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Wie Paketshops unter dem Weihnachtsstress leiden

Tausende Weihnachtspakete landen nicht etwa vor unserer Haustür, sondern in Paketshops. Die Besitzer bekommen oft den Frust der Kunden ab. Dabei stehen sie selbst unter dem Druck der Paketdienste.

Die meisten Kunden von Lasse Winter sind gebildet, gut belesen und genauso gut situiert. Sie kommen zu Winter, um Wein bei ihm zu kaufen, den guten, ab 20 Euro die Flasche und aufwärts. Manche geben 2000 Euro mit einem Einkauf aus.

Seit Mai aber schauen immer wieder Menschen vorbei, die lieber Bier als Wein trinken, und 2000 Euro höchstens für einen Gebrauchtwagen oder vielleicht noch für einen Urlaub ausgeben würden. Sie fragen dann nach, ob ihr Paket bei Lasse Winter ist.

Winter heißt eigentlich anders. Seinen Namen möchte er nicht gedruckt sehen, er will den Ruf seines Weinladens nicht schädigen, oder sich Ärger mit den Paketdiensten einhandeln. Seit sechs Monaten betreibt Winters einen Paketshop. Glücklich ist er damit nicht. Vor allem nicht jetzt, zur Weihnachtszeit.

In den Wochen vor dem Fest bestellen und versenden die Deutschen mehr Pakete als an jedem anderen Tag. Bis zu 15 Millionen Sendungen müssen die Paketboten an den Spitzentagen zu stellen – das ist fast doppelt so viel wie an einem durchschnittlichen Tag. Doch wenn die Boten an der Haustüre weder Empfänger noch Nachbarn antreffen, landen die potenziellen Weihnachtsgeschenke meist in den Paketshops.

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Für die Paketshops ist Weihnachten eine Zusatz-Belastung

Für Betreiber wie Lasse Winters bedeutet das eine zusätzliche Belastung. Rund um die Uhr müssen sie Kartons aus ihren Lagern fischen, sich Ausweise vorzeigen und Unterschriften einsammeln. Und das nur nebenbei, in den Pausen, wenn sie sich gerade nicht um ihre echten Kunden kümmern sollen, die gerade ein Buch oder wie bei Winter eine Flasche Wein kaufen sollen.

Denn aus Sicht von DHL, Hermes und Co ist der Paketshop nur eine „Marketingmaßnahme zur Unterstützung ihres Hauptgeschäfts.“ Übersetzt heißt das: Die Betreiber sollen gar nicht mit den Paketen ihr Geld verdienen, sondern mit den zusätzlichen Kunden, die in ihren Laden kommen. Wer seine Lieferung abholt, nimmt vielleicht noch einen Schokoriegel, Zigaretten oder die Abendlektüre mit.

Doch besonders im Weihnachtsstress, eingekeilt zwischen Paketen, verärgerten Kunden und überlasteten Paketdiensten, stellen sich viele Betreiber die Frage: Geht diese Kalkulation auf? Ist diese Allianz tatsächlich gerecht? Oder schade ich meinem Geschäft nicht vielleicht sogar noch?

Die Paketshops sind mittlerweile eine tragende Säule des deutschen Onlinehandels. Es gibt Paketshops in Kiosks, in Supermarkt-Filialen, in Tankstellen und bei Bücherläden. Die Deutsche Post hat etwa testet eine Kooperation mit Rewe, insgesamt betreibt sie 27.000 Filialen und Paketshops, beim größten Konkurrenz Hermes sind es 14.000. Beide wollen in Zukunft noch ausbauen, bis 2020 will Hermes 20.000 Paketshops in den deutschen Innenstädten eröffnet haben.

Damit versuchen die Paketdienste, dem immensen Wachstum des Onlinehandels nachzukommen. Sie haben unterschätzt, wie viel die Deutschen im Internet bestellen und wie viele Pakete sie ausliefern müssen, gerade zu Weihnachten. Drei Milliarden Sendungen haben die Paket- und Kurierdienste im vergangenen Jahr ausgeteilt, bis 2021 soll noch eine Milliarde dazukommen, prognostiziert der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK).

Doch der Markt gerät an seine Grenzen. Es fehlt an Kapazitäten in den Sortierzentren, aber vor allem an Personal. Das steigert die Bedeutung der Paketshops nur noch.

Für die Paketdienste sind die Shops die bequemste und effizienteste Art und Weise, Pakete zuzustellen. Die Unternehmen müssen sich nicht selbst um Lagerraum oder Mitarbeiter kümmern und vor allem müssen die Zusteller nicht für jedes Paket extra anhalten. Das macht die sogenannte letzte Meile bis zur Haustür des Kunden so teuer.

„Wenn der Trend so weitergeht, dann wäre es denkbar, dass die Entwicklung der Branche irgendwann dahin geht, nicht alle Pakete selbstverständlich an die Haustüre zu bringen“, sagt etwa Boris Winkelmann, Chef des Paketdienstes DPD. „Die Zustellung an die Haustür muss angesichts des hohen Aufwandes teurer werden“, fordert Frank Rausch, Geschäftsführer bei Hermes in Deutschland. „Die Abholung von Sendungen direkt vom Paketshop oder vom Paketkasten wird hingegen weiter an Bedeutung gewinnen.“


40 Cent pro Paket – auch im Weihnachtsstress

Das weiß auch Herbert Millmann. Millmann ist ein Fachexperte für Paketshops und Postfilialen, viele Jahre hat er selbst solche Shops betrieben. Heute ist er Vorstand im Postagenturverband Deutschland, in dem sich Betreiber von Postfilialen organisiert haben.

„Weihnachten ist unsere Hauptkampfzeit“, sagt Millmann. In den Wochen vor dem Fest laufen bei den Postagenturen jeden Tag zwischen 50 und 100 Prozent mehr Pakete ein als an einem durchschnittlichen Tag, sagt er. „Das hängt auch von Standort und Größe der Filiale ab.“

Das Doppelte an Paketen? Für die Agenturbetreiber bedeutet das auch doppelte Arbeit. Rund 40 Cent erhalten sie pro Paket, das der Empfänger in den Filialen abholen soll, von DHL. Die Konkurrenten Hermes, DPD und Co zahlen ähnliche Preise. Einen Zuschlag für den zusätzlichen Weihnachtsaufwand gäbe es aber nicht, sagt Millmann.

Und das ist für viele Betreiber ein Problem. Die Paketdienste heuern zur Hauptsaison zusätzliche Arbeitskräfte und Fahrzeuge an. Alleine die Deutsche Post sucht dieses Jahr 10.000 Aushilfen für ihr Weihnachtsgeschäft. Die kleineren Konkurrenten Hermes, DPD, GLS und UPS suchen gemeinsam nach rund 13.000 Arbeitskräften. Die meisten arbeiten als Paketboten. „Auch wir bräuchten zusätzliche Mitarbeiter“, sagt Millmann. „Aber bei 40 Cent je Paket? Davon kann man keinen Mindestlohn zahlen.“

Zweifel schon bei Vertragsabschluss

Bei vielen Agenturnehmern herrsche deshalb Frust, sagt Millmann. Und nicht nur dort, auch bei den Kunden steigt immer wieder der Ärger hoch. „Das große Problem für unsere Agenturen ist, für die Kunden sind wir die Post“, sagt Millmann. Dass die gelben Filialen dem Konzern nicht gehören und auch die Mitarbeiter deshalb nur begrenzt Auskunft über die Richtlinien und Praktiken der Post und ihrer Boten geben können, sei den Verbrauchern kaum klar.

Es ist keine bequeme Position, einen Paketshop zu betreiben. Das hat auch Lasse Winter gelernt. Für den Weinhändler begannen die Zweifel schon bei Vertragsabschluss.

Winter ist Kooperationspartner des Hamburger Paketdienstes Hermes, einer Tochter des Versandhauses Otto. Das Unternehmen war das erste, was in Deutschland ein Netz aus Paketshops aufbaute. Ginge es nach Hermes, hätte Winter normalerweise über die gesamte Schaufensterlänge seines Ladens Werbung für Hermes aufkleben müssen. Das kam für ihn aber nicht in Frage, da die Filiale und auch seine eigene Schaufensterwerbung weinrot gefärbt sind. Das Hermes-blau und das weinrot beißen sich. Schließlich konnte er sich mit Hermes einigen, dass lediglich an der Eingangstür Hermes-Werbung angebracht wurde.

In anderen Fragen ließen sich so leicht keine Kompromisse finden. Zum Beispiel bei der Frage, wie Weinhändler Winters besser von seinen Paketkunden profitieren kann. „Es ist kaum einer gekommen, der bei der Gelegenheit noch eine Flasche Wein für 20 bis 100 Euro gekauft hat“, sagt er. Stattdessen störten die Abholer eher die reguläre Kundschaft. „Es kam nicht wirklich gut an, wenn wir Kunden hatten, die für 3000 bis 4000 Euro Wein kaufen wollten und in der Zwischenzeit Kunden rein platzten, um ihr Paket abzuholen“, sagt Winter. Er hat seinen Vertrag mit Hermes nun gekündigt. „Die 160 bis 180 Euro im Monat können wir verschmerzen“, sagt er. Die Kündigungsfrist sei bereits angelaufen.

Gerne würde Winter schon vorher aus dem Vertrag aussteigen. Den Dezember möchte er als Paketshopbetreiber nicht unbedingt erleben.