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„Die Maske ist gefallen, Nazis helfen Nazis“

AfD für Kooperation mit NPD - „Die Maske ist gefallen, Nazis helfen Nazis“

Die AfD kann sich bei einem Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern auch eine Unterstützung der rechtsextremen NPD im Landtag vorstellen. „Man muss in einem Parlament in der Sache abstimmen“, sagte der Bundesvorsitzende der Partei, Jörg Meuthen, dem „Mannheimer Morgen“. „Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre.“

Meuthen stellt sich damit gegen den sogenannten Schweriner Weg. Seit dem Einzug der Rechtsextremen in den Landtag vor zehn Jahren haben sich die demokratischen Fraktionen auf Folgendes verständigt: Ein Antrag der NPD wird geschlossen abgelehnt, eine Antwort in der Debatte erfolgt im Namen aller immer nur von einer Fraktion. So soll unter anderem Streit unter den Demokraten verhindert werden, den die NPD ausnutzen könnte.

Den Spitzenkandidaten der Nord-Ost-AfD, Leif-Erik Holm, lässt sich davon nicht beeindrucken. In der „Schweriner Volkszeitung“ schloss er jüngst nicht aus, im Landtag für Anträge der Rechtsextremen zu stimmen. „Das müssten wir uns dann anschauen“, sagte Holm. „Kann ja sein, dass die mal einen sachorientierten Antrag einreichen.“

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig reagierte mit scharfer Kritik auf den Meuthen-Vorstoß. "Die AfD verbrüdert sich jetzt auch offiziell mit den Neonazis der NPD zu einer Art braunen Koalition", sagte Schwesig der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Damit schließe sich die AfD vom Konsens aller demokratischen Parteien gegen Rechtsextreme aus. "AfD und NPD sind in Mecklenburg-Vorpommern ohnehin kaum zu unterscheiden", sagte Schwesig, die auch Bundesfamilienministerin ist und selbst aus Mecklenburg-Vorpommern stammt. Die SPD konzentriere sich auf die übergroße Mehrheit der Menschen im Land, die eine vernünftige Regierung wollen, so Schwesig.

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Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki griff Meuthen frontal an. „Jörg Meuthen weiß, dass die NPD keine Partei wie jede andere ist. Bund und Länder sind von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt, und gegenwärtig ist ein Verbotsverfahren vor dem anhängig“, sagte Kubicki dem Handelsblatt. „Sich in dieser Phase völlig unnötig so zu äußern wie Herr Meuthen, diskreditiert ihn nicht nur als Gesprächspartner. Es zeigt: Jörg Meuthen fischt nicht nur am rechten Rand, er ist es mittlerweile selbst.“


Grünen-Fraktionsvize von Notz: „Nazis sind Nazis sind Nazis“

Kubicki warf Meuthen überdies vor, dass er noch vor wenigen Wochen seine persönliche Zukunft in der Politik von der „Extremismusdistanz seiner Partei“ abhängig gemacht habe. Damals habe er sein Gesicht nicht für eine Partei hergeben wollen, die in den Extremismus abgleite. „Dass er selbst nun seine Mitstreiter in Mecklenburg-Vorpommern geradezu auffordert, sich mit Rechtsextremen zu verbrüdern, offenbart die fließenden Grenzen zwischen AfD und NPD im nordöstlichsten Bundesland“, kritisierte der FDP-Politiker. Zwischen demokratischen Parteien sollte daher Einigkeit darüber bestehen, „dass Rechtsextreme in Parlamenten geschäftsmäßig zu behandeln sind und man sich nicht fraternisiert“.

Die Grünen reagiert mit scharfen Worten auf den NPD-Vorstoß Meuthens: "Das zeigt: Nazis sind Nazis sind Nazis", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Handelsblatt. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, sprach auf Twitter von „demaskierenden“ Äußerungen und forderte, ein „Zeichen setzen gegen rechts“ zu setzen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler erklärte: "Keine Überraschung, sondern nur inhaltlich konsequent."

Deutlich wurde auch der Berliner Rechtspopulismus-Forscher Hajo Funke. „Die Maske ist gefallen, Nazis helfen Nazis“, schrieb der Politikwissenschaftler bei .

Mit Erstaunen reagierte der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer auf den NPD-Vorstoß Meuthens. „Überrascht bin ich, dass Meuthen die bisherige offizielle Linie der Bundespartei in Form der strikten Abgrenzung zur NPD zu den Akten legt“, sagte Niedermayer dem Handelsblatt. Entsprechende Entwicklungen in der Nordost-AfD überraschen Niedermayer gleichwohl „nicht so sehr“, da der AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm schon vor einigen Tagen geäußert habe, dass er einem „guten“ NPD-Antrag auch mal zustimmen würde.

„Im parlamentarischen Alltag in Mecklenburg-Vorpommern erwarte ich in dieser konkreten Frage keine Auswirkungen, da ich fest davon überzeugt bin, dass die NPD nicht mehr in den Landtag kommt, sodass sich die Frage einer Kooperation mit der AfD nicht stellen wird“, sagte Niedermayer weiter. „Eher wird der bisherige „Schweriner Weg“, Anträge der NPD auf keinen Fall zu unterstützen, statt auf die NPD nun auf die AfD angewendet werden.“

In Mecklenburg-Vorpommern wird an diesem Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Die jüngsten Wahlumfragen sehen die AfD bei 19 bis 21 Prozent. Die NPD sitzt zwar derzeit im Landtag in Schwerin. In den Umfragen kommt sie aktuell aber nur auf 3 Prozent, was nicht für einen Wiedereinzug in das Landesparlament reichen würde.


Sympathie für rechte Bewegung, die der Verfassungsschutz beobachtet

Dessen ungeachtet ist die Nord-Ost-AfD immer wieder durch rechte Umtriebe oder eine Nähe zu rechten Gruppierungen in Erscheinung getreten. Holger Arppe zum Beispiel, einer der Kandidaten für die Landtagswahl. Im vergangenen Jahr war der ehemalige Landeschef der AfD in Mecklenburg-Vorpommern wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Arppe musste wegen eines islamfeindlichen Kommentars im Internet eine Geldstrafe von 2.700 Euro zahlen. Arppe hatte im Jahr 2010 die britischen Inseln als einen Ort bezeichnet, der für die in der EU lebenden Muslime als Quarantäne-Insel benützt werden könne.

Bei einer Veranstaltung des neurechten „Compact-Magazins“ im Schweriner Amedia Plaza Hotel zeigte Arppe unverblümt Sympathie für die rechte „Identitären Bewegung“, die neuerdings vom Bundesverfassungsschutz beobachtet wird. Zu der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Islam – Gefahr für Europa“ war auch André Poggenburg, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt und Mitglied des Bundesvorstands der Partei, geladen.

Bei der Veranstaltung erklärte Arppe: „Von der Identitären Bewegung kann sich dieser ganze linksextremistische Abschaum mal eine Scheibe von abschneiden. Ich bin ganz klar Gegner dieser Abgrenzerei und Distanziererei, insofern es hier um Organisationen, Vereine oder Projekte geht, die sich im Rahmen des Verfassungsbogens aufhalten. Ich kann jetzt nicht erkennen, inwiefern sich die IB außerhalb des Verfassungsbogens aufhält. Da sehe ich ganz andere. Da sehe ich die Grünen, die Linkspartei, die Antifa. Das sind die Verfassungsfeinde.“

Poggenburg stützte die Aussagen Arppes und erklärte, er sei der letzte, der einer Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Gruppen im Wege stünde. Am Wochenende hatte Aktivisten der rechten Bewegung das Brandenburger Tor besetzt.

Experten halten die "Identitäre Bewegung" für gefährlich: Sie komme jung und modern daher, spreche vor allem junge Leute an, gebe sich poppig und eher milde und verschleiere ihre Radikalität. Die Gruppe argumentiert etwa, sie achte jede Ethnie und Kultur. Nur mögen die anderen „Völker und Stämme“ doch bitte „auf ihrem geschichtlich gewachsenen Gebiet“ bleiben. „Ethnopluralismus“ nennen die „Identitären“ das. Politikwissenschaftler wie Hajo Funke nennen es Rassismus. Auch Querverbindungen und Kontakte zwischen der rechten Truppe und einzelnen AfD-Politikern beobachten Fachleute mit Sorge.


Kontakt zu „dem berüchtigtsten Neonazi Mecklenburgs“

Als Rechtsausleger gilt auch der AfD-Direktkandidat Jens-Holger Schneider. Im Jahr 2007 war Schneider nach einer Teilnahme an einer NPD-Demonstration aus der CDU ausgetreten. Laut Recherchen von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) trat er damals in Truppe „mit dem berüchtigtsten Neonazi Mecklenburgs“, Sven Krüger, in Erscheinung. Krüger sei zentrale Figur des Neonazi-Dorfes Jamel. AfD-Mann Schneider, hießt es in dem Bericht weiter, kenne Krüger gut - und auch den NPD-Funktionär Andreas Theißen. Bei einer NPD-gesteuerten Demonstration sei der AfD-Kandidat 2015 sogar als Ordner im Einsatz gewesen. Er kandidiert auf Listenplatz 18.

Ein weiterer Problem-Kandidat steht auf Listenplatz 23: Sascha Jung. Erkenntnissen von NDR und SZ zufolge durfte der Jurist wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten nicht in den bayerischen Staatsdienst. Die Burschenschaft, der er angehöre, werde zudem von Bayerns Verfassungsschutz beobachtet. Jung, so die Recherchen, sei sogenannter Neusiedler mit Anschluss ins völkische Spektrum der „Neo-Artamanen“.

Dahinter steht eine Entwicklung, die schon vor einigen Jahren begonnen hat. Recherchen der Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke ergaben, dass sich nirgends in Deutschland so viele Neonazis ansiedeln wie in Mecklenburg-Vorpommern. Das Klischee vom Skinhead mit Springerstiefel passe dabei zunehmend nicht mehr, schreibt die Autorin in ihrem im Jahr 2015 erschienenen .

„Organisierte Menschen mit rassistischem Weltbild tarnen sich durch Normalität innerhalb einer Gesellschaft voller Alltagsressentiments.“

Dazu gehörten Mitglieder der Arier-Sekte „Artgemeinschaft“, die Bewegung der „Neo-Artamanen“, NPD-Anhänger aus den Ballungsgebieten oder auch völkische Rechte, die die eigene Scholle bewirtschaften wollten, heißt es in dem Buch.

NPD-Politiker trügen heute gut sitzende Anzüge, viele rechte Frauen moderne Piercings oder traditionelle Zopffrisuren. Ihre Kinder besuchten Waldorf-Kindergärten, die Eltern kauften Biolebensmittel. Die Organisationsstrukturen befänden sich im Wandel von Parteien über Kameradschaftszusammenhänge bis hin zu Bruderschaften, so Röpke. Moderne Neonazis fänden sich auch zunehmend im Rocker- und Rotlichtmilieu wieder.

Ein Zentrum rechtsextremer Siedler sei der Raum Güstrow, wo man bereits 2007 von über einem Dutzend „nationaler Familien“ mit etwa 60 Kindern ausgegangen sei.


Warnung vor den "braunen Ökologen"

Für Schlagzeilen sorgte 2010 der damalige Bürgermeister des Ortes Lalendorf bei Güstrow, Reinhard Knaack, der sich weigerte, einer mutmaßlich rechtsradikalen Familie die Patenschaftsurkunde des Bundespräsidenten für ihr siebentes Kind zu überreichen. Ansiedlungen von Anhängern der rassistischen „Artgemeinschaft“ gibt es Röpke zufolge auch bei Ludwigslust, Bad Doberan, Grevesmühlen und in der Region Ostvorpommern.

Dem Verfassungsschutz wirft Röpke vor, die Entwicklung seit Jahren zu verharmlosen. Dabei expandiere die Idee des gemeinsamen Siedelns weiterhin. Das sieht auch der Rechtsextremismus-Experte Günther Hoffmann so. Als „die netten Kümmerer aus der Nachbarschaft“ machten die völkischen Siedler ihre extrem rechte Weltanschauung salonfähig und trügen sie in Dorfgemeinschaften hinein, sagte Hoffmann in einem Interview. „Die rechtsextreme Verankerung und Entfremdung von der Demokratie schreiten still und kontinuierlich voran. Dafür braucht man die NPD schon lange nicht mehr.“

Die „Völkischen Siedler“ schafften auf dem Land durch Märkte und Feste, die sie organisieren, positive Begegnungspunkte, erläuterte Hoffmann. Sie machten sich unentbehrlich in der Nachbarschafts- oder Geburtenhilfe.

Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung , die sich gegen Gentechnik wehren oder an Anti-Atom-Protesten beteiligen.

Die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung glaubt, dass die rechten Siedler bewusst auf das Thema Naturschutz setzen, weil es Menschen quer durch die Gesellschaft beschäftige. „Doch in der extrem rechten Vorstellung dient Naturschutz lediglich dazu, die deutsche „Volksgemeinschaft“ und ihren „Lebensraum“ zu erhalten“, .

KONTEXT

Rechte Parteien in den Landtagen

Rechte Parteien in Deutschland

Immer wieder haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien den Sprung in deutsche Landesparlamente geschafft. Von langer Dauer war ihr parlamentarisches Wirken meist nicht. Die Fraktionen machten häufig eher durch interne Streitigkeiten von sich reden als durch politische Initiativen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte die NPD nun am Sonntag aus dem letzten Landtag fliegen - auch wegen der AfD, die mit einem zweistelligen Ergebnis einziehen dürfte. Ein Überblick.

NPD

Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) erlebte in den 60er Jahren eine erste Erfolgswelle. Ihr gelang der Einzug in sieben der damals elf Landesparlamente, bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünfprozenthürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen, in den 70er Jahren verschwand sie weitgehend wieder von der Bildfläche, ohne in den Landesparlamenten nennenswerte Ergebnisse erzielt zu haben.

Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, nach heftigen internen Querelen verfehlte sie 2014 den Wiedereinzug. Seit 2011 ist die NPD nur noch im Schweriner Landtag vertreten.

Republikaner

Unter Führung des früheren SS-Manns Franz Schönhuber wirbelten die rechten Republikaner vor einem Vierteljahrhundert die Parteienlandschaft auf. 1989 gelang ihnen völlig überraschend der Einzug ins Europaparlament und ins Abgeordnetenhaus von Berlin. 1992 erreichten sie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 10,9 Prozent.

Vier Jahre später kam die Partei mit 9,6 Prozent erneut in den Landtag - und stellte damit eine Ausnahme von der Regel dar, dass rechte Protestparteien normalerweise nach einer Legislaturperiode wieder aus den Landtagen fliegen. Allerdings wurden auch die Republikaner von internem Streit zerrissen, inzwischen ist die Partei bedeutungslos.

DVU

Die Deutsche Volksunion (DVU) bot sich in den 90er Jahren als Auffangbecken für enttäuschte NPD-Wähler an und erzielte teils überraschende Wahlerfolge. 1991 zog sie ins Bremer Landesparlament ein, ein Jahr später in den Landtag von Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt erzielte sie 1998 mit 12,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, auch in Brandenburg wurde sie in den Landtag gewählt.

Die DVU war voll auf ihren Gründer, den reichen Münchener Verleger Gerhard Frey, zugeschnitten. Bei den Wahlen trat sie in der Regel mit völlig unbekannten Kandidaten an. In den Landtagen machte sie vor allem mit internen Streitereien von sich reden, die DVU-Fraktionen zerfielen rasch. 2010 gingen die Reste der Partei in der NPD auf.

Schill-Partei

Eine weitere rechte Partei, die klar auf eine Führungsfigur zugeschnitten war, war die Partei Rechtsstaatliche Offensive des Hamburger Richters Ronald Schill. Sie schaffte es sogar in die Regierungsverantwortung. 2001 zog sie mit 19,4 Prozent in die Bürgerschaft ein und trat unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust in die Regierung ein. Schill hatte sich als Richter mit umstrittenen harten Urteilen gegen Straftäter einen Namen gemacht.

Die Regierungskoalition zerbrach 2003 unter spektakulären Umständen. Von Beust entließ Schill als Justizsenator. Der Bürgermeister warf Schill den Versuch vor, ihn wegen seiner Homosexualität erpressen zu wollen. Bei der Wahl 2004 kam die Schill-Partei nicht mehr ins Landesparlament.

KONTEXT

Die potenziellen AfD-Wähler

Konservativ-etabliertes Milieu

Umfasst: 10 Prozent der Bevölkerung

Das klassische Establishment: verantwortungsvoll und erfolgsorientiert; Exklusivitäts" und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance. In diesem Milieu gibt es ein potenzielles AfD-Klientel, doch der Anteil ist relativ gering.

Liberal-intellektuelles Milieu

Umfasst: 7 Prozent der Bevölkerung

Die aufgeklärte Bildungselite: kritische Weltsicht, liberale Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach Selbstbestimmung und -entfaltung. In diesem Milieu gibt es kein AfD-Klientel.

Milieu der Performer

Umfasst: 8 Prozent der Bevölkerung

Die multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite: global denkend, Selbstbild der Konsum- und Stilavantgarde, hohe Technikaffinität, Etablierungstendenz, Erosion des visionären Elans. In diesem Milieu gibt es kein AfD-Klientel.

Expeditives Milieu

Umfasst: 8 Prozent der Bevölkerung

Die ambitionierte kreative Avantgarde: Traditionelle Trendsetter, mental, kulturell und geografisch mobil, vernetzt, nonkonformistisch, testet Grenzen aus. In diesem Milieu gibt es kein AfD-Klientel.

Bürgerliche Mitte

Umfasst: 13 Prozent der Bevölkerung

Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream: bejaht die gesellschaftliche Ordnung, will sich sozial und beruflich etablieren, sucht gesicherte und harmonische Verhältnisse, geprägt sind sie durch wachsende Überforderung und Abstiegsangst. In diesem Milieu gibt es ein potenzielles AfD-Klientel, doch der Anteil derjenigen, die die AfD nicht wählen, ist größer.

Adaptiv-pragmatisches Milieu

Umfasst: 10 Prozent der Bevölkerung

Die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nützlichkeitsdenken: Leistungs- und anpassungsbereit, Wunsch nach Spaß und Unterhaltung, zielstrebig, flexibel, weltoffen. Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit. Es gibt einen kleinen Anteil potenzielle AfD-Wähler.

Sozialökologisches Milieu

Umfasst: 7 Prozent der Bevölkerung

Engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vorstellungen vom "richtigen" Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen. Globalisierungsskeptiker, Multikulti-Befürworter. In diesem Milieu gibt es keinen potenziellen AfD-Wähler.

Traditionelles Milieu

Umfasst: 13 Prozent der Bevölkerung

Die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: lebt in der kleinbürgerlichen Welt oder der traditionellen Arbeiterkultur, Sparsamkeit und Anpassung an die Notwendigkeiten, zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins. In diesem Milieu liegt der Anteil der AfD-Wähler bei 100 Prozent.

Prekäres Milieu

Umfasst: 9 Prozent der Bevölkerung

Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht: Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte - aber Häufung sozialer Benachteiligungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments. In diesem Milieu umfasst die potenzielle AfD-Klientel 100 Prozent.

Hedonistisches Milieu

Umfasst: 15 Prozent der Bevölkerung

Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht/untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan, häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags in der Freizeit. Hier gibt es potenzielle AfD-Wähler, allerdings zählt dazu weniger als die Hälfte.

KONTEXT

Nach welchen Kriterien der Verfassungsschutz seine Ziele auswählt

Beobachten oder nicht beobachten, das ist die Frage

Sollte die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Darüber wird nach Antisemitismusvorwürfen gegen den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon erneut gestritten, Verfassungsschutzämter haben einem Pressebericht zufolge ohnehin AfD-Vertreter im Blick. Ab wann der Verfassungsschutz aktiv wird.

Welchen Auftrag hat der Verfassungsschutz?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Verfassungsschutzämter der Länder haben den Auftrag, Parteien und Gruppierungen zu beobachten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Staates in Frage stellen oder gegen die Idee der "Völkerverständigung" gerichtete Ziele verfolgen. So steht es im Verfassungsschutzgesetz. Dazu sammeln sie Informationen und werten sie aus.

Was ist die freiheitlich demokratische Grundordnung?

Der Begriff umfasst die zentralen Konstruktionsprinzipien, ohne die Demokratie und Rechtsstaat gar nicht erst existieren würden. Als unverhandelbare "Spielregeln" sind sie daher der politischen Auseinandersetzung entzogen und dürfen nicht geändert werden.

Dazu gehört der Grundsatz, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das seine Vertreter in freier Wahl bestimmt. Er beinhaltet auch, dass sich das Parlament als Gesetzgeber nicht über die Verfassung hinwegsetzen darf. Ebenso dazu gehören das Recht, im Parlament eine Opposition zu bilden, die Unabhängigkeit der Gericht sowie die Menschenrechte.

Wie geht der Verfassungsschutz vor?

Der Verfassungsschutz entscheidet anhand gesetzlich definierter Kriterien, ob er eine Partei beobachtet. Ihm kann nicht befohlen werden, dies zu tun, er ist also unabhängig gegenüber Weisungen aus der Politik. Auf der anderen Seite darf er nicht willkürlich aktiv werden. Liegen Verdachtsmomente vor, ist er gesetzlich zum Handeln verpflichtet.

Seine Tätigkeit beschreibt der Verfassungsschutz als die eines "Frühwarnsystems". Er meldet seine Lageeinschätzungen an das Innenministerium und strafrechtlich relevante Erkenntnisse an die Polizei, die in eigener Regie über die Konsequenzen entscheiden.

Was bedeutet Beobachtung genau?

Der Begriff Beobachtung ist mehrdeutig und führt in der öffentlichen Diskussion daher gelegentlich zu Missverständnissen. Zuerst leitet der Verfassungsschutz beim Aufkommen bestimmter Verdachtsmomente eine Art Prüfverfahren ein. Dabei analysiert er öffentlich zugängliche Äußerungen von Funktionären oder Dokumente, um herauszufinden, ob eine bestimmte Vereinigung die Kriterien für die eigentliche Beobachtung erfüllt.

Falls ja, wird eine Partei oder Vereinigung zum offiziellen "Beobachtungsobjekt", wie es im Fachjargon des Inlandsgeheimdienstes heißt. Erst wenn diese Stufe erreicht ist, dürfen auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kommen. Dazu gehören heimliche Observationen sowie das Anwerben von verdeckten Informanten, den V-Leuten.

Gibt es da nicht Grauzonen?

Die Einstufung als "Beobachtungsobjekt" ist tatsächlich oft schwierig, nicht selten klagen Betroffene vor Gericht gegen die Einstufung. Das gilt schon für die Definition des Begriffs "Bestrebung", der Grundlage für eine Beobachtung ist. Eine entsprechende Geisteshaltung reicht nicht aus, es muss laut Verfassungsschutzgesetz zugleich eine "ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise" vorhanden sein. Nicht notwendig ist aber, dass die Beobachteten die Demokratie schon aktiv bekämpfen oder illegale Taten planen.

Außerdem muss der Verfassungsschutz abwägen, ob die demokratiefeindlichen Bestrebungen gewissermaßen repräsentativ für eine Organisation als Ganzes stehen oder lediglich Splittermeinungen darstellen. In solchen Fällen besteht allerdings immer auch die Möglichkeit, Teilgruppen zu überwachen. Auch Einzelpersonen dürfen beobachtet werden.

Wer wird schon vom Verfassungsschutz beobachtet?

Das Spektrum der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen ist bereits sehr groß. Es reicht von den Dschihadistenorganisationen Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) über die rechtsextreme NPD bis hin zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Besonders kontrovers wird immer wieder die Beobachtung bestimmter Gruppierungen wie der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linkspartei diskutiert. Auch bekannte Linken-Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wurden beobachtet. Er aber klagte 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die Überwachung.

KONTEXT

Der Nazi-Jargon der AfD

Auffällige Nazi-Rhetorik bei einzelnen AfD-Politikern

Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Peter Schlobinski, betont zwar, dass man nicht die gesamte (Alternative für Deutschland) AfD über einen Kamm scheren dürfe. "Doch einzelne Mitglieder pflegen eine auffällige Nazi-Rhetorik. Der Rhythmus, das sprachliche Diktum, die Emotionalisierung - es gibt einiges, was stark an die NSDAP-Sprache angelehnt ist." Und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sei ja schon "fanatisch in seiner Sprache". Es folgen einige Beispiele.Quelle: "Stern", eigene Recherche.

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef

"3000 Jahre Europa! 1000 Jahre Deutschland!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (2)

"Erfurt ist "¦ schön "¦ deutsch! Und schön deutsch soll Erfurt bleiben!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (3)

"Das Boot ist übervoll und wird kentern."

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (4)

In einem Vortrag stellte Höcke das Bevölkerungswachstum Afrikas in einen Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, was weithin als biologischer Rassismus bewertet wurde. Er sprach von einem "Bevölkerungsüberschuss Afrikas" und erklärte, der "lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp" treffe in Europa auf den "selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp". Dann schlussfolgerte er: "Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern."

André Poggenburg, Chef der AfD in Sachsen-Anhalt

In ihrem auf Facebook verbreiteten Weihnachtsgruß vom 24.12.2015 sprach die AfD Sachsen-Anhalt unter anderem davon, in der Weihnachzeit über die "Verantwortung für die Volksgemeinschaft und nächste Generation" nachzudenken. Der verwendete Begriff "Volksgemeinschaft" löste daraufhin eine Diskussion aus. Denn, so der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn von der Universität Göttingen bei "tagesschau.de", der Begriff der Volksgemeinschaft sei historisch "eindeutig durch den Nationalsozialismus belegt". Der Begriff sei in einer Demokratie unhaltbar, so der Professor, selbst wenn man sich auf den Standpunkt historischer Naivität zurückziehen würde. Die Idee einer Volksgemeinschaft sei generell nicht mit den Vorstellungen von Demokratie vereinbar.

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef

"Es wird Zeit, dass wir das Schicksal des deutschen Volkes, damit es ein deutsches Volk bleibt, aus den Händen dieser Bundeskanzlerin nehmen."

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef (2)

"Das Boot ist voll. Auch um der Flüchtlinge willen muss Deutschland jetzt die Notbremse ziehen."

Frauke Petry, AfD-Bundesvorsitzende

"Die deutsche Politik hat eine Eigenverantwortung, das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen."

Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der Jungen Alternative (JA)

"Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde."