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NRW-Integrationsstaatssekretärin: „Müssen jetzt Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei ins Auge fassen“

Die CDU-Politikerin Serap Güler fordert eine harte Linie im Konflikt mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Die EU müsse klarmachen, wer am längeren Hebel sitze.

Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler, die auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist, fordert wegen der neuen Migrationskrise eine harte Linie gegenüber der türkischen Regierung. „Wir müssen jetzt Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei ins Auge fassen“, sagte Güler dem Handelsblatt. „Das ist die einzige Sprache, die Erdogan versteht.“

Die Macht des türkischen Präsidenten beruhe auch auf dem wirtschaftlichen Aufstieg des Landes. „An diesem Punkt ist er verwundbar“, sagte Güler, die als Vertraute des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet gilt.

Die EU müsse Erdogan durch Wirtschaftssanktionen klarmachen, wer am längeren Hebel sitze, forderte Güler. Wenn es keinen Konsens in der EU gebe, müssten Deutschland, Frankreich und möglichst viele weitere Länder vorangehen. „Erdogan missbraucht Kinder als Druckmittel in der internationalen Politik. Wenn wir jetzt nicht mit Sanktionen drohen, wann dann?“, so Güler.

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Die CDU-Politikerin sprach sich gegen eine Öffnung der griechisch-türkischen Grenze für Flüchtlinge aus. „Es würden sich sofort weitere Flüchtlinge auf den Weg machen. Die Lage würde sich verschärfen“, sagte Güler. „Wenn wir jetzt nachgeben, dann wird Europa mit solchen Bildern immer wieder erpresst werden, von Erdogan oder anderen Despoten“, warnte Güler.

Deutschland kann nach Einschätzung der Integrationspolitikerin derzeit die Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen nicht verkraften. „Unsere Integrationskraft ist nicht endlos. Deutschland ist nicht in der Lage, jetzt weitere Menschen in diesen Größenordnungen aufzunehmen“, sagte sie. „Mir liegt sehr viel daran, dass die Integration der bereits hier lebenden Flüchtlinge gelingt.“ Da bleibe auch noch viel zu tun.

Auch die Aufnahme von Kindern sei nicht möglich. „Diese Kinder haben doch Familien. Und niemand will die Familien trennen“, sagte sie. Von daher halte sie diesen Vorschlag „für nicht sehr durchdacht“. Das gelte auch für die in Deutschland diskutierte Kontingentlösung. „Mir ist kein anderer EU-Staat bekannt, der bereit wäre, sich daran zu beteiligen“, sagte Güler.

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Frau Güler, angesichts der dramatischen Lage an der griechisch-türkischen Grenze werden Forderungen laut, dass Europa die Flüchtlinge aufnehmen sollte. Muss Deutschland vorangehen?
Das wäre genau das falsche Signal. Unsere Integrationskraft ist nicht endlos. Ja, es gibt Erfolge. Rund ein Drittel der Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren zu uns gekommen sind, haben Arbeit. Aber machen wir uns nichts vor: Deutschland ist nicht in der Lage, jetzt weitere Menschen in diesen Größenordnungen aufzunehmen.

Spricht aus Ihrer harten Haltung die Angst vor einem weiteren Erstarken der AfD?
Nein, ich sage das nicht zuerst als CDU-Politikerin, sondern vor allem als Integrationspolitikerin. Mir liegt sehr viel daran, dass die Integration der bereits hier lebenden Flüchtlinge gelingt. Da bleibt auch noch viel zu tun, etwa wenn es um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen oder den Kampf gegen antisemitische Einstellungen geht. Es sind ja nicht Menschen, die aus blühenden Demokratien zu uns kommen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht Demokraten werden können. Aber dazu bedarf es einer Anstrengung auf beiden Seiten.

Einige deutsche Städte haben angeboten, zumindest Kinder aufzunehmen.
Diese Kinder haben doch Familien. Und niemand will die Familien trennen. Von daher halte ich diesen Vorschlag für nicht sehr durchdacht. Das gilt auch für die in Deutschland diskutierte Kontingentlösung. Mir ist kein anderer EU-Staat bekannt, der bereit wäre, sich daran zu beteiligen. Jede Öffnung der griechischen Grenze würde zudem ein fatales Signal senden: Es würden sich sofort weitere Flüchtlinge auf den Weg machen. Die Lage würde sich verschärfen. Umgekehrt dürften die jetzigen Bilder dazu führen, dass der Zustrom Richtung Grenze nachlässt.

Europa setzt also darauf, dass das harte Vorgehen gegen die Menschen, darunter auch Kinder, weitere Flüchtlinge abschreckt?
Das sind schreckliche Bilder, und es fällt mir sehr schwer, diese zu ertragen. Aber es muss klar sein, wer dafür die Verantwortung trägt: Assad, Putin und Erdogan. Der türkische Präsident missbraucht diese Menschen als Druckmittel. Das ist vollkommen inakzeptabel. Und so schwer es fällt: Wir dürfen uns nicht von ihm erpressen lassen. Wenn wir jetzt nachgeben, dann wird Europa mit solchen Bildern immer wieder erpresst werden, von Erdogan oder anderen Despoten. Ich will nicht, dass wir immer wieder mit solchen Bildern konfrontiert werden. Jeder, der das so sieht, darf jetzt nicht nachgeben und falsche Signale senden.

Wie sollte Europa auf Erdogans Erpressung reagieren?
Wir müssen jetzt Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei ins Auge fassen. Das ist die einzige Sprache, die Erdogan versteht. Seine Macht in der Türkei beruht auch auf dem wirtschaftlichen Aufstieg des Landes. An diesem Punkt ist er verwundbar. Die EU muss ihm durch Wirtschaftssanktionen klarmachen, wer am längeren Hebel sitzt.

Solche Sanktionen würden aber auch europäische Unternehmen treffen. Glauben Sie, dass alle EU-Staaten dazu bereit sind?
Wenn es keinen Konsens in der EU gibt, müssen Deutschland, Frankreich und möglichst viele weitere Länder vorangehen. Glauben Sie mir: Mir fällt eine solche Forderung nicht leicht. Die Türkei ist das Heimatland meiner Eltern, ich habe Freunde und Verwandte dort. Aber Erdogan missbraucht Kinder als Druckmittel in der internationalen Politik. Wenn wir jetzt nicht mit Sanktionen drohen, wann dann?

Viele Regierungschefs in der EU, auch Kanzlerin Angela Merkel, scheinen einen anderen Weg vorzuziehen: Sie bieten Erdogan weitere finanzielle Hilfe an. Halten Sie das für falsch?
Die Türkei soll weiter Unterstützung bekommen. Und die EU muss ihren Teil der Vereinbarung einhalten. Das Abkommen mit der Türkei war im Jahr 2016 richtig. Aber ein einfaches Update kann es nach der jüngsten Entwicklung nicht geben. Wir müssen Erdogan deutlich machen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen.

Geht es Erdogan nur darum, mehr Geld von der EU zu erpressen?
Ich glaube, es geht ihm auch um Unterstützung für sein Vorhaben in Syrien. Ein Abzug der türkischen Truppen sollte auch eine Forderung der Europäer sein. Was will Erdogan in Idlib? Er versucht, mit seinen Militäraktionen von innenpolitischen Problemen abzulenken. Da sind einerseits die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Andererseits ist seine Flüchtlingspolitik in der Türkei umstritten. Erdogan hat die Wahl in Istanbul auch aufgrund seiner Flüchtlingspolitik verloren.

Gebührt ihm dann nicht Anerkennung für die Aufnahme so vieler Flüchtlinge?
Die Türkei hat fast vier Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Das muss man anerkennen. Und deshalb hat das Land auch Unterstützung der Europäer verdient. Zur Wahrheit gehört aber auch: Ganz uneigennützig ist das Vorgehen von Erdogan nicht. Er hat den Syrern schnell die türkische Staatsbürgerschaft angeboten. Dahinter dürfte auch das Kalkül stecken, neue Wähler zu gewinnen.
Frau Güler, vielen Dank für das Interview.