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Partner mit Fragezeichen: Gaia-X zieht auch umstrittene Unternehmen an

Mehr als 100 Unternehmen aus zahlreichen Ländern haben inzwischen ihre Mitgliedschaft in der Cloud-Allianz beantragt. Auf der Liste stehen auch strittige Firmen.

Nach Vorstellung des CDU-Politikers sollen Firmen durch Gaia-X die volle Kontrolle über ihre Daten erhalten. Foto: dpa
Nach Vorstellung des CDU-Politikers sollen Firmen durch Gaia-X die volle Kontrolle über ihre Daten erhalten. Foto: dpa

Peter Altmaier geizte nicht mit großen Worten: „Nichts Geringeres als ein europäischer Moonshot in der Digitalpolitik“ solle Gaia-X werden, schwärmte der Bundeswirtschaftsminister, als er Anfang Juni mit seinem französischen Kollegen das Konzept für die digitale Infrastruktur vorstellte. Und Bruno Le Maire ergänzte, worum es aus seiner Sicht dabei geht: „Wir sind nicht die USA, wir sind nicht China, wir sind europäische Länder mit eigenen Interessen und Werten.“

Mit dem Aufbau einer europäischen Cloud-Allianz wollen die Minister die Abhängigkeit der heimischen Unternehmen von den großen amerikanischen und chinesischen Anbietern reduzieren, die den Markt beherrschen. Und tatsächlich findet das im Bundeswirtschaftsministerium erdachte Vorhaben immer mehr Unterstützer: Weit mehr als 100 Unternehmen aus zahlreichen Ländern haben inzwischen ihre Mitgliedschaft bei der Gaia-X AISBL beantragt.

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Die eigens dafür gegründete Gesellschaft mit Sitz in Brüssel war vor zwei Monaten mit 22 Partnern gestartet und wartet derzeit auf die formelle Einsetzung durch die belgischen Behörden. An diesem Mittwoch und Donnerstag sollen die angehenden Mitglieder bei einer großen Onlinekonferenz vorgestellt werden. Altmaier, Le Maire und EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton treten als Redner auf, auch künftige Anwendungsbeispiele werden vorgeführt.

Auch Huawei ist dabei

Auf der Liste der angehenden Mitglieder stehen allerdings auch einige Namen, die nicht so recht zur Rhetorik von den europäischen Werten passen: So findet sich die Datenanalysefirma Palantir in einer Übersicht, die dem Handelsblatt vorliegt. Das geheimnisumwitterte US-Unternehmen erreicht rund die Hälfte seines Umsatzes mit Regierungen und Militär und ist bei Datenschützern umstritten.

Auch der chinesische Netzausrüster Huawei zählt zu den angehenden Mitgliedern. Das Unternehmen steht unter massivem Druck der US-Regierung, die ihm Spionage im Auftrag Pekings vorwirft. Auch in der Bundesregierung gibt es Bedenken dagegen, Bauteile des Unternehmens an kritischen Stellen des 5G-Netzes einbauen zu lassen. Der Konzern selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Die großen US-Cloud-Anbieter Amazon, Microsoft und Google wollen sich ebenfalls an dem Projekt beteiligen. Kritiker unterstellen den Unternehmen, dass sie aufgrund des „Cloud Act“ zur Zusammenarbeit mit den US-Sicherheitsbehörden verpflichtet seien – und zwar auch dann, wenn die Daten außerhalb der USA lägen.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums betonte, die Mitarbeit an Gaia-X habe „von Anfang an nicht-europäischen Unternehmen offengestanden, die die Ziele der Datensouveränität und Datenverfügbarkeit teilten“. Die internationale Anschlussfähigkeit der Dateninfrastruktur ist in einer global vernetzten Welt für den Erfolg des Projekts maßgeblich, sagte sie. Die teilnehmenden Unternehmen und Organisationen müssten fachliche Expertise beisteuern und die Arbeit mit eigenen Ressourcen unterstützen.

Verwaltungsrat hat das letzte Wort

Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheiden ohnehin nicht mehr Berlin oder Paris, sondern die neue Dachgesellschaft Gaia-X AISBL. Dort wird der Verwaltungsrat das letzte Wort haben, wer nach der formellen Einsetzung der Gesellschaft durch die belgischen Behörden aufgenommen wird. Dafür müssen sich die Unternehmen der Zielsetzung des Projekts verpflichten und die Satzung befolgen.

Während die Mitarbeit auch Unternehmen aus Amerika oder Asien offensteht, haben im Board nur europäische Mitglieder das Sagen. Im Kreis der europäischen Akteure wird betont, auch in den Gremien auf Arbeitsebene würden keine Schlüsselpositionen mit Vertretern amerikanischer oder chinesischer Firmen besetzt.

Der französische Cloud-Anbieter OVH, einer der frühen Unterstützer von Gaia-X, versicherte, nichteuropäische Anbieter seien „mehr als willkommen“. Wichtig sei aber, „dass wir keine Kompromisse bei der Einhaltung unserer europäischen Werte machen“. Alle Produkte müssten die Standards erfüllen.

Dass die großen Cloud-Anbieter aus den USA und China überhaupt bei Gaia-X dabei sein wollen, zeigt, dass sie das Projekt ernst nehmen und sich zudem auf strengere EU-Regeln einstellen. So will die EU-Kommission ihnen im geplanten Data Governance Act vorschreiben, sensible Daten innerhalb Europas zu speichern und zu verarbeiten. Altmaier hofft daher darauf, „dass die Gaia-X-Standards zu einem Goldstandard bei Cloud-Diensten auf der ganzen Welt“ werden könnten.

Für die Wirtschaft ist Cloud-Computing heutzutage unverzichtbar. So braucht es für die intelligente Datenanalyse, die die Grundlage neuer Produkte und Geschäftsmodelle ist, eine flexible Infrastruktur. Den Markt dominieren allerdings Anbieter aus den USA. Amazon Web Services (AWS), Microsoft und Google sind mit Abstand die größten Anbieter. Auch Alibaba aus China zählt international zu den wichtigen Akteuren.

Vieles ist noch im Fluss

Viele Mittelständler betrachten das Thema Cloud mit Skepsis. Gaia-X zielt daher speziell auf die kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Die Vision: Firmen bekommen die volle Kontrolle über ihre Daten in der Cloud. Egal, ob sie bei einem deutschen, amerikanischen oder chinesischen Anbieter liegen – Datenschutzregeln und die Interoperabilität der unterschiedlichen Dienste sollen das gewährleisten. Zugleich sollen Anbieter aus Europa eine größere Sichtbarkeit erhalten und sich damit besser im Wettbewerb behaupten können.

Das Konzept sieht einen Rahmen vor, damit die Dienste der verschiedenen Anbieter zu einem möglichst einheitlichen System zusammengeführt werden – durch Standards und Schnittstellen etwa, ein Identitätsmanagement und ein Abrechnungssystem. Die grundlegende Infrastruktur dafür soll im kommenden Sommer bereitstehen.

Vieles aber ist noch im Fluss. „Für den Erfolg des Vorhabens wird jetzt entscheidend sein, Anwendungen zu entwickeln, die den Nutzern einen echten Mehrwert bieten“, sagt Susanne Dehmel vom Digitalverband Bitkom.

In den Unternehmen tut sich allerdings einiges. Für den Softwarehersteller SAP etwa hat das Cloud-Computing eine zentrale Bedeutung, weshalb er zu den Gründungsmitgliedern von Gaia-X zählt. Man habe bereits damit begonnen, „mit Partnern und Kunden an konkreten Anwendungsfällen in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheitssektor und in der Industrie zu arbeiten“, teilte der Konzern mit.

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