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„Nur Fintechs mit kritischer Größe werden eigenständig überleben“

Der Investmentbanker und Ex-Geldpolitiker glaubt, dass der Gründungsboom bei Fintechs in Deutschland erst einmal vorüber ist. Sorgen bereitet ihm das nicht.

Für die Investmentbank Lazard leitet der ehemalige Notenbanker Jörg Asmussen das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen in Europa. Aber Asmussen interessiert sich nicht nur für die ganz großen Deals, sondern auch für die jungen digitalen Unternehmen in der Finanzbranche – die sogenannten Fintechs.

Nach dem Boom der vergangenen Jahre sagt Asmussen dem Bereich eine Marktbereinigung und einen harten Ausleseprozess voraus. Seiner Meinung nach werden auf Dauer nur diejenigen Firmen überleben, die eine kritische Größe erreichen. Asmussen geht davon aus, dass nur die wenigsten Fintechs das Zeug dazu haben, die großen Banken frontal anzugreifen. Statt Konfrontation würden viele junge Finanzunternehmen inzwischen lieber auf Kooperation mit den etablierten Finanzkonzernen setzen.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Asmussen, was war der wichtigste Trend, der die Fintech-Szene 2019 geprägt hat?
Eigentlich waren es zwei Trends: Konsolidierung und Kooperation. Diese beiden Entwicklungen werden meiner Meinung nach auch dieses Jahr prägen.

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Das klingt so, als würde der Gründungswelle der Schwung ausgehen.
Ja, es gibt deutlich weniger Neugründungen von Fintechs. Wir sehen Zusammenschlüsse, die Nummer sieben oder acht auf einem bestimmten Markt wird immer öfter von der Nummer eins oder zwei geschluckt. Aber auch klassische, etablierte Finanzinstitute kaufen Fintechs. Das prominenteste Beispiel ist der Kauf der Kreditplattform Lendico durch die niederländische Großbank ING. Und schließlich entdecken immer mehr Beteiligungsfirmen die Fintech-Szene und kaufen sich bei jungen Firmen ein oder übernehmen sie ganz.

Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl von Fintechs einfach vom Markt verschwindet.
Echte rechtliche Insolvenzen gibt es eher selten, die meisten treten einfach aus dem Markt aus. Dann ist eine Website eben plötzlich nicht mehr erreichbar. Die Konsolidierung zeigt sich übrigens auch bei den Finanzierungsrunden für junge Finanzunternehmen. Wir sehen weniger Runden, dafür aber steigende Volumina je Runde. Unternehmen, die in ihrem Segment zu den Marktführern gehören, haben gute Chancen, an Kapital zu kommen. Für alle anderen wird es schwieriger.

Das klingt nach einem ziemlich harten Ausleseprozess.
Genau, wir sehen eine Art natürliche Reifung des Marktes. Auf Dauer werden nur Firmen, die eine kritische Größe erreichen, eigenständig überleben können, Skalierung ist heute zentral.

Weniger Neugründungen von Fintechs, ist das nicht eine ziemlich schlechte Nachricht für den Standort Deutschland?
Nein, das ist einfach der natürliche Zyklus. Ich denke, es ist völlig normal, dass sich der Markt nach rund zehn Jahren konsolidiert. Eine schlechte Nachricht wäre es, wenn wir gar keine Neugründungen mehr sehen würden. Wir gehen aber davon aus, dass 2019 etwa 50 neue Fintechs gestartet sind, genauso viele junge Finanzfirmen könnten aus dem Markt ausscheiden. Wir erleben im Moment also eine Stagnation, keinen Rückgang. Und die Unternehmen, die bleiben, werden größer.

Ist der Rückgang der Neugründungen ein Indiz dafür, dass den Fintechs die Ideen ausgehen?
Vielleicht ist das tatsächlich ein bisschen der Fall, vor allem im Geschäft mit Privatkunden. Viele grundlegende Ideen sind bereits umgesetzt, und es stellt sich die Frage, brauchen wir jetzt wirklich noch die 17. App für eine Kontenübersicht. Bessere Chancen sehe ich für Fintechs, die auf Unternehmen und andere Finanzinstitute als Kunden setzen, also im B2B-Bereich.

Wenn wir bei den Fintechs jetzt eine Konsolidierung erleben, heißt das, dass selbst die prominenteren jungen Angreifer nicht das Zeug dazu haben, den etablierten Banken gefährlich zu werden?
Von den Start-ups, die vollmundig „das neue Banking“ versprochen haben und die etablierten Banken frontal angreifen wollten, sind tatsächlich relativ wenige übrig geblieben. Das bekannteste Beispiel ist die Digitalbank N26, mit ihren 3,5 Millionen Kunden. Aber auch die muss man zu den rund 33 Millionen Privatkunden von Deutscher Bank und Commerzbank ins Verhältnis setzen. Ähnlich sehen die Kräfteverhältnisse am Versicherungsmarkt und in der Vermögensverwaltung aus. Viele Fintechs kooperieren inzwischen lieber mit den etablierten Banken und Versicherungen, statt sie zu attackieren.

Die Devise heißt jetzt also Partner statt Gegner?
Ja. Ich glaube, das Ausmaß der Kooperation zwischen etablierten Konzernen und jungen Wachstumsunternehmen wird noch immer unterschätzt. Nach unserer Zählung gibt es über 550 Kooperationen zwischen Fintechs und Banken und rund 300 Partnerschaften im Versicherungssektor. Zwei Dinge sprechen für die etablierten Player: die Zahl der Kunden und das Kapital. Das Wachstum spricht für die neuen Player.

Was bremst denn das Wachstum der Fintechs?
Die jungen Firmen wachsen natürlich weiter, aber sie müssen sich an die gleiche Regulierung halten wie alle anderen Finanzunternehmen auch. Man darf den Aufwand dafür nicht unterschätzen. Einem Konzern fällt es beispielsweise sehr viel leichter, der neuen Regulierung zur Geldwäschebekämpfung gerecht zu werden, als einem Start-up. Außerdem brauchen die Fintechs natürlich das notwendige regulatorische Eigenkapital, um wachsen zu können.

Spielt es eine Rolle, dass Fintechs in den USA einen sehr viel größeren Heimatmarkt nutzen können als junge Unternehmen aus Deutschland oder Großbritannien?
Die europäische Kleinstaaterei bremst natürlich. Die Bankenunion ist nach wie vor unvollendet, Ähnliches gilt für den Markt für Versicherer und Vermögensverwalter. Im Prinzip gelten zwar EU-weite Rahmenbedingungen, de facto haben es die Finanzfirmen, egal ob groß oder klein, aber noch immer mit 27 einzelnen Rechtsräumen zu tun.

Herr Asmussen, vielen Dank für das Interview.