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Neuer Strafprozess erhöht den Druck auf Warburg-Miteigentümer Christian Olearius

Der frühere Chef der M.M. Warburg steckt juristisch und wirtschaftlich in der Klemme. Sein ehemals wichtigster Vertrauter soll bereits ab Dienstag auf der Anklagebank Platz nehmen.

Sein ehemaliger Generalbevollmächtigter wird als „Täter“ bezeichnet. Das ist schon mal schlecht für Christian Olearius. 283 Seiten umfasst die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln für einen Prozess, dessen Start das Landgericht Bonn für diesen Dienstag angesetzt hat.

Dass Olearius, 78 Jahre alt und Vertreter des Hamburger Geldadels, in dem Steuerhinterziehungsfall nicht selbst als Angeklagter genannt wird, ist ein schwacher Trost. „Gesonderter Verfolgter“ nennt ihn die Staatsanwaltschaft. Soll heißen: Das dicke Ende kommt noch.

Es sind dramatische Tage in der Hansestadt. Olearius stand 28 Jahre lang an der Spitze der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Er unterstützte die Humboldt-Universität, die Elbphilharmonie, das Thalia-Theater. Er erhielt die Ehrennadel der Handelskammer Hamburg. Wenn Olearius Geburtstag hatte, kam der Erste Bürgermeister, um zu gratulieren.

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Dann wurde die Verwicklung der M.M. Warburg in Deutschlands größten Steuerskandal, die Cum-Ex-Affäre, publik. Die Finanzaufsicht prüfte, ob sich Olearius noch als Aufsichtsrat eignet. Als sich das Ergebnis der Prüfung abzeichnete, trat Olearius Ende 2019 als Chefaufseher zurück.

Nun soll in Bonn seiner einstigen rechten Hand Christian S. der Prozess gemacht werden. Es ist das zweite Verfahren in dem Steuerskandal. Beim ersten Durchgang waren zwei britische Geldmanager angeklagt, M.M. Warburg wurde dabei als „Verfahrensbeteiligte“ hinzugezogen. Am Ende stand für das Geldhaus von Olearius eine Rechnung von 176 Millionen Euro.

An der Alster verfolgt man die Entwicklung mit blankem Entsetzen. Die M.M. Warburg war stets mehr als eine Bank, sie war ein Aushängeschild. „Unsere Unabhängigkeit“, so steht auf ihrer Webseite, „ist Grundlage für Transparenz im Handeln, Weltoffenheit und Akzeptanz gegenüber neuen Ideen – und sie setzt ungezügelter Gier eine deutliche Grenze.“

Der 1945 von den Nazis ermordete Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer wird zitiert: „Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung.“

Olearius selbst hat diesen Anspruch in der Vergangenheit oft unterstrichen. „Der stürmische Geist und die starke Gier nach Profiten sollten sich legen. Das schadet mehr, als es nützt“, sagte der Bankchef dem Handelsblatt nach der Finanzkrise.

Olearius beschwor das hanseatische Grundnaturell. „Ich würde meinen, dass wir in Norddeutschland von Natur aus etwas verhaltener sind.“ Seine Mitarbeiter wüssten eben, dass sie nicht so in Geschäfte einsteigen könnten wie etwa die großen US-Investmentbanken.

Ankläger beziffern Schaden auf 326 Millionen Euro

In dem Prozess, der am Dienstag beginnen soll, will die Staatsanwaltschaft Köln das genaue Gegenteil beweisen. Unmäßig seien die Geschäfte gewesen, die M.M. Warburg zwischen 2006 und 2013 getätigt hätte. Allein der Generalbevollmächtigte S. habe in 13 selbstständigen Handlungen den Finanzbehörden „über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige und unvollständige Angaben gemacht und dadurch für einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile in großem Ausmaß erlangt“. Den Schaden beziffern die Ankläger auf knapp 326 Millionen Euro.

Das Geschäftsprinzip hieß Cum-Ex. Die lateinischen Worte für „mit“ (cum) und „ohne“ (ex) haben traurige Berühmtheit erlangt. Zwölf Milliarden Euro soll der deutsche Steuerzahler verloren haben, weil Banken und reiche Investoren in den Steuertopf fassten. Aktien mit und ohne Dividendenanspruch wurden mit geliehenen Aktien, sogenannten Leerverkäufen, im Kreis gehandelt, um sich mehr Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, als abgeführt wurde.

Das Vorhaben basierte auf minutiöser Vorbereitung. „Tatplan“ nennt die Staatsanwaltschaft Köln die Vereinbarung, die Olearius‘ rechte Hand mit drei weiteren Beschuldigten und etlichen gesonderten Verfolgten ab 2006 trafen.

Was wusste Olearius von diesen Geschäften? Genug, sagen Zeugen der Anklage. Am 11. November 2008 etwa habe sich Olearius persönlich mit Steueranwalt Hanno Berger getroffen, dem Erfinder des Cum-Ex-Modells, „um die Auflegung von Investmentfonds zur Durchführung von Cum-Ex-Geschäften zu initiieren“.

Auch 2009 sei Olearius am Tatplan beteiligt gewesen. Außerdem habe er gebilligt, dass Berger und andere „ihren Anteil von 30 Prozent vom Gesamtgewinn der verfahrensgegenständlichen Cum-Ex-Geschäfte mittels nicht leistungshinterlegter Scheinrechnungen“ vereinnahmen würden. Und schließlich: Olearius selbst unterzeichnete Steuererklärungen, mit denen die wohl unrechtmäßigen Erstattungen ausgelöst wurden.

Opfer seiner Berater?

Olearius sagt, er sei trotzdem unschuldig. Die wahre Natur der Aktiengeschäfte, also die Steuerhinterziehung, sei ihm und den Mitarbeitern der M.M. Warburg verheimlicht worden. „Berger und sein Kollege haben in keinem der wenigen Treffen mittelbar oder unmittelbar Leerverkäufe angesprochen. Sie haben die Transaktionen vielmehr als Inhaberverkäufe dargestellt“, sagt sein Verteidiger Klaus Landry.

Es habe auch keinen „gemeinsam gefassten Tatplan“ gegeben. Warburg habe im Übrigen die Bruttoverkaufspreise inklusive der Kapitalertragsteuer an die Deutsche Bank als Depotbank des Verkäufers überwiesen. Eine Klage gegen das Geldhaus hatte bislang keinen Erfolg.

Teuer wird es für die Bank womöglich trotzdem. Zuerst forderte das Finanzamt für die Jahre 2010 und 2011 rund 55 Millionen Euro nach. Dann ergingen geänderte Steuerbescheide für 2007 bis 2009 über weitere 160 Millionen Euro. Die Bank hat die Bescheide angefochten.

Olearius und sein Mitgesellschafter Max Warburg haben sich vorsorglich verpflichtet, bei Bedarf Kapital nachzuschießen. Die Bank will sich von Tafelsilber trennen. Die zum Unternehmen gehörende Degussa Bank soll zum Verkauf stehen.

Olearius steht auch in einem politischen Sturm. In Hamburg beginnt ein Untersuchungsausschuss, der sein Verhältnis zum früheren Ersten Bürgermeister und heutigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) klären will. 2016 traf sich Olearius zweimal mit Scholz. Gesichert ist: Das Thema Cum-Ex kam zur Sprache.

Scholz sagt, er habe daran keine „aktive Erinnerung“. Olearius‘ Anwälte sagen, der Bankier habe sich „nie mit unzulässigen, rechtswidrigen Forderungen oder Wünschen an die Fiskalverwaltung oder Politiker gewandt“.

All das macht die Sache für Olearius nicht billiger. Zunächst setzte er zur Verteidigung auf die Kanzlei Quinn Emanuel. Deren Anwälte sind bekannt für ihre harte Gangart und ihre hohen Stundensätze. Im Gefecht mit der Justiz machten sie keinen Boden gut, an den Abrechnungen – bis zu 1000 Euro pro Stunde – änderte sich wenig. Olearius soll davon bald genug gehabt haben, jedenfalls endete das Mandat.

Inzwischen setzt der Bankier auf das bekannte Münchener Anwaltsduo Peter Gauweiler und Bernd Schünemann, außerdem auf die Verteidiger Landry und Ingo Flore. Auch sie gelten als angriffslustig. „Unser Mandant wird sich selbstverständlich einem Strafverfahren stellen und sich dort aktiv verteidigen“, sagt Landry.

Befangenheitsanträge gegen die Richter blieben bisher erfolglos. Alles deutet darauf hin, dass der gesonderte Verfolgte Olearius bald einen neuen Status erhält: Angeklagter.