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"Notfalls Eskalation in den Unternehmen"

Das Verfassungsgericht verhandelt Klagen mehrerer Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz. Einer der Kläger ist der Deutsche Beamtenbund. dbb-Vize Russ warnt vor Konsequenzen für Betriebe.

WirtschaftsWoche: Herr Russ, am 24. und 25. Januar verhandelt das Bundesverfassungsgericht über Klagen mehrerer Spartengewerkschaften und des Beamtenbunds (dbb) gegen das Tarifeinheitsgesetz. Danach darf in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur die mitgliederstärkste einen Tarifvertrag aushandeln. Welche Auswirkungen hat das Gesetz bisher gehabt?
Willi Russ: Bisher halten fast alle Gewerkschaften und Arbeitgeber die Füße still und warten auf Karlsruhe. Es gibt jedoch erste Fälle von Arbeitgebern, die Tarifverhandlungen mit Verweis auf das Tarifeinheitsgesetz verweigern, etwa im Nahverkehr. Die Rostocker Straßenbahngesellschaft zum Beispiel hat dem dbb Tarifverhandlungen verweigert, obwohl wir dort eine erhebliche Zahl von Mitgliedern haben. Das Unternehmen hat dies in einem Brief explizit mit dem Tarifeinheitsgesetz begründet. Die Botschaft an uns war: Bildet doch eine gemeinsame Verhandlungsgruppe mit Verdi, dann dürft ihr gern auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen. Den Brief haben wir als Beweismittel in Karlsruhe eingereicht.

Und wenn die Verfassungsrichter das Gesetz trotzdem durchwinken – etwa weil sie wie der Gesetzgeber ein gegenseitiges Hochschaukeln konkurrierender Gewerkschaften unterbinden wollen?
Sollte das Verfassungsgericht das Gesetz nicht beanstanden, drohen kleineren Gewerkschaften künftig regelmäßig Probleme dieser Art mit Arbeitgebern. Wir haben dafür einen Plan B - und der heißt Eskalation in den Unternehmen. Wir werden in Betrieben, wo die gewerkschaftlichen Mehrheitsverhältnisse unklar oder knapp sind, eine deutlich aggressivere Mitgliederakquise betreiben, um dort die stärkste Gewerkschaft zu werden. Das wird sich dann zwangsläufig auf den Betriebsfrieden auswirken.

Was passiert denn, wenn unklar ist, welche Gewerkschaft in einem Betrieb die stärkere ist?
Das ist eine ganz zentrale Frage. Wie lässt sich das nachweisen und zu welchem Stichtag? Man hängt seine Gewerkschaftsmitgliedschaft ja nicht ans schwarze Brett. Das ganze Verfahren muss am Ende notariell beglaubigt werden, ein extrem bürokratisches Verfahren. Es gibt Dutzende von weiteren Verfahrensfragen, die der Gesetzgeber nicht beantwortet hat.

Was bedeutet das für die Praxis?
Viele Arbeitsrichter fürchten, dass ihnen die Politik hier Probleme vor die Tür kippt, die sie selber nicht lösen kann oder will. Die Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter haben daher eine Heidenangst vor dem Gesetz und über ihren Verband eine entsprechende Stellungnahme beim Verfassungsgericht vorgelegt. Wenn das Verfassungsgericht das Gesetz allein formaljuristisch prüft, also nur untersucht, ob die Vereinigungsfreiheit direkt berührt wird, und sich für die praktische Umsetzbarkeit nicht interessiert, dann kann der Staat schon mal vorsorglich ein paar 100 neue Arbeitsrichter einstellen. Möglich ist allerdings auch, dass das Verfassungsgericht das Gesetz zurücküberweist an die Regierung. Die Richter könnten sagen: Das Gesetz ist zwar nicht verfassungswidrig, aber so, wie es konstruiert ist, lässt es sich nicht umsetzen. Dann müsste die Politik nachbessern.