Pence beruhigt die Europäer
Auf der Münchener Sicherheitskonferenz sagte Mike Pence den Europäern das, was sie hören wollten: „Von Präsident Trump überbringe ich ihnen die Botschaft, dass die USA zur Nato und zu den westlichen Werten stehen“, sagte der amerikanische Vize-Präsident bei seinem ersten Auftritt im Ausland.
Damit war eigentlich alles gesagt, was die versammelte Elite der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik hören wollte. Pence legt jedoch noch nach und streichelte auch die Seele der verunsicherten Europäer. Der Amerikaner erinnerte an seinen Trip als Jugendlicher durch das geteilte Berlin und seinem Schock, als er die Grenze am Checkpoint Charlie zum ersten Mal sah. Und erinnerte an die „Mauer aus Blumen“ vor der amerikanischen Botschaft in Berlin nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Da konnte man im überfüllten Saal im Bayerischen Hof wirklich so etwas wie Nostalgie an die alten transatlantischen Zeiten spüren.
Pence hatte jedoch auch eine andere Botschaft, die nicht jeder im Saal hören wollte. „Präsident Trump erwartet, dass alle Nato-Mitglieder ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen“, sagte der ehemalige Gouverneur von Indiana. Gemeint war das auf dem Nato-Treffen 2014 in Wales verabredete Ziel, mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Außer den USA erfüllten nur vier weitere Länder dieses Versprechen, kritisierte Pence – und bekam dafür deutlich weniger Beifall. „Jetzt ist die Zeit, mehr zu tun“, mahnte der US-Politiker die Europäer, ohne Namen zu nennen. Aber auch Deutschland darf sich angesprochen fühlen. Ist Berlin doch mit einem Wert von 1,2 Prozent weit von der Zielmarke entfernt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor ein engagiertes Plädoyer für internationale Zusammenarbeit gehalten. „Lassen Sie uns gemeinsam diese Welt besser machen“, rief sie den Regierungsvertretern aus 125 Staaten zu, die auf der Münchner Konferenz vertreten sind. „Ein Land alleine kann die vielfältigen Probleme nicht lösen“, zeigte sie sich überzeugt.
Munter und kämpferisch für Multilateralismus, für die EU, für die UN trat Merkel auf und zog in ihrer Rede einen großen Bogen von der Nachkriegszeit über den Fall der Mauer bis zur Flüchtlingskrise. Durch die Stärke der westlichen Partner sei es gelungen, den Kalten Krieg zu beenden. „Dies haben die transatlantischen Beziehungen erreicht“, so Merkel, für die das Ende des Ostblocks auch persönlich Freiheit bedeutete. „Deshalb: Herzlich willkommen Herr Vizepräsident“, sagte sie an Pence gewandt, der im Publikum saß.
Im letzten Vierteljahrhundert habe sich die Welt verändert: Es gebe immer noch eine Supermacht, die USA, aber daneben ein vereintes Europa und den Aufstieg der asiatischen Schwellenländer. Die Wirtschaftskraft der USA habe sich verdreifacht, die der EU nur verdoppelt, aber die Chinas verachtundzwanzigfacht, rechnete sie vor: Damit sei sie von zwei auf 15 Prozent der Weltwirtschaftsleistung gestiegen.
Die Probleme der globalisierten und vernetzten Welt seien andere als vor einem Vierteljahrhundert, aber noch viel weniger als damals im Alleingang von Nationen zu lösen. Das gelte auch für den islamistischen Terrorismus. Deshalb habe Deutschland das G20-Forum unter das Motto gestellt „Eine vernetzte Welt gestalten“. Die Finanzkrise von 2008, erinnerte sie - die von den USA ausgegangen war - „haben wir nur gemeinsam lösen können“, betonte sie.
Für Merkel ist „gemeinsam“ ist das Schlüsselwort
„Gemeinsam“ sollte das häufigste Wort in ihrer Rede werden, in der sie ausführte, wie sie und die Bundesregierung sich Weltpolitik vorstellen: Eine EU, „bedauerlicher Weise“ nach dem Brexit „nur der 27 Staaten“: Diese aber müssten enger noch zusammenarbeiten als bisher. Denn erstens könne nur der gemeinsame Markt wachsenden Wohlstand für alle bringen. Zweitens müsse die Währungsunion weiter gestärkt werden, die auf die Krise nicht ausreichend vorbereitet gewesen sei. Wie drittens die EU als Ganzes nicht vorbereitet gewesen sei auf den Ansturm von Flüchtlingen auf die EU-Außengrenzen.
Daraus ergebe sich als ein Schwerpunkt für die EU, gemeinsam mehr für innere und äußere Sicherheit zu tun. Die Nato, betonte sie, habe an Bedeutung gewonnen seit der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine, „wo die Separatisten von Russland unterstützt werden“, so Merkel. Weil dies ein Angriff auf die territoriale Integrität eines Landes sei und dies das Prinzip der europäischen Nachkriegsordnung verletze, werde sie auf dem Minsker Vertrag beharren.
Auch der US-Vizepräsident kam auf das Minsker Abkommen zu sprechen – und signalisierte Entgegenkommen in der Ukraine-Krise. „Wir werden Russland auf die Verpflichtungen des Minsker Friedensabkommens für die Ukraine verpflichten“, versicherte Pence. Unten im Saal nickte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erleichtert.
Erst spät kam die Kanzlerin auf die Notwendigkeit zu sprechen, dass die EU-Staaten mehr ausgeben müssten für Verteidigung – die wohl wichtigste Forderung von Spence. Merkel bekannte sich zur Pflicht, dies bis 2024 zu erreichen, sagte dann aber auch, dass Geld allein nicht alle Sicherheitsprobleme lösen werde: Deutschland habe in diesem Jahr die Ausgaben um acht Prozent gesteigert, mehr gehe kurzfristig nicht, um sinnvoll die Bundeswehr zu stärken. Sie betonte, dass Deutschland überproportional viel ausgebe für Flüchtlingshilfe weltweit und für die Missionen der Vereinten Nationen und auch weiterhin in Afghanistan engagiert bleiben werde. „Die Nato ist auch im Interesse der USA, und wir verlassen uns darauf, dass es ein gemeinsames Interesse ist“, sagte sie.
Von Pence gab es am Ende seines Auftritts noch ein paar warme Worte: „Amerika wird immer der größte Verbündete Europas bleiben“, sagte Pence. Das klang gut und war auch wichtig. Aber wie das alles zu den gegenteiligen Äußerungen seines Chefs passt, hätte man gern gefragt. Hat Trump doch zum Beispiel andere Länder ermuntert, dem Brexit der Briten zu folgen und damit die EU faktisch zu spalten. Doch Fragen waren leider nicht zugelassen.