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Orban findet Nische für Ungarn als Deutschlands Waffenschmiede

(Bloomberg) -- Viktor Orban hat sich zuletzt als Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine hervorgetan und Deutschland Kontra gegeben, als es darum ging, Panzer nach Kiew zu schicken. Doch zugleich findet der ungarische Rechtspolitiker nichts dabei, sich als verlängerte Werkbank der deutschen Rüstungsindustrie anzudienen, wenn sein Land dadurch von der jüngsten europäischen Wachstumsbranche profitiert. Morgens Berlin zu nerven und abends deutsche Waffenschmieden zu umgarnen, geht sich für den pannonischen Rechtsaußen locker aus.

Weitere Artikel von Bloomberg auf Deutsch:

So baut die Düsseldorfer Rheinmetall derzeit im westlichen Ungarn drei neue Fabriken zur Produktion von Panzern, Munition und Sprengstoff. Sie gehen zwar auf Aufträge zur Modernisierung des magyarischen Militärs zurück, die bereits vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine erteilt wurden. Aber in der neuen geopolitischen Lage, die durch den Krieg entstanden ist, bilden sie auch den Grundstein für eine aufkeimende ungarische Verteidigungsindustrie, auf deren Exportpotenzial Orban große Hoffnungen setzt.

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Es wäre nicht das erste Mal, dass Ungarn sich an die deutsche Industrie ankoppelt. Als Blaupause könnte die Autoindustrie des Landes dienen. Die Werke von Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen sind ein Eckpfeiler der lokalen Wirtschaft geworden. Und die Regierung in Budapest hätte auch nichts dagegen, wenn die Investitionen auch die politischen Beziehungen zu Berlin verbessern würden. Schließlich kämpft Orban derzeit um Finanzmittel in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro, die von der Europäischen Union wegen Zweifeln an der ungarischen Rechtsstaatlichkeit eingefroren wurden.

“Die Verteidigungsindustrie wird unserem Wirtschaftsmotor einen weiteren Zylinder hinzufügen, ähnlich dem, was wir bereits in anderen Bereichen der Wirtschaft erreicht haben, wie der Automobilindustrie”, sagte Verteidigungsminister Kristof Szalay-Bobrovniczky in einem Interview in Budapest. “Ich hoffe nur, dass dies die deutsch-ungarischen Beziehungen noch weiter verbessert.”

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn waren in den letzten Jahren in vielen Bereichen angespannt — vom EU-Haushalt über die Rechte von LGBTQ-Personen bis hin zur Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und Orbans Nähe zu Wladimir Putin. Abseits des politischen Geschehens ist die Annäherung zwischen dem ungarischen Premier und deutschen Wirtschaftsführern jedoch immer enger geworden.

Seit Orbans Rückkehr an die Macht im Jahr 2010 sind die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen — lange Zeit die größten ausländischen Arbeitgeber im Land zwischen Österreich und der Ukraine — weiter angestiegen.

Sorgen über die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit unter Orbans Führung und die wuchernde Korruption — Ungarn ist bei Transparency International Schlusslicht der 27 EU-Mitgliedsländer — haben dem keinen Abbruch getan. Im vergangenen Jahr, just als die EU Ungarn den Finanzierungshahn zudrehte, sagten Mercedes und BMW ihre Beteiligung an Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Euro zu.

Rheinmetall investiert nach eigenen Angaben einen “dreistelligen Millionenbetrag” in Ungarn. Die Errichtung von Fabriken in jenen Ländern, die Aufträge erteilen, ist zwar nicht ungewöhnlich. Speziell ist am Fall Ungarn aber, dass Rheinmetall ein Joint Venture mit dem Staat eingegangen ist. Orban hat die Fabriken mit einer ungenannten Summe mitfinanziert. In einem der drei Werke wird der Schützenpanzer Lynx produziert, von dem Ungarn 218 Stück bestellt hat.

Für den Hersteller des bekannten Kampfpanzers Leopard ist die Bedeutung eines Marktes nicht nur am Auftragsvolumen zu messen. “Die Bereitschaft beider Seiten, gemeinsam eine langfristige Strategie und Partnerschaft zu entwickeln, ist ebenso wichtig”, erklärte Rheinmetall gegenüber Bloomberg.

Ironischerweise könnten auf diesem Wege am Ende sogar Waffen für die Ukraine in Ungarn gebaut werden. Rheinmetall plant, die nächste Panzergeneration, den Panther, “in 15 bis 18 Monaten” nach Kiew zu liefern, sagte Vorstandschef Armin Papperger kürzlich dem Handelsblatt. Die Panzer könnten in Deutschland oder Ungarn gefertigt werden, sagte er.

Bundeskanzler Olaf Scholz wäre es wegen der damit verbundenen Arbeitsplätze lieber, wenn Rheinmetall seine neuen Fabriken in Deutschland bauen würde und nicht in Ungarn, heißt es im Kanzleramt. Wie zu hören ist, wollen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende Regierungsvertreter mit Papperger die Beschaffung von Waffen und Munition besprechen. Entscheidend sei freilich, dass die Produktion schnell hochgefahren wird und die Waffen in der EU produziert werden, auch wenn es am Ende Ungarn wird.

Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel galt in Brüssel jahrelang als diejenige, die den ungarischen Nationalisten vor einer strengeren Behandlung der EU abschirmte, obwohl Orban offen mit der Demontage liberaler demokratischer Institutionen begann. Im Gegensatz dazu hat sich Scholz für harte finanzielle Sanktionen der EU gegen Orbans Regierung eingesetzt.

Das eigentliche Druckmittel sei jedoch die Industrie, so Tamas Varga Csiki von der Budapester Universität für den Öffentlichen Dienst. “Am Ende des Tages sind deutsche Politiker glücklich, wenn ihre Unternehmen glücklich sind”, sagte er. “Wie die Autoindustrie wird auch die Rüstungsindustrie eine Art Versicherung sein, um zu verhindern, dass politische Differenzen die deutsch-ungarischen Beziehungen grundlegend untergraben.”

Für Rheinmetall bietet das ungarische Modell eine Teilfinanzierung durch den Staat, der die Kosten für den Bau der Werke übernimmt und im Gegenzug eine Gewinnbeteiligung erhält. Schon drängt der Konzern auf ähnliche Abkommen in Deutschland, berichten mit der Situation vertraute Personen.

Papperger habe etwa ventiliert, dass eine neue Munitionspulverfabrik in Ungarn statt in Sachsen angesiedelt werden könne, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. In der Ampelkoalition stößt er damit bislang auf wenig Begeisterung, wie zu hören ist. Die Gespräche seien allerdings noch im Fluss.

Vorerst soll die Herstellung des Schützenpanzers Lynx in der westungarischen Stadt Zalaegerszeg im Juli in Serie gehen. Die beiden anderen Werke in der Stadt Varpalota sollen ab 2024 Munition im Kaliber 30 Millimeter für den Lynx produzieren. Darüber hinaus ist die Produktion von Geschossen für den Kampfpanzer Leopard 2 und für die Panzerhaubitze 2000 geplant, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat.

Ungarns Aufstieg zum Waffenlieferanten könnte Orban irgendwann vor das politische Dilemma stellen, wie er sich zu Waffenlieferungen an die Ukraine verhält. Die ersten Jahre der Produktion in den drei Rheinmetall-Werken werden für die ungarischen Aufträge verwendet, sagte Szalay-Bobrovniczky in dem Interview. Er lehnte es ab, über die Zeit danach zu spekulieren.

Die Bedeutung Ungarns für Rheinmetall könnte jedenfalls auch nach dem Krieg im Nachbarland Ukraine bleiben. Die in Ungarn produzierten Waffen fallen unter weniger strenge Exportregeln und weniger öffentliche Aufmerksamkeit als in Deutschland, so Csiki.

“Niemand wird vor dem Parlament in Budapest protestieren, wenn die hier produzierten Waffen in einem Konfliktgebiet landen”, sagte er.

Überschrift des Artikels im Original:

Europe’s Rebel Leader Woos Germany to Profit From Arms Race

(Wiederholung vom Samstag)

©2023 Bloomberg L.P.