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Online-Lebensmittelhandel – ein Risiko?

Ob T-Bone-Steak, Käse oder Gemüse – solche Produkte können auch online gekauft werden. Das setzt nicht nur den konventionellen Handel unter Druck. Es gibt auch Zweifel, ob die Lebensmittelkontrolle ausreichend ist.

Die Digitalisierung macht’s möglich: Immer mehr Lebensmittelhändler nutzen die Chance, ihre Produkte online anzubieten. Zwar spielt der digitale Handel gemessen am Gesamtumsatz der Branche in Deutschland bisher nur eine kleine Rolle, wie eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Brandenburg zeigt. „Doch die Dynamik am Markt zeigt“, so die Experten, „dass sich das schnell ändern kann.“ Gerade unter Menschen, die ohnehin online einkaufen, steige der Anteil derer, die Lebensmittel – und inzwischen auch frische Lebensmittel – im Internet bestellten.

Die Verbraucherschützer stützen sich in ihrer Einschätzung auf Zahlen des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland für das Jahr 2015. Danach fallen Online-Bestellungen mit einem Anteil von 0,5 Prozent am Lebensmitteleinzelhandel nicht besonders ins Gewicht. Mit einem Umsatz von 736 Millionen Euro im Jahr 2015 erzielte die Online-Sparte im Vergleich zum Vorjahr jedoch ein Plus von 19 Prozent (2014: 618 Millionen Euro) und wird damit als ein starker Wachstumsmarkt eingestuft.

Damit weitere Kundengruppen erschlossen werden können, setzen die Akteure im Online-Handel nach Beobachtung der Verbraucherschützer nun darauf, bestehende Vorurteile und Sorgen beim Online-Kauf von Lebensmitteln weiter abzubauen und mit attraktiven Angeboten zu locken. Doch es bleiben Zweifel.

Laut einer jüngst veröffentlichten Forsa-Umfrage steht nur eine Minderheit der 1.003 Befragten (20 Prozent) dem zunehmenden Online-Handel mit frischen Lebensmitteln positiv gegenüber. Die weit überwiegende Mehrheit (70 Prozent) sieht diese Entwicklung eher negativ. Mit Abstand am häufigsten (50 Prozent) wird als Nachteil beim Kauf frischer Lebensmittel im Internet die fehlende Möglichkeit zur Prüfung der Produkte genannt. Es folgen als weitere negative Aspekte die mangelnde Produktqualität (28 Prozent) und die Umweltverträglichkeit (16 Prozent).

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Derlei Befunde werden in der Politik aufmerksam registriert. Und es stellt sich die Frage, ob die Lebensmittelüberwachung ausreichend gewappnet ist für den digitalen Handel. „Wir müssen denselben strengen Maßstab, der bei Kontrollen im konventionellen Handel angelegt wird, auch für den Handel im Internet anwenden. Dazu müssen wir prüfen, ob die bestehenden Strukturen der Lebensmittelüberwachung und die rechtlichen Voraussetzungen ausreichen, um auch den Onlinehandel mit Lebensmitteln angemessen zu kontrollieren“, sagte die sächsische Staatsministerin und Vorsitzende der Verbraucherschutzminister-Konferenz, Barbara Klepsch (CDU), dem Handelsblatt.

Die CDU-Politikerin plädiert für ein „Kontrollsystem“, das den digitalen Lebensmittelhandel gezielt in den Blick nimmt. „Dabei sollten hohe Standards gelten – für die Händler und die Qualität der Produkte“, sagte Klepsch. Erfreulicherweise hätten die Länder hier gemeinsam mit dem Bund bereits eine zentrale Stelle eingerichtet, die gezielt Recherchen im Internet durchführe, fügte die Ministerin hinzu. „Die Ergebnisse werden dann den Ländern zugeleitet, die dann entsprechende Maßnahmen treffen.“


„Nicht registrierte Lebensmittelhändler sind ein Risiko“

Zuständig ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Behörde beherbergt seit Juli 2013 die gemeinsame Zentralstelle „Kontrolle der im Internet gehandelten Erzeugnisse des LFGB und Tabakerzeugnisse“, kurz G@ZIELT. Unter „Erzeugnissen des LFGB“ sind Lebensmittel, Futtermittel, Kosmetika und Bedarfsgegenstände zu verstehen.

Mit der im Auftrag der Bundesländer geführten Zentralstelle soll doppelte Recherchearbeit bei Kontrollen vermieden werden. Zudem wollen Bund und Länder in Zusammenarbeit mit vier Siegelgebern einen Marktplatz im Internet schaffen, „auf dem die Produktsicherheit ähnlich hoch ist wie im Supermarkt oder beim Bäcker an der Ecke“, wie es auf der Webseite des Bundesamts heißt. Für Lebensmittel sei dieser Marktplatz bereits im Entstehen. Online-Händler, die Lebensmittel anbieten, müssen sich demnach bei der Lebensmittelüberwachungsbehörde in ihrem Kreis oder ihrer Stadt registrieren und würden dann genauso „risikoorientiert“ überwacht wie der konventionelle Einzelhandel.

Für Verbraucherschutzministerin Klepsch ist die Registrierung ein wichtiger Punkt. Zwar biete der Online-Lebensmittelhandel Vorteile, weil man alles von zu Hause aus machen könne und damit das Einkaufen bequemer werde. „Allerdings sehe ich auch Risiken, etwa wenn nicht registrierte Lebensmittelhändler auf den Markt drängen“, sagte die CDU-Politikerin. „Oder wenn Produkte mit schädlichen Inhaltsstoffen angeboten werden.“

Dass beim digitalen Einkauf nicht alles rund läuft, zeigt auch die Untersuchung der Brandenburger Verbraucherschützer. Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale hat 32 Online-Händler getestet, um herauszufinden wo die Stärken und Schwächen beim Online-Handel mit frischen Lebensmitteln liegen.

Insgesamt ermittelten die Experten 179 Shops, die deutschlandweit mit frischen Lebensmitteln online handeln. Bei 32 davon wurden Bestellungen aufgegeben und insgesamt 134 Produkte geliefert. Dabei wurde unter anderem geprüft, ob frische Lebensmittel beim Kunden in der geforderten Qualität ankommen.

Die Bestellungen und Lieferungen verliefen bei den Testkäufen laut der Untersuchung in den meisten Fällen problemlos. Insgesamt hielt demnach die Hälfte der 32 getesteten Shops den auf der Webseite angegebenen Lieferzeitraum ein. Auf Rückfragen hätten die Händler in den meisten Fällen schnell reagiert, sofern sich Lieferungen verspäteten oder es Beanstandungen bei der Qualität der Produkte gab.

Im Rahmen der Testkäufe seien indes die größten Probleme bei der Einhaltung der Kühlkette festgestellt worden. Mehr als die Hälfte aller Produkte habe unmittelbar nach der Lieferung teils deutlich über den empfohlenen Norm-Temperaturen gelegen. „In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sich Qualität und Mindesthaltbarkeit der Produkte vermindern“, geben die Experten zu bedenken.


Experten sagen Beben im deutschen Einzelhandel voraus

Kritisch sehen die Marktwächter auch, dass Informationen zu den Produkten auf der Webseite nicht immer vollständig vorhanden sind. „Während Produktbezeichnung, Produktpreis und Angaben zum Gewicht auf jedem der getesteten Web-Shops zu finden waren, waren Angaben zum Ursprungsland teilweise sehr ungenau oder fehlten völlig“, heißt es in der Untersuchung.

Trotz mancher Nachteile, die der Onlinehandel mit sich bringt, wird das Geschäft für die Händler in diesem Bereich nach Einschätzung von Experten immer wichtiger. Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman sagt gar infolge der Digitalisierung ein Beben im deutschen Einzelhandel voraus. In zehn bis 15 Jahren werde jedes zweite Filialunternehmen vom Markt verschwunden sein, heißt es in einem Branchenreport, aus dem die „Welt am Sonntag“ kürzlich zitierte. Der Rest werde aufgekauft, fusioniert oder geschlossen.

Vor allem im Lebensmittelhandel werde sich die Zahl der Geschäfte durch den Erfolg der Online-Händler verringern. In diesem umsatzstärksten und wettbewerbsintensivsten Zweig des deutschen Einzelhandels seien die Gewinnmargen seit jeher gering, sagte Wyman-Handelsexperte Sirko Siemssen. „Wenn dann drei oder vier Prozent des Geschäfts ins Internet abwandern, drohen sehr schnell Verluste. Denn die Kosten für Miete, Personal oder Energie lassen sich nur schwer senken.“ Diesen Filialen drohe die Schließung.

Auch die Zahl von derzeit rund drei Millionen Arbeitsplätzen im Einzelhandel werde sich nicht halten lassen. Künftig würden Algorithmen und künstliche Intelligenz in den Konzernzentralen viele Routineaufgaben im Einkauf und in der Angebotssteuerung übernehmen, auch in den Filialen nehme der Technikeinsatz zu, bis hin zu selbstfahrenden Lieferwagen. Im Jahr 2016 hat der deutsche Einzelhandel nach Angaben des Handelsverbands Deutschland noch 23.000 zusätzliche Jobs geschaffen.

Die Prognose von Verbraucherschutzministerin Klepsch fällt nicht ganz so düster aus. Sie plädiert vielmehr dafür, vor allem erst einmal die Chancen des digitalen Lebensmitteleinkaufs zu sehen. „Mit der Digitalisierung des Lebensmittelhandels lassen sich viele neue Zielgruppen erschließen“, sagte die CDU-Politikerin. „Das ist sicher hilfreich, um die eigenen Umsätze zu stabilisieren.“

KONTEXT

Lebensmittel-Lieferdienste im Überblick

Wie funktioniert das Amazon-Angebot?

Amazon-Abonnenten des Dienstes Amazon Prime (Jahresgebühr 49 Euro) können sich in zahlreichen Vierteln in München und Berlin Lebensmittel kostenlos innerhalb eines Zwei-Stunden-Fensters am gleichen Tag liefern lassen. Der Mindestbestellwert liegt bei 20 Euro. Für einen Aufpreis von 6,99 Euro liefert Amazon sogar innerhalb einer Stunde. Quelle: Oliver Wyman

Was bedeutet das für die Konkurrenz?

1.700 Supermärkte sind durch den Onlinehandel mit frischen Lebensmitteln bis zum Jahr 2020 in ihrer Existenz gefährdet.

Wie funktioniert das Kaufland-Angebot?

Unter shop.kaufland.de testet das Unternehmen einen Lieferdienst für Berlin. Der Mindestbestellwert beträgt 40 Euro. Der Kunde kann den Liefertermin aus stündlichen Zeitfenstern frei wählen. Die ersten drei Bestellungen sind versandkostenfrei, danach kostet es zwischen 2,75 und 4,75 Euro, je nach ausgewähltem Zeitfenster.

Wie funktioniert das Rewe-Angebot?

Der Mindestbestellwert liegt auch hier im Lebensmittel-Onlineshop bei 40 Euro. Die Lieferkosten variieren je nach Zeitfenster und Bestellwert, der Grundbetrag beginnt bei 3,90 Euro. Kostenfrei ist die Lieferung ab einem Warenwert von 120 Euro - aber auch nur wenn der Kunde bereit ist, ein Lieferfenster von 6,5 Stunden zu akzeptieren.