programm, mit dem Unternehmen genau steuern können, wer auf was zugreifen darf – das ist wichtig, um mit Großkunden ins Geschäft zu kommen. Eine Lösung ermöglicht die Steuerung von Industrierobotern, eine andere vernetzt Servicetechniker per Augmented-Reality-App mit der Zentrale.

Mit dem Trend zur Vernetzung, von Experten als Internet der Dinge bezeichnet, entstehen zahlreiche neue Geschäftsfelder. Das alles hat dazu beigetragen, dass die Software von Teamviewer mittlerweile auf 2,25 Milliarden Geräten installiert ist.

Gegenwind beim Börsengang

Der bisherige Höhepunkt in Steils Zeit als Chef dürfte der Börsengang im vergangenen September gewesen sein. Mit 380 Mitarbeitern reiste er dazu nach Frankfurt, um mit vielen kleinen Glöckchen den Schritt aufs Parkett einzuläuten.

Damals schien der Zeitpunkt unglücklich gewählt: „Das Umfeld des Börsengangs war sicher nicht hilfreich“, sagte er dem Handelsblatt wenige Wochen nach dem IPO. „Wir hatten Gegenwind von den Märkten.“ Doch schon im Dezember schaffte die Firma den Sprung in den MDax und TecDax. Spätestens mit der Coronakrise hat sich der Wind für Teamviewer sinnbildlich gedreht.

Ein Selbstläufer ist das Geschäft während und nach der Krise aber trotzdem nicht. „Teamviewer ist eine tolle Innovationsgeschichte“, sagt Stefan Ried, Analyst bei Cloudflight. Durch die aktuellen Veränderungen könnte das Unternehmen jedoch unter Druck geraten, weil beispielsweise Videodienste wie Zoom für Konkurrenz sorgen und durch den Boom des Cloud-Computings bestimmte Anwendungen überflüssig werden.

Der Kundenstamm von Teamviewer erweist sich aber bislang als treu. Die chinesische IT-Firma Mingyuan etwa hat in der Vergangenheit schon viele Softwarelösungen getestet – aber kein anderer Anbieter erfüllte zuverlässig alle Anforderungen.

Alle Beiträge unter: www.handelsblatt.com/hoffnungstraeger