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Warum der Neustart mit Boeings Unglücksjet 737 Max so schwierig ist

Weltweit bereiten sich die Fluggesellschaften auf die Wiederzulassung der Boeing 737 Max vor. Doch noch immer fehlen viele Informationen über die Fehler des Unglücksflugzeugs.

Für Oscar Munoz steht fest: Er will keinen Passagier dazu zwingen, in ein Flugzeug der Baureihe 737 Max einzusteigen. „Wir werden sehr transparent sein, welche Modelle wir fliegen und wenn ein Passagier nicht in eine 737 Max einsteigen will, dann buchen wir ihn um – kostenlos“, stellte der Chef der US-Fluggesellschaft United Airlines jüngst in Chicago klar.

Fliegen sei stressig genug, heißt es bei United. Wenn jemand dazu noch Angst hat, dann ergebe das keinen Sinn. Auch Southwest will seinen Kunden anbieten, gratis umzubuchen.

Seit März diesen Jahres darf die 737 Max weltweit nicht abheben. Innerhalb von sechs Monaten waren zwei der Jets abgestürzt und hatten 346 Menschen in den Tod gerissen. Mittlerweile ist klar, dass eine fehlerhafte Software-Steuerung die Hauptursache war.

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Weitere Faktoren wie etwa nicht ausreichend geschulte Piloten kamen hinzu. Boeing soll das Flugzeug mit zu großer Eile entwickelt, eigene Sicherheitsanforderungen missachtet und die US-Luftfahrtaufsicht FAA bei der Zulassung des Jets nicht ausreichend über technische Änderungen informiert haben.

Niemals zuvor war ein Flugzeug wegen konstruktiver Mängel so lange aus dem Verkehr gezogen wie die 737 Max. Doch es zeichnet sich ab, dass das „Zwangs-Grounding“ allmählich zu Ende geht. Laufen alle Tests und Testflüge der Behörden wie geplant, könnte das Flugzeug im Januar oder Februar in den USA und in Europa wieder zugelassen werden.

Die Airlines haben deshalb damit begonnen, sich auf die Rückkehr des beliebten Kurz- und Mittelstreckenjets vorzubereiten, von dem insgesamt rund 4600 bestellt sind.

Es ist eine Herkulesaufgabe. Die langwierige Beseitigung der Fehler und immer neue Details über das, was bei Boeing schiefgelaufen ist, haben das Vertrauen vieler Passagiere in das Flugzeug zutiefst erschüttert. In den sozialen Netzwerken und etwa in Vielfliegerforen machen viele Nutzer keinen Hehl daraus, dass sie den Jet nicht mehr betreten wollen.

Doch längst nicht alle Fluggesellschaften haben die Möglichkeit, wie Southwest oder United, den Kunden Alternativen anzubieten. United etwa verfügt mit rund 1300 Flugzeugen über eine gewaltige Flotte. Viele der Strecken, auf der denen die Max eingesetzt werden wird, werden mehrfach am Tag bedient – auch mit anderen Flugzeugmodellen. Eine Umbuchung der Passagiere ist also kein großes Problem.

Dagegen betreiben zum Beispiel Tuifly oder die Lufthansa-Beteiligung SunExpress deutlich kleinere Flotten. Sie bedienen zudem vor allem touristische Strecken, die nicht mehrfach am Tag geflogen werden.

Eine interne Umbuchung auf einen anderen Flug fällt also flach. Dass die Airlines ihren Kunden auf eigene Kosten einen Wechsel zu anderen Fluggesellschaften anbieten, gilt als ausgeschlossen. Wer hier einen Flug bucht und dann feststellt, dass das eingesetzte Flugzeug eine Max ist, wird im Zweifel selbst bei einer anderen Airlines ein neues Ticket kaufen müssen, wenn er partout nicht in die Max steigen will.

Airlines fahren intensive Aufklärungskampagnen

Ohnehin kann keine Fluggesellschaft garantieren, dass der Fluggast am Ende nicht doch in einer Max landen wird. Fällt irgendwo ein Flugzeug aus, wird umgeplant. Kurzfristige Flugzeugwechsel sind im Luftfahrtgeschäft an der Tagesordnung.

Deshalb setzen viele Fluggesellschaft vor allem auf eines: eine intensive Aufklärungskampagne, mit der sie ihren Kunden klarmachen wollen, dass die Max nach der monatelangen Überarbeitung und den intensiven Überprüfung durch zahlreiche Flugaufsichten rund um den Globus zu den sichersten Jets gehören wird.

„Keine Airline kann es sich leisten, ein Flugzeug einzusetzen, von dessen Sicherheit man nicht absolut überzeugt ist“, heißt es etwa bei Tuifly. „Uns bleibt nur, auf absolute Transparenz gegenüber unseren Kunden zu setzen“, erklärt eine Sprecherin von SunExpress.

Doch genau das ist nicht so einfach. Denn den Airlines fehlen bisher noch viele Informationen von Boeing. Vieles steht noch nicht fest – etwa die genauen Anforderungen, die die Aufsichtsbehörden für den Betrieb der Max vorschreiben werden. Dazu zählen zum Beispiel die Vorgaben für die Simulatoren-Trainings der Piloten, aber auch Dinge wie Wartungsvorschriften.

Wie sehr das Flugzeug seit dem Grounding unter die Lupe genommen wurde, zeigen einige Aussagen von Boeing-Chef Dennis Muilenberg bei der Anhörung vor dem US-Kongress. Danach wurden seit März rund 100.000 Entwicklungs- und Teststunden in die Max investiert. 814 Testflüge haben stattgefunden, dazu zahllose Sitzungen und Treffen mit 545 Teilnehmern von 99 Kunden und 41 Mitarbeitern von Regulierungsbehörden.

Doch diese Informationen reichen nicht. Wer als Passagier in die Max steigt, will wissen, was genau verändert wurde, um zu verhindern, dass die Software die Piloten überstimmt und das Flugzeug mit Gewalt zu Boden drückt. Und es muss so erklärt werden, dass es auch Laien verstehen und glauben.

Begleitend zu den Fakten werden viele Airlines auf „Testimonials“ setzen. Bei den ersten Flügen mit der wieder zugelassenen Max etwa bei Tuifly und SunExpress werden die Top-Manager mit an Bord sein. Auch die Piloten und die Kabinen-Mitarbeiter werden dabei helfen, das Vertrauen in das Flugzeug wiederherzustellen. Schließlich haben sie ein existentielles Interesse daran, sicher zu fliegen.

„Unsere Umfragen zeigen, dass es erheblichen Widerstand der Kunden geben könnte, die 737 Max wieder zu besteigen“, sagt Henry Harteveldt, der Präsident der Atmosphere Research Group. „Es ist nicht nur die Aufgabe der Fluggesellschaften, das Vertrauen wieder herzustellen. Die FAA und Boeing sind dafür genauso verantwortlich“, ist der Experte überzeugt. Nur wenn diese exakte, verständliche Informationen lieferten, würden sich Passagiere überzeugen lassen.

Wiedereingliederung in den Flugbetrieb wird schwierig

„Sie können das Problem nicht mit einer Hochglanz-Werbekampagne oder mit Wifi oder größeren Gepäckfächern lösen“, mahnt Harteveldt. Er glaubt auch nicht, dass es viel hilft, wenn Manger mitfliegen. Vor allem die Piloten müssten gut geschult werden, und das auch an teuren Simulatoren und nicht über Computerkurse.

„Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um an der Schulung zu geizen“, sagt der Berater. Harteveldt glaubt aber, dass die Aufgabe lösbar ist. Wenn Airlines, Aufsicht und Boeing ihren Job richtig machen, dann könnte die 737 Max schon binnen einem Jahr wieder als ein ganz normales Modell wahrgenommen werden.

Allerdings dürfte mit der 737 Max nichts mehr passieren, auch keine Fahrwerkprobleme oder anderen Dinge. „Die 737 Max ist die Kardashian der Flugzeuge. Sie steht unter ständiger Beobachtung“, mahnt Hartveldt in Anspielung auf die Kardashian-Familie, die ihr Leben im Fernsehen öffentlich machte.

Die Vertrauensarbeit ist allerdings nicht die einzige Herausforderung, vor der die Airlines stehen, wenn die Max in den Dienst zurückkehrt. Eine andere ist die „operative Wiedereingliederung“ des Jets. Bislang weiß kein Abnehmer, wann er welche Flugzeuge bekommt.

In einem ersten Schritt wird Boeing wahrscheinlich die bereits in Dienst befindlichen Flugzeuge nachrüsten und zurückgeben. Danach folgen die seit dem Grounding zwar gebauten aber vorerst zwischengelagerten Jets.

Letzteres ist eine gewaltige Aufgabe. Rund 300 Flugzeuge des Typs Max hat Boeing mittlerweile auf dem „Hof“ stehen. Sie alle müssen sukzessive mit den technischen Änderungen versehen und ausgeliefert werden. Boeing will das möglichst schnell machen. Doch der Konzern steht unter verschärfter Beobachtung.

Die Fehler, die der Konzern bei der Entwicklung der Max machte, werden zum Teil auch auf einen zu hohen Druck zurückgeführt, den das Management auf die Belegschaft ausübte. Dass Boeing hier aufpassen muss, zeigte sich bei der Anhörung von Muilenburg. „Müde Mitarbeiter machen Fehler“, mahnte einer der Abgeordneten in Richtung Boeing-Chef.

Das Management des Flugzeugbauers stärkte Muilenburg jedoch den Rücken. Chairman Dave Calhoun betonte am Dienstag: „Er hat unser Vertrauen.“ Muilenburg habe alles richtig gemacht. Zudem habe er in einem Gespräch am Samstag angeboten, auf eine bedeutende Teil seiner Entlohnung für 2019 zu verzichten.

In jedem Fall ist die Wiedereinführung der Max etwa im Januar oder Februar für die Airlines denkbar ungünstig. Ende März beginnt in Europa der Sommerflugplan. In nur wenigen Wochen gleichzeitig mehrere neue Flugzeuge „einzuflotten“ und die Piloten die vorgeschriebenen Simulatoren-Stunden absolvieren zu lassen, ist fast unmöglich. Damit zeichnet sich ab, dass das Desaster bei der Max noch bis in den Sommer hinein Folgen haben wird.