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Niederländer wählen: Kampf ums 'Türmchen' im Zeichen von Corona

DEN HAAG (dpa-AFX) - Klimawandel, Wohnungsnot, Landwirtschaft - die Niederlande stehen vor großen Problemen. Bei der Parlamentswahl können sie jetzt bis Mittwoch Weichen stellen für die Zukunft des Landes. Die Wahl aber wird von der Corona-Pandemie beherrscht. Am Montag - genau ein Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns - öffneten die ersten Wahllokale. "Es gibt große Probleme im Land", sagt die Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing, "doch in dieser Krise zählt am Ende für viele nur Regierungsstabilität."

Premier Mark Rutte und seine rechtsliberale Partei für Freiheit und Demokratie (VVD) stehen seit Wochen unangefochten auf Platz 1 in allen Umfragen. Nach zehn Jahren wird Rutte wohl erneut Regierungschef werden. Er habe sich erfolgreich als "Manager in der Krise" profiliert, sagt die prominente Rutte-Biografin Sitalsing.

Dabei geht der 54-Jährige sicher nicht ungeschoren ins Rennen. Zuletzt hatte eine große Affäre um Beihilfen für Kinderbetreuung auch seiner Glaubwürdigkeit einen empfindlichen Schlag versetzt. Unter seiner Regierungsführung waren jahrelang Zehntausende Eltern zu Unrecht als Betrüger dargestellt worden und mussten Zehntausende Euros bezahlen. Wegen dieser Affäre trat die Regierung im Januar zurück. Doch Rutte selbst ist erneut Kandidat bei der planmäßigen Wahl, als wäre nichts geschehen. "Er kommt immer mit allem davon", sagt Sitalsing.

Der Teflon-Premier wird er genannt. Alle Probleme gleiten an ihm ab, wie das Omelett aus der Pfanne. Was auch immer geschieht: Rutte lacht, steigt aufs Rad und radelt fröhlich winkend zum "Torentje" - das Türmchen am Binnenhof in Den Haag ist der Amtssitz des Premiers.

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Einen Kampf ums "Torentje" wird es kaum geben, meint sogar der Rechtspopulist Geert Wilders. "Ich will Zweiter werden", sagt er. Nach den Umfragen stehen die Chancen für seine Partei für die Freiheit (PVV) dafür gut. Rutte schließt aber eine Zusammenarbeit mit Wilders und auch dem anderen Rechtsaußen Thierry Baudet vom Forum für Demokratie aus. "Das ist undemokratisch", sagt Wilders. Aber er weiß, je stärker er und Baudet werden, desto mehr Einfluss können sie ausüben - auch aus der Opposition.

Mit Ausnahme der extremen Rechten konnten sich in der Pandemie andere Parteien nur schwer profilieren. Schließlich sind sie davon überzeugt, dass sie nur gemeinsam die Krise bewältigen können. "Jetzt müssen wir doch alle zusammen halten. Es ist keine Zeit für Experimente", sagt auch die 60 Jahre alte Hausfrau Hanneke de Boer in Amsterdam. Das Land ist seit drei Monaten im Lockdown. Etwa 16 000 Menschen starben durch Covid-19.

37 Parteien bewerben sich um die 150 Sitze der Zweiten Kammer auf dem Binnenhof, dem mittelalterlichen Regierungszentrum in Den Haag - ein neuer Rekord. Auch die Zersplitterung helfe Rutte, sagt der Politologe Armèn Hakhverdian. Am äußerst rechten Spektrum wetteifern vier Parteien um etwa 20 Prozent rechte Wähler. "Aber vor allem die Zersplitterung in der Mitte und bei den Linken verhindert einen Machtwechsel", sagt der Amsterdamer Politologe.

Fünf bis sieben Parteien liegen in den Umfragen bei rund 10 Prozent. Aus diesem Teich wird Rutte seine Koalitionspartner fischen - mindestens drei braucht er. Ob die bisherige Koalition der VVD mit christdemokratischer CDA, den linksliberalen D66 und der kleinen ChristenUnie erneut eine Mehrheit bekommt, ist fraglich.

Rutte will am liebsten mit der CDA regieren. Doch der Partei drohen Verluste. Die Spitzenkandidatin der D66, Sigrid Kaag, will aber nur mit einer anderen progressiven Partei erneut in die Koalition eintreten. Das könnten die Sozialdemokraten sein. Die hoffen, zumindest ein wenig die dramatischen Verluste von 2017 wettzumachen.

Die grüne Partei GroenLinks punktet mit Klimaschutz - nach Corona das wichtigste Thema dieser Wahl. Das kommt vor allem bei jungen Wählern an. Der Student Marten Visser (25) will daher grün wählen. "Wir müssen jetzt entscheiden über die Zukunft," sagt der Amsterdamer. "Rutte und die VVD haben darauf keine Antworten."

Die Pandemie hat bei fast allen Parteien für einen Ruck nach links gesorgt, zumindest bei sozial-wirtschaftlichen Fragen. Höhere Steuern für große Unternehmen, ein höherer Mindestlohn und eine Rückkehr zum Versorgungsstaat versprechen sie. Das gilt sogar für Rutte. Der sagte zum Erstaunen von Freund und Feind: "Im Wesen sind die Niederlande ein sozialistischer Staat."

Für Ruttes Biografin Sheila Sitalsing ist die angebliche Wende Ruttes ein Witz. "Das sind nur minimale Veränderungen", sagt sie. Zehn Jahre lang war er der Mann des totalen Marktprinzips. Nicht der Staat, sondern jeder selbst sei für sich verantwortlich - das war sein Credo. Wie groß der Kurswechsel wird, hängt davon ab, mit wem Rutte regieren wird. Er könne mit links und mit rechts, sagt der Politologe Hakhverdian: "Rutte ist pragmatisch und flexibel."