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Parler könnte Trumps neues Twitter werden – was über den Kanal bekannt ist

Der scheidende US-Präsident Donald Trump braucht nach dem Twitter-Rausschmiss neue Kanäle. Da bietet sich die US-Plattform Parler an. Was es mit dem Netzwerk auf sich hat – und welche Superreichen es finanzieren.

Nach mehr als 57.000 Tweets ist Schluss. @realDonaldTrump ist seit Freitag passé. Der Twitter-Account, der sich von Gedanken-Schleuder eines Reality-TV-Stars zur virtuellen Keule eines US-Präsidenten entwickelt hatte, wurde knapp zwölf Jahre alt. Am Freitag gab der Kurznachrichtendienst die dauerhafte Sperrung von Donald Trumps Konto bekannt. Grund sei ein „Risiko weiterer Anstiftung zur Gewalt“. Trump verkündete daraufhin, dass der Kurznachrichtendienst seiner Meinung nach nicht für Meinungsfreiheit stünde und dass er erwäge, in Kürze „unsere eigene Plattform“ aufzubauen. „Wir werden nicht zum Schweigen gebracht!“

Nach der Sperrung seines privaten Twitterkontos verbreitete Trump seine Erklärung auch über das offizielle Twitterkonto des Präsidenten @POTUS (@President Of The United States) und über das Konto seines Teams @TeamTrump. Twitter löschte die Tweets bei @POTUS und sperrte @TeamTrump ebenfalls. Da auch Facebook Trumps Account weiter gesperrt hat, wird der scheidende US-Präsident auf der Suche nach neuen Möglichkeiten sein, seine Gedanken und Meinungen mit seinen Anhängern und dem Rest der Welt zu teilen.

Alternativen gibt es. Schon in den vergangenen Monaten ist das Interesse an alternativen sozialen Netzwerken – häufig im eher konservativen und rechten Spektrum – stark gewachsen. Unter den alternativen Netzwerken sticht insbesondere Parler hervor. Auch wenn sich Donald Trump hier erst eine Fangemeinde aufbauen müsste (Trump hatte etwa 89 Millionen Follower bei Twitter), dürften ihm Aufbau und Zielgruppe der US-Plattform gefallen: Optisch mutet Parler wie eine Mischung aus Twitter und Instagram an. Es gibt einen Haupt-Feed mit Nachrichten, einen Zähler für Follower und Möglichkeiten zum Teilen von Posts und Links. Und: Parler ist als soziales Netzwerk bei Konservativen und speziell bei Trump-Befürworter beliebt, die teilweise dorthin wechselten, nachdem sie von Diensten wie Twitter ausgeschlossen wurden.

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Der Dienst beschreibt sich selbst als „unvoreingenommenes“ Medium, das die Redefreiheit unterstütze und sich auf den Schutz der Rechte der Nutzer konzentriere. Im Grunde hat die Plattform nur „zwei zentrale Community-Richtlinien“, wie den Guidelines zu entnehmen ist: Es erlaubt keine wissentlich kriminellen Aktivitäten und es erlaubt keinen Spam oder Bots auf seiner Plattform. Das Fehlen von Richtlinien für Hassreden hat dazu geführt, dass Rassismus und Antisemitismus auf Parler gedeihen. Doch seit Montag ist Parler offline, Amazon hat das Netzwerk von seinen Servern geschmissen. Die Begründung: Der Vertrag zwischen Amazon und Parler habe vorgesehen, dass der Dienst Beiträge mit rechtswidrigen Inhalten wie etwa Aufrufen zu Gewalt, unverzüglich löschen müsse, wenn er von ihnen erfahre. Parler habe das wiederholt versäumt. Die Plattform zog vor Gericht mit der Forderung, Amazon per einstweiliger Verfügung zur Rücknahme der Kündigung zu zwingen.

Insbesondere im Zuge der US-Wahl gewann Parler an Popularität. Vermutlich auch, weil Personen in Trumps Umfeld die Plattform immer wieder als Alternative zu Twitter oder Facebook beworben hatten. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, erklärte etwa Ende Juni auf Twitter, sie habe sich ein Konto bei Parler eingerichtet, weil sie die Nase voll davon gehabt habe, dass Konservative auf diesen Plattformen „zensiert“ würden.

Bereits kurz nach der Wahl berichtete etwa die „New York Times“, dass in den Wochen nach der US-Wahl Millionen Konservative in alternative soziale Netzwerke wechselten, nachdem die etablierten Plattformen ihre Faktenchecks intensiviert und immer mehr Posts mit Hinweisen markiert oder sogar gelöscht hatten. Am Wochenende nach der US-Wahl sprang Parler laut der US-Zeitung in Apples App-Store auf Platz eins der Downloadcharts. Waren Anfang 2020 nur rund eine Million User bei Parler registriert, werden dem Netzwerk mittlerweile mehr als zehn Millionen registrierte User zugeschrieben.

Diese Menschen stecken hinter Parler

Wer Parler unterstützt, finanziert und aufbaute ist nicht bis ins letzte Detail klar. Bekannt ist: Parler wurde 2018 von Rebekah Mercer, John Matze und Jared Thomson gegründet. Matze ist der Chief Executive Officer des Unternehmens, Thomson fungiert als Chief Technology Officer. Beide studierten an der Universität von Denver. Die Konservative Rebekah Mercer gilt als große Investorin – gemeinsam mit ihrem Vater: dem Milliardär Robert Mercer. Der Hedgefonds-Manager war Mitbegründer des inzwischen aufgelösten Unternehmens für politische Datenanalyse Cambridge Analytica. „John (Matze, Anm. d. Red.) und ich haben Parler gegründet, um eine neutrale Plattform für Redefreiheit bereitzustellen, wie unsere Gründer es beabsichtigt hatten, und um eine Social-Media-Umgebung zu schaffen, die den Datenschutz schützt“, schreibt Mercer in einer Erklärung auf der Plattform. Die „immer größer werdende Tyrannei und Hybris unserer Tech-Overlords“ erfordere, dass jemand den „Kampf gegen Data Mining“ und den Schutz der Redefreiheit online leite. „Jemand ist Parler“, so Mercer weiter. „Ein Leuchtfeuer für alle, die ihre Freiheit, Redefreiheit und Privatsphäre schätzen.“

Die Mercers, Vater wie Tochter, gelten als extrem Konservative und sind prominente Unterstützer von Donald Trump. Robert Mercer finanzierte im Vorwahlkampf 2016 zunächst ein Super-PAC für den texanischen Senator Ted Cruz, stieg dann aber voll in die Wahlkampffinanzierung Donald Trumps ein. Robert und Rebekah Mercer spendeten jeder Millionen für Trumps Wahlkampf. Laut dem US-Nachrichtensender soll es zudem Tochter Rebekah Mercer gewesen sein, die Trump überredete, für seine Wahlkampforganisation Steve Bannon und Kellyanne Conway einzustellen. Sie war auch Mitglied des Executive Committee des Transition-Teams von Trump.

Außerdem stecken Mercer-Millionen in der Expansion des breitenwirksamsten Medienplattform rechtspopulistischer Ideen: „Breitbart News“, sodass die Familie sogar als Co-Besitzer gelten (gemeinsam mit Breitbarts Witwe und seinem Co-Gründer Larry Solov).

Auf die Frage, wie auf Parler einmal Geld verdient werden könnte, beschrieb CEO Matze seinen Plan gegenüber dem US-Magazin „Forbes“ im vergangenen Jahr wie folgt: Konservative Influencer auf die Plattform ziehen und sie mit Werbetreibenden zusammenbringen. Um Werbung zu fördern, hofft Matze laut „Forbes“, eine Großzahl von hoch engagierten Nutzern gewinnen zu können, die ausschließlich in ihrer eigenen Informationswelt kommunizieren und Nachrichten konsumieren, so wie er selbst: „Ich bin schon eine Weile auf meiner eigenen Insel auf Parler. Ich schaue nicht fern, ich mache nichts, ich bekomme alles von Parler“, wird Matze von „Forbes“ zitiert.

Apple und Google nehmen Parler ins Visier

Dass insbesondere Parler unter der kritisch beäugten, teils gewalttätigen und radikalen Fangemeinde des scheidenden US-Präsidenten eine größere Rolle spielen könnte, halten auch Apple, Amazon und Google für möglich. Das zeigt sich an ihren Reaktionen seit der Sperrung von Trumps Twitter-Konten. Die US-Konzerne hatten im Laufe der Woche nach eigenen Aussagen die Aktivitäten der Trump-Anhänger auf der US-Plattform nun genauer ins Visier genommen. Deren Beiträge in der Mikroblogging-App zielten darauf ab, die „andauernde Gewalt in den USA weiter anzustacheln“, erklärte etwa Googles Mutterkonzern Alphabet am Freitag. Da die App nicht über die notwendigen Regelungen für gefährliche Inhalte verfüge, werde das Herunterladen des Nachrichtendienstes bis zur Behebung ausgesetzt. Damit verschwand Parler bereits zum Wochenende aus dem Google-App-Store.

Apple forderte Parler am Freitag auf, binnen 24 Stunden „alle anstößigen Inhalte aus Ihrer App zu entfernen, sowie alle Inhalte, die sich auf Angriffe auf Personen oder staatliche Einrichtungen jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt beziehen“. Parler müsse einen schriftlichen Plan „zur Moderation und Filterung dieser Inhalte“ vorlegen, hieß es in einem Brief an das Unternehmen, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Apple zitierte darin Beiträge von Nutzern, die einen bewaffneten Protest in der US-Hauptstadt Washington planen. „Inhalte, die das Wohlergehen anderer gefährden oder zu Gewalt oder anderen gesetzlosen Handlungen anregen sollen, waren im App Store niemals akzeptabel“, so Apple in dem Schreiben.

Als diese Frist ablief, verbannte Apple Parler dann ebenfalls bis auf Weiteres aus seinem App-Store. Die Plattform habe gegen die App-Store-Bedingungen verstoßen, hieß es in einer Nachricht von Apple an Parler, über die der Sender CNN am Samstagabend (Ortszeit) berichtete. „Die Prozesse, die Parler eingerichtet hat, um die Verbreitung von gefährlichen und illegalen Inhalten zu moderieren oder zu verhindern, haben sich als unzureichend erwiesen“, bemängelte Apple. Insbesondere habe man weiterhin direkte Gewaltandrohungen und Aufrufe zur Anstiftung zu gesetzwidrigen Handlungen gefunden, die gegen die Richtlinien verstießen. Parler sei aus dem App Store entfernt worden, bis die Probleme gelöst seien.

Danach reagierte am späten Samstag auch Amazon und kündigte an, das soziale Netzwerk von seinen Amazon Web Services (AWS) ab Sonntag 23.59 Uhr auszuschließen. Ab dann werde man dem Nachrichtendienst als Webhost nicht mehr zur Verfügung stehen.

Parler Geschäftsführer Matze kritisierte auf seiner Plattform laut CNN, Apple werde Parler verbieten, „bis wir die freie Meinungsäußerung aufgeben, breite und invasive Richtlinien wie Twitter und Facebook einführen und wir eine Überwachungsplattform werden“. Parler wehrt sich derzeit mit einer Klage gegen Amazon und argumentierte, die Entscheidung des Technologiekonzerns sei politisch motiviert. Amazon greife mit seinem Vorgehen in den Wettbewerb zwischen Parler und Twitter ein und verstoße damit gegen US-Kartellrecht. Amazon wies auch das am Donnerstag zurück und betonte, dass Parler keine Verletzung der Wettbewerbsregeln nachweisen könne.

US-Medienberichten zufolge wurden die gewalttätigen Proteste von Trump-Anhängern am Mittwoch, die in der Erstürmung des Kapitols in Washington gipfelten, maßgeblich über Apps wie Parler organisiert. Auch Jennifer Grygiel, Kommunikationswissenschaftlerin und Expertin für soziale Medien an der Syracuse University, sah die Ereignisse am Kapitol als direkte Folge von Trumps Nutzung von Online-Plattformen für die Verbreitung von Propaganda und Falschinformationen. Die sozialen Medien seien darin verwickelt, weil Trump wiederholt soziale Medien genutzt habe, um Gewalt zu schüren. Auf Twitter zumindest hat dies nun dauerhaft ein Ende.

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Mit Material von AP, dpa und Reuters