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Notfallzulassung für Impfstoff von Ex-Bayer-Mitarbeiter empört Gesundheitsexperten

Indiens Regierung will kurzfristig Hunderte Millionen Menschen impfen. Mit der Schnellzulassung eines lokal entwickelten Vakzins geht sie aber womöglich große Gesundheitsrisiken ein.

Seine Karriere startete der indische Pharmaunternehmer Krishna Ella vor Jahrzehnten bei der lokalen Niederlassung des Bayer-Konzerns. Nun soll der 65 Jahre alte Molekularbiologe sein Land aus der Coronakrise führen: Der von seinem Unternehmen Bharat Biotech hergestellte Impfstoff Covaxin erhielt am Wochenende als erstes in Indien entwickeltes Vakzin die Notfallzulassung der Behörden – gleichzeitig mit dem Mittel von Astra-Zeneca und der Uni Oxford entwickelten Mittel, das seit dieser Woche in Großbritannien verwendet wird.

Doch die Entscheidung der Behörden zugunsten von Covaxin, mit der Indien sein gigantisches Impfprogramm nun startet, ist höchst umstritten: Im Gegensatz zu den Impfstoffen, die derzeit in Europa und den USA verabreicht werden, hat das Mittel aus Ellas Laboren die Phase III der klinischen Studien noch nicht abgeschlossen. Gesundheitsexperten und die Opposition wettern gegen die Zulassung und warnen vor möglichen Gefahren. Die Regierung will an den Plänen dennoch festhalten.

Für Indiens Premierminister Narendra Modi sind rasche Fortschritte bei der Immunisierung der 1,4 Milliarden Inder essenziell, um sein Land aus einer tiefen Rezession zu führen. Als Folge der Pandemie und strikter Lockdowns rechnen Analysten mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung in dem im März endenden Fiskaljahr um zehn Prozent. Die Arbeitslosenrate nahm in den vergangenen Monaten stetig zu und liegt bei über neun Prozent. Die Impfstoffzulassung bezeichnete Modi als „entscheidenden Wendepunkt“ in Indiens Kampf gegen die Coronakrise.

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Unverständnis über Schnellzulassung

Kritiker werfen Modis Regierung jedoch vor, mit dem Schnellverfahren bei der Zulassung des Bharat-Biotech-Vakzins unnötige Risiken einzugehen und die Glaubwürdigkeit des Impfprogramms zu gefährden. Die Patientenschutzorganisation AIDAN schrieb in einer Mitteilung, sie sei von der Entscheidung schockiert. Es sei verstörend, dass offenbar keine Daten über die Wirksamkeit des Mittels aus einer Phase-III-Studie vorgelegt worden seien. „Einen unvollständig erforschten Impfstoff zuzulassen führt zu mehr Fragen als Antworten und dürfte das Vertrauen in die Entscheidungsgremien nicht gerade stärken“, hieß es weiter.

Die renommierte indische Spezialistin für Infektionskrankheiten, Gagandeep Kang, warnte in einem Zeitungsinterview davor, dass die Zulassung ohne ausreichende Studien den Ruf von Indiens Pharmabranche gefährden könnte. „Wie unterscheiden wir uns noch von Russland und China?“, fragte sie mit Blick auf die ebenfalls umstrittenen Impfstoffe aus den beiden Ländern. „Wenn mich das jemand fragt, habe ich darauf keine Antwort mehr.“

Auch die Opposition kritisierte die Impfpläne der Regierung: „Die Zulassung war voreilig und könnte sich als gefährlich herausstellen“, schrieb Shashi Tharoor, einer der einflussreichsten Politiker der Kongresspartei, auf Twitter.

Bharat-Biotech-Chef Ella verteidigt dagegen seinen Impfstoff: Er bezeichnete Covaxin am Montag als absolut sicher und verwies auf die positive Bilanz seines Unternehmens bei der Herstellung von anderen Impfstoffen in der Vergangenheit.

Regierung weist Kritik zurück

Der Pharmahersteller mit Sitz in der Metropole Hyderabad hat sich einen Namen mit Vakzinen gemacht, die deutlich günstiger sind als Konkurrenzprodukte. Sie kommen unter anderem gegen das Zika- und das Rotavirus zum Einsatz. Bei Tollwutimpfungen ist Bharat Biotech, das inzwischen rund 2000 Mitarbeiter hat, nach eigenen Angaben Weltmarktführer. „Wir haben das nicht verdient“, sagte der sichtlich erregte Firmenchef bei einer Pressekonferenz über die Zweifel an seinem Mittel.

Auch Modis Gesundheitsminister Harsh Vardhan wies die Kritik an dem Zulassungsverfahren zurück: Wer eine Covaxin-Impfung erhalte, werde beobachtet wie Teilnehmer einer klinischen Studie, teilte er mit. Die Zulassung sorge dafür, dass Indien über zusätzliche Impfmöglichkeiten verfüge, um gegen mögliche Virusmutationen anzukämpfen.

In welchem Umfang Covaxin zunächst zum Einsatz kommen soll, ließen die indischen Behörden offen. Sie gehen davon aus, bis August rund 300 Millionen Menschen impfen zu können. Modi spricht vom größten Impfprogramm der Welt. Erwartet wurde, dass zunächst der zweite zugelassene Impfstoff, Covishield, im Impfprogramm die Hauptrolle spielen würde. Unter dem Namen vermarktet der Pharmahersteller Serum Institute of India (SII), der nach eigenen Angaben weltweit größte Impfstoffhersteller, das von Astra-Zeneca entwickelte Mittel AZD1222.

SII setzt bereits seit Monaten große Hoffnungen in das Vakzin und produzierte davon auf eigenes Risiko indischen Medienberichten zufolge bisher bereits mehr als 50 Millionen Dosen. Bis Juli will das Unternehmen die Produktionsmenge verzehnfachen. Die ersten 100 Millionen Impfdosen verkauft SII für 200 Rupien – umgerechnet rund 2,25 Euro – pro Einheit an die indische Regierung. Später sollen Impfdosen für 1000 Rupien an private Abnehmer verkauft werden – eine Genehmigung für den Vertrieb am privaten Markt hat das Unternehmen bisher aber noch nicht bekommen.

Die Vereinbarung zwischen SII und Astra-Zeneca sieht die Produktion von insgesamt einer Milliarde Impfdosen vor, mit denen das Unternehmen auch andere Schwellen- und Entwicklungsländer versorgen soll. SII-Chef Adar Poonawalla rechnet damit, dass er in diesem Jahr rund 300 Millionen Impfdosen für die internationale Corona-Impfinitiative Covax zur Verfügung stellen kann.

Doch die Empfängerländer müssen vorerst noch auf die medizinische Hilfe aus Indien warten: Exporte des Vakzins will die Modi-Regierung vorerst nicht erlauben, um eine ausreichende Versorgung des eigenen Landes sicherzustellen.