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Operation Rollback: Amerikas Kampfansage an Huawei

Die USA kündigen auf der Sicherheitskonferenz eine industriepolitische Offensive an, um chinesische Netzwerktechnologie aus westlichen Märkten zu verdrängen.

Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, hat am zweiten Tag der 56. Münchner Sicherheitskonferenz seine Rede gehalten. Der Staatschef setzt auf die Vision eines strahlenden Europas. Foto: dpa
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, hat am zweiten Tag der 56. Münchner Sicherheitskonferenz seine Rede gehalten. Der Staatschef setzt auf die Vision eines strahlenden Europas. Foto: dpa

In der 5G-Debatte haben sich die USA lange darauf beschränkt, Nein zu sagen: Nein zu Huawei und anderen „Hochrisiko-Anbietern“, Nein zur Zusammenarbeit mit China beim Aufbau der Infrastruktur der digitalen Zukunft. Aber Nein-Sagen reicht nicht, wenn demokratische Staaten bei der Digitalisierung mithalten wollen, das hat die Regierung in Washington inzwischen erkannt.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz kündigten die USA eine industriepolitische Offensive an, um die Wettbewerbskraft westlicher Netzausrüster gegen den Marktführer Huawei zu stärken. Die Amerikaner haben die Entwicklung von 5G verschlafen, wie sie hinter vorgehaltener Hand selbst einräumen. Diesen Rückstand wollen sie jetzt aufholen – in enger Zusammenarbeit mit Europa.

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Noch nie stand die Technologiepolitik in München so stark im Fokus wie in diesem Jahr. Die 5G-Debatte ist zum Kristallisationspunkt der geopolitischen Auseinandersetzung der USA mit dem aufstrebenden Rivalen China geworden. Was die Amerikaner in München skizzierten, war nichts anderes als eine Rollback-Strategie fürs Digitalzeitalter.

Die 5G-Initiative der USA wird nicht nur von Donald Trump und seinen republikanischen Parteifreunden vorangetrieben, sondern auch von den Demokraten im Kongress. Lindsey Graham, einer der führenden Republikaner im Senat, formulierte es so: Die demokratische Oppositionsführerin Nancy Pelosi und US-Präsident Donald Trump hätten „politisch nichts gemein“. Aber in der Huawei-Frage seien sich beide völlig einig.

Tatsächlich waren Pelosis Worte zu 5G-Debatte von einer Schärfe, die in Europa gemeinhin nur der Trump-Regierung zugeschrieben wird. Die Entscheidung für oder gegen Huawei-Technologie bedeute eine Wahl zwischen „Autoritarismus und Demokratie“, mahnte sie. Amerika und Europa müssten mit einer gemeinsamen industriepolitischen Anstrengung eine „Internationalisierung der digitalen Infrastruktur vorantreiben, die die Autokratie nicht stärkt“.

Bei der Verlegung des neuen Fundaments der Digitalwirtschaft dürfe es keine Kompromisse geben: Das war die zentrale Botschaft der US-Delegation. Sowohl Außenminister Mike Pompeo als auch Pentagon-Chef Mark Esper stellten klar, was das bedeutet: keine chinesischen Komponenten im 5G Netz.

„Wenn es uns nicht gelingt, bei 5G Einigkeit zu erreichen, wird das unsere zukünftige Zusammenarbeit beeinträchtigen, auch die militärische“, sagte der frühere amerikanische Spitzendiplomat Nicholas Burns, der heute in Harvard lehrt und ein überzeugter Transatlantiker ist, dem Handelsblatt. Für Verteidigungsminister Esper steht sogar die Zukunft der Nato auf dem Spiel. „Wenn wir die Bedrohung nicht verstehen und deshalb nichts dagegen tun“, sagte er, „könnte sie letztlich das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte, die Nato, gefährden.“

Aus der Luft gegriffen sind die amerikanischen Sorgen nicht: Chinas Präsident Xi Jinping hat das Ziel ausgegeben, den Cyberraum zu dominieren. Die Förderung chinesischer Technologiekonzerne spielt dabei eine wichtige Rolle. Huawei weist den Vorwurf, als Instrument der Machtambitionen des chinesischen Regimes zu dienen, allerdings als abwegig zurück.

Der Konzern bestreitet, dass er im Ausland den chinesischen Sicherheitsgesetzen unterliegt, die ihn zur Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten der Volksrepublik zwingen. Huawei ist zum Marktführer im Bereich der Netzwerktechnologie aufgestiegen - auch in Deutschland. Die Mobilfunknetze der drei großen deutschen Telekommunikationsanbieter, Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica, beruhen maßgeblich auf Huawei-Komponenten. Auch beim Aufbau des neuen 5G-Netzes arbeiten die drei Unternehmen mit den Chinesen zusammen.

Offensive in zwei Schritten

Die Technologie-Offensive, mit der die USA Huawei nun zurückdrängen wollen, besteht aus zwei Phasen. Im ersten Schritt hilft Washington anderen Ländern dabei, eine Telekommunikationsinfrastruktur aufzubauen, die sich allein auf „vertrauenswürdige Anbieter“ stützt. Dazu zählen aus Sicht der USA die skandinavischen Unternehmen Ericsson und Nokia sowie der südkoreanische Samsung-Konzern.

So wollen die Amerikaner auch das bekämpfen, was sie als „Huawei-Mythos“ beschreiben: die international verbreitete und in Deutschland gerade von Telekom, Vodafone und Telefónica propagierte Überzeugung, dass sich der Aufbau des 5G-Netzes ohne Huawei-Technologie um mehrere Jahre verzögern würde.

Als Förderinstrumente für die Anschaffung westlicher 5G-Technologie will Washington die Development Finance Corporation (DFC) und die Export-Import Bank nutzen. Finanzhilfen der DFC richten sich an Entwicklungsländer. Für Kredite der Export-Import Bank kommen auch Schwellenländer und Staaten mit mittlerem Einkommensniveau infrage, es müssen allerdings auch US-Technologiefirmen gefördert werden – Cisco etwa, das in Teilsegmenten des 5G-Marktes operiert. Zugleich haben Senatoren beider Parteien einen Gesetzentwurf zur Gründung eines Investitionsfonds eingebracht, der Staaten unter die Arme greifen soll, die ein Huawei-freies 5G-Netz ausbauen wollen.

Den Chinesen werfen die Amerikaner vor, ihre Netzwerktechnologie mit marktverzerrenden Billigkrediten mit Null-Prozent-Zinsen und Laufzeiten von 20 Jahren zu fördern. Den dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteil für westliche Firmen wollen die USA nun ausgleichen. Ein direkter Einstieg der Amerikaner bei Ericsson und Nokia, wie er kürzlich von US-Justizminister William Barr lanciert wurde, steht nicht mehr auf der Agenda. „Die US-Regierung wird sich nicht direkt an Nokia und Ericsson beteiligen“, sagte Trumps Sonderbeauftragter für Telekommunikationspolitik, Robert Blair, dem Handelsblatt.

In der zweiten Phase der amerikanischen 5G-Offensive will die US-Regierung zusammen mit Software-Konzernen und Hardware-Anbietern die Technologieführerschaft im Mobilfunk zurückerobern. Auch hier betonen die USA, eng mit europäischen Anbietern zusammenarbeiten zu wollen. Dahinter steckt die Einsicht, dass 5G sein volles Potenzial erst in einigen Jahren erreichen wird, erst dann können technologische Visionen wie selbstfahrende Autos und vollautomatisierte Fabriken Wirklichkeit werden. Ein vielfältiges, westliches, wertebasiertes Ökosystem von Software und Hardware aufbauen – das ist das Ziel der Amerikaner für „die nächste Generation von 5G“ und ihr Angebot an die Europäer.

Europäer wollen technologische Eigenständigkeit

Doch die europäische Reaktion auf die amerikanischen Avancen fiel in München verhalten aus. Vorbehalte gegen Huawei gibt es zwar auch in Europa. Doch die Anti-China-Kampagne der USA geht selbst den Huawei-Kritikern in Berlin, Brüssel und Paris zu weit. Die Reaktion auf Chinas Machtambitionen dürfe nicht zu einem neuen kalten Krieg führen, hieß es.

Die Europäer setzen daher auf die Stärkung ihrer technologischen Eigenständigkeit. Das Auswärtige Amt bereitet für die zweite Jahreshälfte eine neue Initiative vor: „Wir wollen das Thema digitale Souveränität ganz vorne auf die Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft setzen“, hieß es in München in der deutschen Delegation. Die digitale Welt habe bisher zwei Pole – „ein profitmaximierendes Modell im Silicon Valley und ein repressives Modell in Peking“.

Das Auswärtige Amt fordert: „Europa muss ein eigenes, drittes Modell anbieten. Dafür müssen wir den europäischen Tech-Sektor stärken.“ Unterstützung kommt von den Grünen: „Wir brauchen eine europäische Strategie für kritische Infrastruktur und einen selbstbewussten europäischen Weg in die Digitalära“, sagte die Grünen-Chefin Annalena Baerbock dem Handelsblatt. „Es gibt wichtige Schnittmengen mit den Amerikanern, aber wir sollten eigene Standards setzen.“

Auch bei einem Frühstück von deutschen Politikern mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde das Thema 5G besprochen. Macron signalisierte seine Unterstützung für die Gründung eines europäischen 5G-Konsortiums. Auch Kanzlerin Angela Merkel, die die wirtschaftliche Kooperation mit China eigentlich vertiefen will, öffnet sich langsam für solche Bestrebungen. Vergangene Woche traf sie sich mit den Chefs von Ericsson und Nokia im Kanzleramt.

Sogar die Deutsche Telekom unterstreicht inzwischen ihre Bereitschaft, sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen. „Wir würden sehr gerne mehr Technologie von Nokia und Ericsson nutzen“, sagte Telekom-Vorstand Thomas Kremer dem Handelsblatt. „Aber wir müssen dann auch schauen, woher die beiden Unternehmen ihre Komponenten beziehen: nämlich aus China. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass auch die Zulieferteile in Europa gebaut werden.“

Die Bestrebungen, Europas Eigenständigkeit zu stärken und so nicht nur China, sondern auch die USA auf Distanz zu halten, haben damit zu tun, dass die US-Regierung auf anderen Feldern der Wirtschaftspolitik Europa als Gegner behandelt. So erhöhten die Amerikaner die Zölle auf europäische Flugzeuge am Freitag von zehn auf 15 Prozent – und verstärkten damit die europäischen Zweifel, ob ihnen an echter Kooperation überhaupt gelegen ist. „Es ist viel Vertrauen verloren gegangen“, klagen Transatlantiker wie Burns. „Deshalb fällt es uns so schwer, gemeinsam auf Chinas Machtstreben zu reagieren.“

Technologischer Niedergang in den USA

Dass die USA bisher keine eigene technologische Alternative zu Huawei haben und daher auf europäisches Know-how setzen, hat auch mit dem Niedergang der eigenen Telekomausrüster zu tun. Ende der 1990er-Jahre waren Unternehmen wie Lucent, Motorola und das kanadische Nortel die Innovations- und Marktführer. Alle drei sind inzwischen vom Markt verschwunden. Lucent wurde zunächst mit der französischen Alcatel verschmolzen und später dann an Nokia verkauft. Auch das Motorola-Geschäft für mobile Telekominfrastruktur landete bei dem finnischen Konzern, der zudem die passende Siemens-Sparte übernahm. Und Nortel musste 2009 sogar Konkurs anmelden und verkaufte die Mobilfunk-Sparte an Ericsson.

Mitverantwortlich für den Niedergang der amerikanischen Telekomausrüster war die Liberalisierung des US-Marktes Mitte der 1990er-Jahre. Das brachte die Gewinne der Markführer unter Druck, sodass Konzerne wie Lucent ihr Heil in China suchten. Dort mussten sie allerdings ihr technologisches Know-how beim Markteintritt offenlegen. Profitiert hat davon nicht zuletzt ein Unternehmen: Huawei.

Sicherheitsexperten hoben in München die Risiken von Netztechnologie made in China hervor. „Wir haben chinesische Malware in Messengern von Telekoms entdeckt: Chinesische Hacker konnten also Text-Messages mitlesen“, sagte Sandra Joyce, Spitzenmanagerin bei Fire-Eye, einem Anbieter von Schutzsystemen gegen Cyber-Angriffe, dem Handelsblatt.

Joyce verantwortet bei Fire-Eye die Analyse von Bedrohungsszenarien. Aufgefallen seien in jüngster Zeit vermehrt Versuche von chinesischen Hackern, Unternehmen in Europa auszuspähen, wenn diese für Infrastrukturaufträge in jenen Ländern bieten, durch die China seine neue Seidenstraße führen will. Es sei wohl darum gegangen, dass sich chinesische Firmen in Bieterprozessen Vorteile verschaffen wollten. Da aber die Seidenstraße zu den geopolitischen Mitteln der chinesischen Regierung zähle, würde sie für die Zukunft nicht ausschließen, dass auch die chinesische Regierung Interesse an derartigen Informationen haben könnte. „Es gibt viele Indizien für chinesische Cyberspionage“, sagte Joyce.