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Opel-Verkauf könnte Kettenreaktion auslösen

Opel-Händler und Flottenbetreiber in Europa orientieren sich wegen des wahrscheinlichen Deals mit PSA neu. Konkurrent Ford hofft auf Marktanteilsgewinne – und sucht sich GM danach einen neuen Partner in Europa?

Es ist zwar noch nicht abzusehen, ob am Ende der Gespräche zwischen General Motors und dem PSA-Konzern eine komplette Übernahme von Opel steht oder nur eine französisch-deutsche Allianz - auch nach den Ausführungen von PSA-Chef Carlos Tavares auf der Bilanzpressekonferenz des französischen Autokonzerns am Donnerstag bleiben noch viele Fragen offen.

Auswirkungen haben die Verhandlungen gleichwohl schon jetzt, erfuhr die WirtschaftsWoche aus Industriekreisen: Seit einigen Tagen klopfen demnach beispielsweise bei Ford verstärkt Opel-Händler aus ganz Europa an, die in das blaue Lager wechseln möchten. Auch große Flottenbetreiber sollen sich in Köln bereits erkundigt haben, wie schnell Ford Lieferkontingente von Opel übernehmen könnte.

Die Entwicklung der Gespräche zwischen General Motors und dem französischen PSA-Konzern über Opel werden im roten Backsteinbau im Kölner Norden, in dem seit 1998 die Europazentrale von Ford sitzt, mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Ford ist immerhin auf den gleichen Märkten aktiv wie Opel mit seiner britischen Schwestermarke Vauxhall und vor allem im Geschäft mit Personenwagen ein direkter Konkurrent. Obendrein spielen beide Marken nach Stückzahlen und Zielgruppen in der gleichen Liga: Ford setzte vergangenes Jahr in der EU fast 1,4 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ab, GM Europe (GME) verkaufte knapp 1,2 Millionen Autos.

Unter dem Strich fiel die Bilanz allerdings dramatisch unterschiedlich aus: Das Geschäftsjahr 2016 endete für Ford in Europa mit einem Rekord-Vorsteuer-Gewinn von umgerechnet über 1,13 Milliarden Euro – während bei Opel/Vauxhall erneut ein operativer Verlust von 244 Millionen Euro zu Buche schlug. Dass GM-Chefin Mary Barry beim Blick auf die lange Spur der roten Zahlen die Reißleine zog, verwundert in Köln niemanden: „Die Wallstreet ließ ihr keine Alternative.“

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Das Argument des Opel-Chefs Karl-Thomas Neumann, dass vor allem der Brexit und die darauf folgende Abwertung des britischen Pfunds die Bilanz verhagelt habe, lässt sein Kollege bei Ford nicht gelten: „Uns blies der Brexit-Wind wenigstens genauso stark in Gesicht“, sagt Europachef Jim Farley.“

Sein Unternehmen aber habe darauf schnell reagiert und drehe seitdem permanent an der Kostenschraube, um die Währungsnachteile auszugleichen. Farley: „Wir sind brutal bei den Kosten.“ Trotz einer im Vergleich zu Opel etwas älteren Produktportfolios sei Ford im Europageschäft trotz Brexit im Jahresschnitt noch auf eine operative Marge von immerhin 4,2 Prozent gekommen.

Ford hat einen ausgewogenen Modell-Mix

Geholfen hat den Kölnern dabei im abgelaufenen Jahr auch eine Verbesserung des Modellmix um renditestarke SUV und Sportwagen wie die aus USA importierten Modelle Ranger und Mustang sowie die in Saarlouis produzierten Focus ST und RS. Das größte Profitcenter war für Ford allerdings das Nutzfahrzeuggeschäft, das mit einem Absatz von rund 373.000 Fahrzeugen der Typen Transit, Tourneo und Connect ganz erheblich zum positiven Jahresergebnis beitrug: Ford Otosan in der Türkei, wo die Kleinlaster überwiegend hergestellt werden, kam 2016 laut Jahresbilanz auf eine operative Marke von 6,1 Prozent.

Opel kam in dem Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen auf deutlich niedrige Stückzahlen (98.000 Einheiten). Und trotz einer Gemeinschaftsproduktion mit Renault-Nissan in Frankreich und England sollen die Modelle Vivaro und Movano nach Brancheninformationen deutlich weniger Gewinn abwerfen – genaue Zahlen zu dem Segment veröffentlicht GM Europe nicht.

Ford erhofft sich insgeheim, von der aktuellen Schwäche von Opel profitieren zu können – laut aussprechen mag es freilich niemand. Dass GM sich nach dem Opel-Verkauf komplett aus Europa zurückzieht, ist unwahrscheinlich. Erwartet wird vielmehr, dass nach dem Verkauf von Opel der Konzern mit Chevrolet auf den Markt zurückkehrt. Möglicherweise zieht man auch die italienische Karte – und fusioniert mit Fiat Chrysler Automobiles (FCA).

2015 hatte GM eine entsprechende Initiative von FCA-Chef Sergio Marchionne noch brüsk zurückgewiesen. Doch Ford-Manager in der Konzernzentrale in Dearborn wollen wissen, dass GM neben den Verhandlungen mit PSA auch bereits Sondierungsgespräche mit FCA führt. „Eine Fusion dieses Kalibers würde den größten Autohersteller nicht nur der USA, sondern der ganzen Welt schaffen, der in Amerika beheimatet ist“, hatte Marchionne kürzlich nach einem Treffen von US-Automanagern mit Präsident Donald Trump getönt. Für den Ford-Spitzenmann hätte ein solcher Deal zumindest eine betriebswirtschaftliche Logik: „Das Europa-Geschäft von Fiat ist immerhin profitabel.“

Tatsächlich: Mit dem Verkauf von 1,3 Millionen Pkw und Transportern fuhr der amerikanisch-italienische Autokonzern 2016 in Europa einen Vorsteuer-Gewinn von 540 Millionen Euro ein – beachtliche 154 Prozent mehr als im Vorjahr. Der neue Fiat Tipo und die neue Alfa Romeo Giulia zahlten sich hier ebenso aus wie die gemeinsame Produktion der Kompakt-SUVs Jeep Renegade und Fiat 500 X im süditalienischen Melfi.

Hinzu kam eine über eine über 20-prozentige Steigerung der Lieferwagen-Verkäufe auf rund 183.000 Einheiten – Fiat Commercial war damit doppelt so erfolgreich wie das Nutzfahrzeuggeschäft von GM Europe. Viele gute Argumente Die Marken Fiat, Jeep und Alfa-Romeo stünden GM auf dem alten Kontinent sicher mindestens genauso gut zu Gesicht wie Opel und Vauxhall.

Die nächsten Wochen könnten also noch spannend werden. Nicht nur für Opel, sondern auch für die Autoindustrie insgesamt.

KONTEXT

Die Opel-Produktionsstandorte in Europa

Rüsselsheim

Am Opel-Hauptstandort arbeiten 15.040 Beschäftigte, davon gut die Hälfte im Entwicklungszentrum. Die Produktion hat rund 4000 Arbeitnehmer. Sie bauen den Mittelklassewagen Insignia in mehreren Varianten, den Zafira sowie Getriebe und Komponenten.

Quelle: rtr

Kaiserslautern

Der Standort in Rheinland-Pfalz hat 2140 Beschäftigte. Sie produzieren Motoren und Fahrwerkskomponenten.

Eisenach

In Thüringen laufen die Kleinwagen Corsa und Adam vom Band. Im Werk Eisenach arbeiten 1850 Menschen.

Polen

Im polnischen Gliwice sind knapp 3270 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bauen den Kompaktwagen Astra und das Cabrio Cascada und den Sportwagen Opel GTC. In Tychy stellen 410 Beschäftigte Motoren her.

Spanien

In Figueruelas bei Saragossa laufen Corsa, der SUV Mokka und bald auch der Stadt-SUV Crossland X vom Band. Der Standort hat 5080 Arbeitsplätze.

Großbritannien

Im Werk Ellesmere Port arbeiten 1830 Beschäftigte. Hier werden ebenfalls Astra-Modelle produziert.

Der Standort Luton nördlich von London hat 1530 Arbeitnehmer und baut den Kleintransporter Vivaro.

Österreich

Im Werk Aspern nahe Wien arbeiten 1390 Menschen. Dort werden Motoren und Getriebe hergestellt.

Ungarn

Motoren und Komponenten produziert auch die Fabrik in Szentgotthard mit 1210 Arbeitnehmern.

Italien

In Turin gibt es noch ein Zentrum zur Entwicklung von Dieselmotoren mit 700 Mitarbeitern.