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Konzerne entdeckten den Klimaschutz als Erlösbringer

Ölkonzerne koppeln Boni an CO2-Emissionen, deutsche Unternehmen wollen mehr für das Klima tun. Dahinter steckt nicht immer nur der Gedanke an die Umwelt.

Lange haben Unternehmen versucht, das Thema Klimaschutz zu ignorieren – oder mit leeren Versprechungen vom Tisch gewischt. Nun scheint langsam ein Umdenken stattzufinden, eine Klima-Allianz folgt auf die nächste.

Eine Gruppe aus Großinvestoren hat sich in der Initiative „Climate Change 100+“ versammelt, um Druck auf Multimilliardenkonzerne aufzubauen, der Ölriese Shell verkündete noch vor Ende des vergangenen Jahres, seine Manager-Gehälter und Boni an bestimmte Nachhaltigkeitsziele zu knüpfen.

Das Bundesentwicklungsministerium gründete im Dezember eine „Allianz für Entwicklung und Klima“. Unterstützer sind Unternehmen wie SAP, die Commerzbank, Bosch oder der Rückversicherer Munich Re.

„Ja, wir sehen tatsächlich Bewegung in der Wirtschaft beim Thema Klimaschutz“, sagt Steven Tebbe, Europachef des Carbon Disclosure Projects (CDP), einer Non-Profit-Organisation, die Umweltdaten wie Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch von Unternehmen sammelt und veröffentlicht. Immerhin hätten sich über 80 Prozent der europäischen Unternehmen nun eigene Klimaziele gesetzt.

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Dabei treibt die Konzerne allerdings nicht nur der Klimaschutz an. Schon heute sind die Folgen des Klimawandels für viele Unternehmen allgegenwärtig. Modeanbieter wie Tom Tailor, Superdry oder Zalando senkten zuletzt ihre Prognosen, ebenso der Elektronikhändler Ceconomy mit seinen Marken Media Markt und Saturn. Die Begründung: der heiße Sommer 2018 und die so ausbleibende Kundschaft.

Und nicht nur Rückversicherer bekommen schwere Naturkatastrophen besonders hart zu spüren. So musste der größte Energieversorger der USA kürzlich nach den verheerenden Waldbränden im US-Bundesstaat Kalifornien im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden.

„Der letzte Bericht des Uno-Weltklimarates (IPCC) hat deutlich gemacht, dass die Zeit mehr als knapp ist“, warnt Steven Tebbe. Nach drei relativ stabilen Jahren sei der weltweite CO2-Ausstoß 2017 wieder gestiegen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Bericht. Mit 53,5 Gigatonnen CO2 sei der Ausstoß alarmierend hoch.

Der Hauptgrund: Die Wirtschaft wächst und gleichzeitig sinkt der Energieverbrauch nur langsam – vor allem mit Blick auf Kohle.

Auch Deutschland ist weit davon entfernt, die selbst gesteckten Klimaziele einzuhalten. Eigentlich sollten die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Doch bisher sind davon erst 32 Prozent geschafft, so steht es im aktuellen Klimaschutzbericht der Regierung. Hierzulande macht immer noch die Energiewirtschaft den Hauptteil der Emissionen aus, auch wenn diese im vergangenen Jahr gesunken sind. Danach kommen Verkehr und Industrie.

Laufende Proteste gegen Kohlestrom und öffentliche Debatten über die späte Kehrtwende deutscher Automobilhersteller in Sachen alternativer Antriebe, setzen Großkonzerne zunehmend auch in Deutschland unter Druck, endlich zu handeln.

„Man kann die Probleme der Welt nicht nur im eigenen Land lösen“

Auch Wirtschaftswissenschaftler Franz Josef Radermacher sieht die Wirtschaft in der Bringschuld. Der Weg ist für ihn klar. Nichtstaatliche Akteure wie Unternehmen sollen zusätzlich zu allen gesetzlichen Vorgaben freiwillig und auf eigene Kosten ihre Klimagasemissionen über hochwertige Projekte in Nicht-Industrieländern kompensieren.

Der studierte Mathematiker wirkt ebenfalls an der neu gegründeten „Allianz für Klima und Entwicklung“ mit. Deren Ziel: Die Mitglieder sollen vor allem in Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren, um ihren restlichen CO2-Ausstoß zu kompensieren, etwa durch Technologie-Transfer für Erneuerbare Energien, Aufforstung oder den Kauf von CO2-Zertifikaten.

„Man kann die Probleme der Welt nicht nur im eigenen Land lösen“, sagt Radermacher. So viel CO2 wie Indien und Afrika in ein paar Jahren verbrauchen würden, könne Europa gar nicht einsparen, sagt der Ökonom.

Laut dem jüngsten Energy Outlook der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die höchste Energienachfrage in Zukunft nicht mehr aus den Industriestaaten kommen, die ihren Verbrauch stetig senken, sondern aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien und Afrika. Diese verbrauchen durch starkes Wirtschaftswachstum und eine steigende Bevölkerungszahl bald mehr Gas, Kohle und Atomkraft als Europa.

Durch die freiwillige Kompensation könne die Wirtschaft laut Radermacher einen erheblichen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz leisten. Gegner beschimpfen Kompensationen allerdings oft als Ablasshandel. Und tatsächlich lassen sich durch derlei Angebote weitere Umweltschäden lediglich minimieren, aber nicht verhindern.

SAP betreibt Rechenzentren mit grünem Strom

Die Befürchtung, dass Unternehmen nur noch kompensieren, anstatt ihre eigenen CO2-Emissionen runterzufahren, sieht auch Greenpeace-Experte Karsten Schmid. „Kompensation darf immer nur der letzte Schritt sein, sonst hält es einen davon ab, die fundamentalen Änderungen Zuhause in den Griff zu bekommen“, warnt er. Es bringe schließlich nichts, wenn RWE seine Emissionen kompensiere, aber trotzdem weiter Kohle verbrenne.

„An erster Stelle geht es immer darum CO2-Emissionen zu vermeiden oder zu reduzieren, dann erst kommt die Kompensation ins Spiel“, betont Daniel Schmid, Nachhaltigkeitschef beim Softwareriesen SAP. Der Konzern betreibt seine Gebäude und Rechenzentren auf der ganzen Welt bereits seit fünf Jahren zu 100 Prozent mit grünem Strom.

Auch Schmid beobachtet ein generelles Umdenken in der Konzernwelt. „Die Wirtschaft ist beim Thema Klimaschutz heute deutlich weiter als noch vor ein paar Jahren. Es geht weg von der Debatte Profit oder Nachhaltigkeit. Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz müssen Hand in Hand gehen, und das funktioniert auch.“

So ist die Allianz-Versicherung bereits aus der Kohle ausgestiegen und nimmt keine neuen Kohlekraftwerke oder Bergbauminen mehr unter Vertrag. Die Entscheidung der Allianz reiht sich ein in ähnliche Beschlüsse anderer Versicherungen, Investoren und Banken. Braun- und Steinkohle zu fördern und zu verstromen wird zunehmend als Risiko für das Klima, aber auch die eigene Geschäftsentwicklung betrachtet.

Das Carbon Disclosure Project berechnet, dass Unternehmen bis zu 14 Milliarden Dollar sparen können, wenn sie ihre CO2-Emissionen in der gesamten Lieferkette reduzieren. Außerdem sei Klimaschutz ein Treiber für Innovation. „63 Prozent der Unternehmen sagen, dass der Wille zum Einhalten der Klimaschutzziele ihnen hilft, komplett neue Entwicklungen auszuprobieren“, erklärt CDP-Europachef Tebbe.

„Da muss noch mehr kommen“

BASF-Chef Martin Brudermüller nannte das Thema Nachhaltigkeit kürzlich den „wahrscheinlich größten Innovationstreiber der Zukunft.“ Der Chemieriese habe immer mehr Kunden, die mit Innovationsthemen kommen, die mit dem Aspekt Nachhaltigkeit verbunden seien.

„Business- und Umweltstrategie können und müssen zusammen gedacht werden“, appelliert SAP-Manager Schmid. Aber auch wenn der Anfang gemacht ist, „da muss noch mehr kommen“, fordert er. „Es gibt immer noch einige Konzerne, die noch nicht einmal ihren CO2-Ausstoß offenlegen, geschweige denn sich eigene Klimaziele gesetzt haben“, erklärt CDP-Europachef Tebbe.

„Mittlerweile gibt es zwar ein paar positive Tendenzen. Aber die Kernbereiche, Energie- und Automobilwirtschaft bringen ihren Anteil nicht“, kritisiert Greenpeace-Experte Smid. Auf der Liste der Allianz für Entwicklung und Klima, dem Zusammenschluss Klimaschutz-Unternehmen oder der Initiative Stiftung 2 Grad, sucht man Unternehmen aus dem Energie- oder Automobilbereich vergeblich.

Lediglich die baden-württembergische EnBW engagiert sich bei der Stiftung 2 Grad. Auch wenn die Wirtschaft langsam umdenkt, reiche das nun mal nicht, sagt Smid. „Jetzt muss die ganze Welt reduzieren.“