Nike kämpft nach Skandal-Serie um sein Image
Der Dopingvorwurf beim „Oregon Project“ ist nur der jüngste Vorfall beim US-Konzern. Der Adidas-Konkurrent hat ein Problem mit der Unternehmenskultur.
Nike ist nie zufrieden. „Es ist wie ein Athlet, der immer das nächste Spiel gewinnen und den eigenen Rekord brechen will.” So hat der UBS-Analyst Jay Sole erst vor wenigen Wochen die Unternehmenskultur des US-Sportartikelherstellers beschrieben.
Wie sich nun zeigt, ging Nike dabei offensichtlich auch mal zu weit: Vergangene Woche wurde Alberto Salazar, der Erfolgscoach des Nike-eigenen Trainingscamps „Oregon Project“, wegen Dopingvorwürfen gesperrt. Auch der Vorstandsvorsitzende Mark Parker soll von den Praktiken Salazars gewusst haben.
Der jüngste Vorwurf ist nur der neueste in einer Liste von Skandalen, die den Adidas-Konkurrenten zuletzt erschüttert haben. Im vergangenen Jahr war es vor allem der Umgang mit Frauen, der Nike in ein schlechtes Licht rückte. Mehrere Topmanager mussten gehen, nachdem sich Mitarbeiterinnen über sexuelle Belästigung und Benachteiligung beim Gehalt beschwert hatten.
Dieses Jahr wurde dann bekannt, dass Nike Strafen in seine Sponsoringverträge schrieb, sollten Athletinnen schwanger werden. Nike reagierte zwar sofort und entfernte die entsprechenden Klauseln. Aber dass sich die Unternehmenskultur wirklich geändert hat, daran haben Beobachter ihre Zweifel.
Alice Mann vom Finanzinvestor Blue Wolf Capital spricht von einer wahren „Bro-Culture“ – also einer männlich dominierten, unreifen Unternehmenskultur, wie sie auch bei vielen Start-ups im Silicon Valley vorzufinden ist. „Nike sollte aufhören, es einfach zu tun, und anfangen, einfach das Richtige zu tun“, spielt Mann mit dem berühmten Nike-Slogan „Just Do It“.
„Diese grenzüberschreitenden Aktivitäten, ob das nun Doping oder sexuelle Belästigung ist, sind alle Teil der gleichen Kultur, Risiken einzugehen, um immer höhere Performance-Niveaus zu erreichen“, erklärt Mann, die Unternehmen lange bei ihren Führungsmodellen und Teamstrukturen beraten hat und nun als Investorin die Kultur der Unternehmen bewertet.
Nike sei wirklich gut darin, Innovationen voranzutreiben und Athleten und Mitarbeiter dazu zu bringen, neue Ideen zu entwickeln und zu gewinnen, lobt Mann. „Das Nike Oregon Project war ein Beispiel dafür. Die Schattenseite ist, dass sie zu viel Risiko eingegangen sind, um eine höhere Performance zu erreichen, und das kostet einen höheren Preis.“
Unternehmenskultur ist ein Ausdauerspiel
Umsatz und Gewinne seien zwar immer noch gut. „Aber eine Unternehmenskultur aufzubauen ist ein Ausdauerspiel“, mahnt Mann. Unternehmen wie Nike riskierten, dass irgendwann ein größerer Skandal der Marke und dem Image schadet und dann auch die Kunden und die Gewinne ausbleiben. Weil die richtigen Unternehmenswerte fehlten, verliere Nike talentierte Manager. Auch das treibe am Ende die Kosten.
Nach den Skandalen der Vergangenheit zeigte sich der seit 2006 amtierende Vorstandsvorsitzende Parker reuig und entschuldigte sich bei der Belegschaft. Es sei ein „schmerzlicher Moment“ für ihn gewesen, sagte er im April letzten Jahres, nachdem Frauen wegen Belästigung und niedrigeren Gehältern geklagt hatten. Als in diesem Jahr die diskriminierenden Regeln für Athletinnen bekannt wurden, die schwanger wurden, änderte sie Parker ebenfalls schnell.
Aber es besteht der Eindruck, dass Nike nur etwas ändert, wenn der Konzern es muss. „Sie warten, bis Aufsichtsbehörden oder die Medien mit etwas kommen, was die Führung dazu zwingt zu reagieren“, beobachtet auch die Investorin Mann. Es gab zwar große Versprechen und viele Townhalls – also Treffen mit den Mitarbeitern – und andere Initiativen. „Aber man braucht echte Änderung bei der Führung und den Strukturen. Dann wird der Kulturwandel folgen“, ist Mann überzeugt.
Der renommierte Einzelhandels-Analyst Kenneth Morris bemerkt, dass die Skandale auch im krassen Gegensatz zur Positionierung der Marke stehen. Schließlich habe sich Nike zuletzt für viele soziale Ideen starkgemacht. Mit den Werbespots mit dem Footballspieler Collin Kaepernick, der bei der Nationalhymne nicht kniete, um gegen die Gewalt gegen Schwarze zu protestieren, zog Nike sogar den Zorn von Donald Trump auf sich.
„Auf der einen Seite machen sie sich gegen Rassismus und Diskriminierung von Frauen stark. Auf der anderen Seite diskriminieren sie die Frauen im eigenen Unternehmen. Und jetzt kommt auch noch der Dopingskandal“, kritisiert Morris. „Ich bin mir nicht sicher, ob Parker das überlebt“, sagt er.
„Ich glaube, Parkers Führungsrolle ist in Gefahr“, meint auch Alice Mann. „Wenn ich in deren Board säße, würde ich mir die Führungskräfte genau anschauen“, sagt sie.
Dass Parker trotz aller Skandale noch immer auf seinem Posten sitzt, liegt an seinen Erfolgen. Der Umsatz hat sich unter seiner Ägide in 13 Jahren mehr als verdoppelt auf mittlerweile knapp 40 Milliarden Dollar. Der Gewinn hat sich mehr als verdreifacht und lag im vergangenen Jahr bei mehr als vier Milliarden Dollar. Unter Parkers Führung hat Nike auch den Übergang in die digitale Welt vollzogen.
„Nike hat die Vision eines viel digitaleren Unternehmens“, lobt UBS-Analyst Sole. Dabei werde das Unternehmen seine Produkte immer stärker über die eigenen Kanäle vertreiben und nur noch „über weniger, aber dafür bessere Einzelhandelspartner“. Nun muss Nike aufpassen, dass seine Marke sich auch langfristig weiter gut verkauft.
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