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An Nord- und Ostsee werden die Angebote knapp

Die Zahl der Deutschen, die ihren Urlaub im Heimatland verbringen, verdoppelt sich 2020. Doch Reisebüros gehen bei den Buchungen meist leer aus.

Wegen der Reisebeschränkungen und Angst vor Infektion im Ausland, planen viele Deutsche ihren Urlaub dieses Jahr in der Heimat. Foto: dpa
Wegen der Reisebeschränkungen und Angst vor Infektion im Ausland, planen viele Deutsche ihren Urlaub dieses Jahr in der Heimat. Foto: dpa

Kristallklare Seen verspricht der Reiseveranstalter DER Touristik, „ein beeindruckendes Bergpanorama und traditionelle, reich verzierte Ortschaften“. „Spektakuläre Blicke“, schwärmt der Werbetext, gebe es auf der Reise zuhauf.

Die Rede ist nicht vom Himalaya oder den peruanischen Anden, sondern vom bayerischen Tegernsee. Wer in diesen Tagen die Reiseangebote der Rewe-Tochter studiert, dem kommt es vor wie ein Blick durch die Heimatfilme der 50er-Jahre. „Die Gäste der achttägigen Radtour ‚Sonnen-Viereck‘ erkunden die Pfalz und den malerischen Rheingau“, heißt es im Prospekt. „Weinberge in Hülle und Fülle säumen die Wege.“

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Eine Genussreise in die Kaiserstadt Worms, nach Heidelberg oder Schwetzingen stehen diesmal ganz oben im Programm. „Weite Täler, sanfte Hügel und schroffe Berghöhen“ kann bewundern, wer sich der DER-Wandertour durch den Schwarzwald anschließt. Alles selbstredend buchbar in den Reisebüros der Rewe-Tochter. Sommer 2020.

Der Verweis auf die Schönheiten der Heimat ist clever kalkuliert. Denn obwohl Wettbewerber Tui auf einen Saisonstart auf den Balearen, in Bulgarien und Griechenland oder auf Zypern für Mitte Juni drängt, dürfte in diesem Jahr wohl nur wenigen Urlaubern nach Flugreisen zumute sein. Die Furcht vor Infektionen im Flieger, unzureichende Krankenhauskapazitäten im Ausland und womöglich Quarantäne-Wochen nach der Wiedereinreise in die Heimat schrecken viele.

Daran dürfte wenig ändern, dass Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) derzeit Urlaubsoptionen für die Deutschen im Ausland sondiert. „Der Ballermann“, warnte am Wochenende ein Reiseexperte auf Facebook, „könnte zu einem Ischgl 2.0 werden.“

Noch rät das Auswärtige Amt bis mindestens zum 14. Juni weltweit vor allen „nicht notwendigen, touristischen Reisen“ ab. Die Bemühungen mancher Urlaubsländer, in der Sommersaison wieder zu öffnen, sehen Virologen unverändert kritisch – insbesondere die Vorstöße von Spanien und Italien, die pikanterweise die Touristenschar letztes Jahr in Städten wie Palma, Barcelona oder Venedig noch zum Teufel wünschten.

Da trifft es sich, dass Länder wie Mecklenburg-Vorpommern ab diesem Montag ihre Hotels wieder zaghaft an den Start gehen lassen – ein Beispiel, dem die übrigen Bundesländer in den nächsten Tagen folgen werden. Auch Restaurants, Museen und einige Freizeitparks öffnen in Deutschland wieder ihre Tore.

Glaubt man einer Umfrage der Shopping-Onlineplattform Mydealz unter 1831 Verbrauchern, wird sich die Zahl der deutschen Heimaturlauber dieses Jahr verdoppeln. Zu den 11,7 Prozent der Befragten, die nach eigenen Angaben ohnehin einen Urlaub in Deutschland geplant hatten, gesellt sich nun eine ebenso starke Gruppe hinzu, die ursprünglich über die Grenze reisen wollte.

Ein weiteres Viertel der Befragten erklärte, 2020 komplett auf eine Urlaubsreise verzichten zu wollen. Hinzu kommen zahlreiche Unentschlossene. 25 Prozent der Befragten gaben bei der Umfrage an, sie hätten ihren Auslandsurlaub wegen der Corona-Epidemie storniert. Weitere 21 Prozent haben ihn nach eigenen Angaben auf später verschoben.

„Urlaub in Deutschland steht bei Reisenden aktuell hoch im Kurs“, erklärt ein Sprecher von Mydealz. Gerade einmal 17 Prozent hätten auf die Frage mit einem klaren „Nein“ geantwortet, ob Urlaub in Deutschland für sie eine Alternative zum Urlaub im Ausland sein könne. Mehr als jeder Zweite (51,33 Prozent) antwortete hingegen mit einem klaren „Ja“. Knapp jeder Dritte erklärte, dann in Deutschland Urlaub machen zu wollen, „wenn Reisen ins Ausland auch weiterhin nicht möglich sind“.

Kurzurlaub in der Heimat

Selbst deutsche Urlaubsregionen, die bislang im Abseits standen, versprechen sich durch den aktuellen Trend kräftigen Zulauf. „Die klassischen Urlaubsorte an Nord- und Ostsee oder in Bayern erwarten im Sommer eine Auslastung bis an ihre Kapazitätsgrenzen“, wirbt etwa das Fünfsterne-Hotel Vila Vita Rosenpark in Marburg. Wer Reisefreuden abseits des Massentourismus suche, könne nun ganz neue Ziele entdecken – „wie zum Beispiel Mittelhessen“.

Am Ende aber werden es im Inland eher die Kurztrips sein, die das heimische Urlaubsgeschehen prägen. Nur jeder Fünfte erwägt, hierzulande zwei Wochen oder länger in die Ferien zu fahren. Die Hälfte der Mydealz-Befragten gab an, gerade einmal eine Woche zu planen, ein Viertel verreist sogar nur für drei bis vier Tage. „Anscheinend gehen viele Deutsche aktuell sparsam mit ihren Urlaubstagen um, um später im Jahr noch einmal ‚richtig‘ verreisen zu können“, heißt es dazu in der Studie.

Und dennoch: Die Deutschland-Trips werden in diesem Jahr deutlich länger als im Jahr zuvor. Für August errechnete der Kölner Onlinevermittler HRS eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 8,6 Nächten. 2019 waren es nur 6,4.

Die Tendenz beschränkt sich nicht nur auf die beliebten Sommermonate. Auch im weiteren Verlauf des Jahres planten die Gäste ausgedehntere Reisen in der Heimat. Im Dezember betrage der Aufenthalt im Schnitt zum Beispiel 5,2 gegenüber nur 3,7 Nächten im Vorjahr, berichtet HRS-Geschäftsführer Tobias Ragge. „Deutsche Urlauber setzen auch in der mittelfristigen Reiseplanung auf heimatnahen Urlaub“, folgert er daraus.

Dass die heimischen Ferienunterkünfte eine wahre Hochkonjunktur erleben, können die Vermittler von HRS, mit rund 180 000 Ferienunterkünften einer der größten Anbieter in Deutschland, nur bestätigen. Seit Ankündigung der Öffnungen sei das Buchungsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 200 Prozent gestiegen, heißt es dort.

Das Angebot an den Küsten und am Alpenrand werde spürbar knapper, berichtet man bei HRS. Immerhin zieht es 26,6 Prozent der Deutschlandurlauber an die Ostsee, ermittelte Mydealz, 23,9 Prozent haben die Nordseeküste ins Auge gefasst. Das Allgäu und der Bodensee folgten mit 20,6 und 18,8 Prozent.

Wer in diesen Regionen nicht mehr fündig wird, hat anderswo hingegen noch gute Chancen. In den weniger bekannten Regionen gebe es noch einiges zu ergattern, berichten die Onlinevermittler. Hierzu zählten die Schwäbische Alb, das Spessart, der Spreewald, die Sächsische Schweiz, Schwarzwald, Sauerland oder das Rheinland.

Dem Buchungsansturm zum Trotz sei der Preisanstieg in den deutschen Urlaubsregionen aber immer noch moderat, ermittelte HRS. Die höchsten Preise für die Unterkunft fanden die Kölner für den Monat August, wo sie im Durchschnitt auf etwa 120 Euro pro Nacht kletterten. Die Tarife schwankten jedoch je nach Region stark.

Bislang beschränkt sich der Boom, wie es in der Branche heißt, allerdings auf die Ferienhäuser und -wohnungen. Dort versprechen sich viele Urlauber, so jedenfalls scheint es, ein höheres Maß an Hygiene und mehr Sicherheit vor der Corona-Pandemie. „Wir gehen davon aus, dass auch bald viele Hotels in den touristischen Regionen einen Buchungsanstieg merken werden“, zeigt sich HRS-Chef Ragge dennoch hoffnungsvoll.

So wirbt Tui seit Sonntag gezielt für sein Dorfhotel auf Sylt, das seit dem 18. Mai wieder Touristen begrüßen darf. Auch Ferienanlagen in Boltenhagen an der Ostsee oder in Fleesensee an der Müritz sollen dem gebeutelten Reiseveranstalter nach dem Shutdown zu ersten Umsätzen verhelfen.

Doch weder die großen Reiseveranstaltern noch die Reisebüros wird der Deutschland-Boom vor roten Zahlen bewahren. „Deutschland ist traditionell ein Direktvermarktungsziel“, sagt Marija Linnhoff vom Verband Unabhängiger Selbstständiger Reisebüros (VUSR). „Die meisten Urlauber rufen hierzulande direkt im Hotel an.“ Der Umsatz läuft somit an den Pauschalanbietern und Agenturen weitgehend vorbei.

Urlauber seien zwar bei einer Pauschalbuchung deutlich besser abgesichert – bei Direktbuchungen von Ferienwohnungen gilt ansonsten nur das wenig kundenfreundliche Mietrecht. Viele Hotel- und Ferienwohnungsanbieter verzichteten wegen der hohen Nachfrage derzeit jedoch auf die Vermittlungsangebote der Reiseanbieter. „Allein durch den Deutschlandtourismus werden wir nicht überleben können“, warnt die Reisebüro-Vertreterin.