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Ottobock-Eigentümer: „Ich habe Jens Spahn versprochen, dass ich zurück zur CDU wechsle“

Enttäuscht von der FDP will Hans Georg Näder zurück in die CDU. Als Kanzler wünscht er sich den Gesundheitsminister. Seine Firma soll 2022 an die Börse.

Aus Sicht von Hans Georg Näder ist der Bundesgesundheitsminister „der richtige Kanzlerkandidat für die Union“. Foto: dpa
Aus Sicht von Hans Georg Näder ist der Bundesgesundheitsminister „der richtige Kanzlerkandidat für die Union“. Foto: dpa

Ottobock-Eigentümer Hans Georg Näder ist enttäuscht von der FDP und von Christian Lindner als Parteichef. „Das fing an mit Jamaika, das hat er vergurkt. Dann dieses No-Go in Thüringen. Inhaltlich kommt von der FDP ebenfalls nicht viel“, sagte der Verwaltungsratschef des Prothesenherstellers dem Handelsblatt. Mittlerweile sei er ein großer Fan von Jens Spahn, aus seiner Sicht der richtige Kanzlerkandidat für die Union.

„Ich setze darauf, dass sich Jens Spahn früher oder später aus der Deckung wagen und selbst als Kanzlerkandidat antreten wird. Das wäre ein echter Generationswechsel“, so Näder. Dem Gesundheitsminister hat der Unternehmer versprochen, wieder in die CDU zurückzukehren. 2015 war er zur FDP gewechselt. Ein weiterer Grund ist Angela Merkel: „Unsere Kanzlerin hat bis jetzt wirklich ein gutes Krisenmanagement gemacht.“

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Auch zu den aktuellen Zahlen von Ottobock äußerte sich Näder. „Wir werden beim Umsatz 2020 wahrscheinlich sogar über Vorjahr liegen, auch dank kleinerer Zukäufe.“ 2019 hatte Ottobock die eine Milliarde Euro knapp übersprungen.

Beim operativen Ergebnis werde das Unternehmen „fast auf das gleiche Niveau wie im Vorjahr kommen“. Im vergangenen Jahr lag der bereinigte operative Gewinn vor Sondereffekten (EBITDA) bei 191 Millionen Euro. Vorausgesetzt es komme in den letzten zwei Monaten nicht zu weiteren harten Lockdowns in den Ländern.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Näder, zwischen uns liegen gerade mehr als 11.000 Kilometer. Wir sitzen in Düsseldorf, Sie in Punta del Este. Was machen Sie mitten in der Corona-Pandemie in Uruguay?
Wir planen, die Ottobock-Zentrale für den Südkegel, also für Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguay, von Argentinien nach Uruguay zu verlagern. Viele Unternehmen verlassen Argentinien, es herrscht Corona-Chaos. Das Land ist faktisch pleite, das Geld ist nichts mehr wert. Die Regierung ist eine Katastrophe. Viele Menschen sitzen auf der Straße und haben nichts zu essen. Keiner kann sich sicher fühlen. Unser Geschäftsführer wurde mit einer Pistole am Kopf auf offener Straße ausgeraubt. Die Zustände sind dramatisch. Es gibt aber noch einen zweiten, schönen Grund: Ich habe mir hier eine kleine Farm gekauft.

Was heißt klein?
Rund 500 Hektar, das ist in Uruguay nicht viel. Es gibt einen Hofladen, in dem ungespritztes Gemüse verkauft wird. Auf der Weide stehen mitunter 400 Hereford-Rinder, 150 Hühner, ein paar Pferde und Esel. Wenn es nach mir geht, kommen dazu noch 100 Schweine. Und ich will noch mehr in nachhaltige Landwirtschaft investieren. Einen kleinen Öko-Hof in Duderstadt und einen in der Provence betreibe ich bereits.

Um die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen in den Griff zu kriegen, verhängt die Politik im November einen Teil-Lockdown. Ist das aus Ihrer Sicht verhältnismäßig?
Das zu beantworten ist nicht leicht. Der Lockdown verlangt den Menschen eine Menge ab, physisch, psychisch und sozial. Wir sind nun einmal emotionale und soziale Wesen, die Nähe brauchen. Und wir dürfen die ältere Generation in den Pflegeheimen nicht allein lassen, das wäre unmenschlich. Alles in allem empfinde ich die Maßnahmen der Politik an sich momentan als verhältnismäßig, nur das Durcheinander der Botschaften stört mich.

Wie stark belastet die Coronakrise Ottobock?
Von Mitte März bis Mai wurden zwar viele OPs verschoben, darunter auch Amputationen. Wir mussten die Versorgung von Patienten mit Prothesen oder Rollstühlen fast gänzlich runterfahren. Das war aber ein Stau, der sich danach wieder weitgehend aufgelöst hat.

Was heißt das für die Zahlen in diesem Jahr?
Wir werden beim Umsatz 2020 wahrscheinlich sogar über Vorjahr liegen, auch dank kleinerer Zukäufe. 2019 haben wir ja die eine Milliarde Euro übersprungen. Und beim operativen Ergebnis werden wir fast auf das gleiche Niveau wie im Vorjahr kommen. Wenn es in den letzten zwei Monaten nicht zu weiteren harten Lockdowns in den Ländern kommt, was leider aktuell so aussieht. So oder so werden wir im nächsten Jahr noch einige Pleiten sehen, von den psychosozialen Schäden bei den Menschen einmal ganz abgesehen.

„Die Bevölkerung braucht klare Ansagen“

Was genau meinen Sie?
Mir fällt auf, dass die Leute in Berlin immer aggressiver werden. Ich habe es noch nie erlebt, dass sich Autofahrer in der Stadt wegen eines Parkplatzes so angehen. Oder denken Sie an Großfamilien, die in Berlin-Marzahn im fünften Stock auf engstem Raum zusammenhocken. Da ist doch klar, dass das Stresslevel steigt und die häusliche Gewalt zunimmt. Oder schauen Sie auf all die Soloselbstständigen, die kein Geld auf dem Konto haben. Mein Freund Peter Maffay hat mir letztens noch erzählt, dass seine Band und alle Techniker nichts verdienen. Null.

Wobei es jetzt weitere Finanzhilfen für Soloselbstständige geben soll.
Warten wir mal ab, wann und wie sie fließen. Die Differenzen zwischen Bund und Ländern sind doch der pure Wahnsinn. Was war das denn für ein Durcheinander beim Beherbergungsverbot? Die Bevölkerung braucht klare Ansagen.

Die jüngsten Corona-Beschlüsse haben alle Ministerpräsidenten mitgetragen.
Ja, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Ministerpräsidenten Angela Merkel früher gefolgt wären. Unsere Kanzlerin hat bis jetzt wirklich ein gutes Krisenmanagement gemacht.

Ist das ein Grund, wieder in die CDU einzutreten? Sie sind ja 2015 zur FDP gewechselt.
Definitiv. Ich habe Jens Spahn versprochen, dass ich zurück zur CDU wechsle – und werde mein Versprechen halten.

Sind Sie enttäuscht von der FDP?
Ja, ich bin enttäuscht von der FDP und von Christian Lindner als Parteichef. Wie viele Unternehmer. Das fing an mit Jamaika, das hat er vergurkt. Dann dieses No-Go in Thüringen ...

... wo sich der FDP-Fraktionschef mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ.
Genau. Inhaltlich kommt von der FDP ebenfalls nicht viel. Mittlerweile bin ich ein großer Fan von Jens Spahn, der sich in der Pandemie bewährt hat. Er ist aus meiner Sicht der richtige Kanzlerkandidat für die Union.

Dafür müsste er aber das Bündnis mit Armin Laschet auflösen.
Ich setze darauf, dass sich Jens Spahn früher oder später aus der Deckung wagen und selbst als Kanzlerkandidat antreten wird. Das wäre ein echter Generationswechsel.

Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen sind für Sie also keine Alternative?
Armin Laschet und Norbert Röttgen sind für mich definitiv keine geeigneten Kanzlerkandidaten. Und Friedrich Merz sehe ich eher als Minister, als Superminister für Wirtschaft und Finanzen ist er die perfekte Besetzung.

Trotz seiner heftig kritisierten Inszenierung als Kandidat gegen das „Partei-Establishment“?
Ach ja, so ein Getöse im Wahlkampf würde ich nicht so ernst nehmen.

Und Markus Söder?
Ein versierter Politiker, keine Frage. Mein Vater Max hat Franz Josef Strauß geschätzt und war trotzdem sicher: Ein Bayer wird niemals Bundeskanzler.

Wie blicken Sie auf die US-Wahl?
Dieser Wahl fiebere ich entgegen. Joe Biden reißt mich nicht vom Hocker, aber er ist mein Favorit. Die USA sind gespaltener denn je, das spüre ich bei jedem Besuch. Als Unternehmen sind wir dort seit den 1960er-Jahren zu Hause, es ist unser größter Markt. Ich wünsche mir sehr, dass dieses Land die Gräben überwindet und wieder seine natürliche internationale Führungsrolle einnimmt.

Aber Sie selbst wollen nicht in die Politik?
Ich? Um Gottes willen, nein. Aber ich interessiere mich sehr für Politik und Wirtschaft. Jeden Morgen bei der ersten Kanne Kaffee ackere ich mehrere Zeitungen durch. Und wenn ich etwas Interessantes finde, dann reiße ich es raus, lasse es einscannen und digital verteilen.

„In Corona-Zeiten pushen wir das digitale Arbeiten“

Das klingt ziemlich analog?
Das stimmt, auch wenn ich inzwischen ein paar Titel digital lese – beim Wissensmanagement halte ich es noch wie mein Vater und Großvater. Bei Ottobock habe ich vor Jahren damit begonnen, die Branche und das Handwerk zu digitalisieren. Gegen viele Widerstände. Wir haben zum Beispiel in den orthopädischen Werkstätten schon früh die Patienten gescannt, Designs am Computer entwickelt und Prothesenschäfte im 3D-Drucker gedruckt. In Corona-Zeiten pushen wir das digitale Arbeiten. Ich bin mal gespannt, wie viele Bürorückkehrer es am Ende des Tages überhaupt geben wird.

Womit kalkulieren Sie bei Ottobock?
Wir rechnen damit, dass bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit aus dem Homeoffice oder von wo auch immer in der Welt erledigt werden.

Sie haben 2012 das denkmalgeschützte Bötzow-Areal in Berlin gekauft und bauen es systematisch aus. Zerschießt der Homeoffice-Trend nun Ihre Pläne?
Gott sei Dank fangen wir mit den beiden Neubauten erst 2022 an. Wir schauen uns die Nutzung der Flächen jetzt genau an. Und haben schon überlegt, ob wir statt Büros lieber Mikroapartments oder Coworking-Spaces machen. Obwohl ich sagen muss: Wir Menschen sind ja für Begegnungen konstruiert. Das In-die-Augen-Schauen bleibt wichtig.

Sie hatten ursprünglich für dieses Jahr einen Börsengang angepeilt. Gibt es neue Pläne?
Wir machen Ottobock jetzt so weit fit, dass wir Mitte 2022 bereit für einen möglichen Börsengang sind. EQT kann dann ihren 20-prozentigen Anteil platzieren und meine Familie bis zu zehn Prozent.

Zuletzt gab es Berichte, der Investor EQT wolle lieber heute als morgen bei Ottobock aussteigen. Auch, weil die Zahlen in den letzten Jahren hinter den Erwartungen gelegen hätten. Stimmt das?
Das ist Quatsch! Nichts an den Berichten trifft zu. Wir sind juristisch dagegen vorgegangen, mit Erfolg. Richtig ist: EQT und die Familie Näder arbeiten seit August 2017 eng und vertrauensvoll zusammen. Wir ergänzen uns sehr gut und sind erfolgreich. Ottobock entwickelt sich dynamisch und übertrifft die gemeinsamen Erwartungen.

Es wird auch spekuliert, der von der US-Wettbewerbsbehörde FTC untersagte Zukauf des amerikanischen Konkurrenten Freedom Innovations würde noch mehr Abschreibungen nach sich ziehen. Sie hatten FI im Jahr 2017 für 71,5 Millionen Euro übernommen.
Wir haben uns mit dem französischen Orthopädietechnikspezialisten Proteor SAS auf einen Verkauf wesentlicher Teile von Freedom Innovations geeinigt. Damit kommen wir den Auflagen der FTC nach. Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Jahresende die Genehmigung bekommen. Insofern sind aus heutiger Sicht keine weiteren Wertberichtigungen notwendig.

Oft gibt es von Familienunternehmen Vorbehalte, Investoren hereinzuholen oder Teile an die Börse zu bringen. Dabei könnte es gerade in dieser schnelllebigen und unsicheren Zeit helfen.
Einige Familienunternehmer sind sehr wertkonservativ. Dazu gehöre ich nicht – und meine Familie behält ja die Mehrheit der Stimmrechte. Über Bankkredite hätten wir nie so wachsen können. Ich orientiere mich an börsennotierten Firmen wie Sartorius und Symrise, zu deren CEOs ich engen Kontakt halte und die ebenfalls aus Südniedersachsen kommen.

Sartorius und Symrise wären Dax-Kandidaten, wenn dieser von 30 auf 40 Unternehmen erweitert werden sollte. Gehören sie dorthin?
Auf jeden Fall. Das sind zwei erfolgreiche Life-Science-Unternehmen. Ich bin generell ein großer Fan der Dax-Erweiterung. Vielleicht ist Ottobock ja in zehn oder 20 Jahren mit dabei?

Aber nicht mit einer Ihrer Töchter an der Spitze, oder?
Wir sind beim Thema Nachfolge schon recht weit. Meine jüngere Tochter Georgia macht gerade ihren Master und sitzt mit ihren 23 Jahren schon für die Familie im Aufsichtsrat von Ottobock. Ich hoffe, dass sie irgendwann meine Nachfolge an der Spitze des Verwaltungsrats übernimmt und das operative Geschäft weiterhin Philipp Schulte-Noelle führt.

Manch andere hadern mit der Nachfolge.
Ja, wir sehen gerade, wie viel Streit es da gibt. Das ist oft ein richtiges Drama. Wobei es bei uns einfacher ist, weil wir keine Hundertschaft von Gesellschaftern haben. Auch der Übergang von mir zu Philipp Schulte-Noelle als familienfremdem CEO hat gut geklappt.

Aber der erste Anlauf ist schiefgegangen, Oliver Scheel musste Ottobock nach nicht einmal zwölf Monaten als CEO Ende 2018 schon wieder verlassen.
Es hat kulturell nicht gepasst. Das passiert.

„Ich genieße es, das Tagesgeschäft nicht mehr im Nacken zu haben“

Fällt es Ihnen schwer, loszulassen?
Schon, aber ich habe 30 Jahre ordentlich geackert. Ich genieße es, das Tagesgeschäft nicht mehr im Nacken zu haben. Jetzt kann ich mich Zukunftsthemen wie der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, Exoskeletten oder Robotik widmen. Und ich beteilige mich gern an spannenden Tech-Start-ups, die auch Ottobock weiterbringen.

Was treibt Sie an?
Neugierde. Ein gutes Beispiel ist Calistair. Ich bin vor fünf Jahren auf das französische Start-up aufmerksam geworden, heute gehören mir 75 Prozent. Es hat ursprünglich eine innovative Technologie zur Dekontamination der Luft entwickelt. Bisher wurden nur große Anlagen gebaut, besonders für Krankenhäuser. Ich habe dann zwei versierte frühere Ottobock-Manager, den ehemaligen Fertigungschef und den früheren Leiter der Prothesen-Prototypen, an Bord geholt, um mit Calistair ein kleineres Gerät für den Haus- und Bürogebrauch zu entwickeln, dass zudem Coronaviren effizient und gefahrlos zerstört. Und nun wollen wir in Kooperation mit anderen Unternehmern und Betrieben aus Duderstadt bis Ende des Jahres alle Kindergärten und Schulklassen vor Ort mit diesen Geräten ausstatten.

Sie besitzen auch eine Werft und streiten seit Langem mit dem Unternehmer Otto Happel wegen angeblicher Baumängel an einer Luxusjacht. Hat das bald mal ein Ende?
Das wäre schön, aber schauen wir mal. Die Forderungen sind leider überzogen. Ich konzentriere mich, was Baltic Yachts angeht, auf Innovationen – auf den Bau einer neuen komplett nachhaltigen Jacht aus Flachs. Sie ist mit Nano-Solarzellen überzogen und bekommt statt eines Schiffsdiesels einen Elektroantrieb, der später auch auf Wasserstoff umgerüstet werden kann. Die wird wohl nächstes Jahr fertig.

Dann kann Greta Thunberg damit vielleicht ja bald den Atlantik überqueren?
Das kann sie gern tun. Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Und wir haben in Deutschland, zum Beispiel bei Solar- oder Windkraft-Technologien, viel zu bieten. Wenn die Politik das erkennt, dann können wir neue Arbeitsplätze schaffen, die unter anderem in der Autoindustrie wegfallen. Vielleicht treibt ja eine schwarz-grüne Bundesregierung, sollten wir eine bekommen, eine soziale und zugleich nachhaltige Marktwirtschaft noch stärker voran.

Glauben Sie an eine Koalition aus Union und den Grünen?
Ich kann mir das gut vorstellen.
Herr Näder, vielen Dank für das Interview.