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Neuer Jet vs. „getunte“ Bestandsmaschine: Boeing und Airbus kämpfen um den Langstreckenmarkt

Es ist noch ein wenig hin bis zum 17. Juni 2019, dem Start der Luft- und Raumfahrtmesse Le Bourget. Doch die Spekulationen laufen schon heiß, ob es dieses Mal auf dem Flughafen in der Nähe von Paris einen richtigen Knaller geben wird: die Vorstellung eines brandneuen Jets, der Boeing 797.

Der Informationsdienst „The Air Current“ berichtete vor einigen Wochen, es gebe bereits einen konkreten Zeitplan für die 797. Noch im Februar werde über die Triebwerke entschieden, im März würden erste Vorverträge mit Leasinggebern abgeschlossen und in Le Bourget dann der Jet einem ersten Airline-Kunden präsentiert.

Bestätigt sind die Informationen bislang zwar nicht. Doch hinter „The Air Current“ verbirgt sich der Luftfahrtexperte Jon Ostrower, der in der Vergangenheit schon häufiger mit seinen exklusiven Informationen richtig lag.

Hinzu kommt: Boeing-Chef Dennis Muilenburg hatte auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough im Sommer 2018 bekanntgegeben, dass 2019 die Entscheidung fallen werde, ob die 797 gebaut wird oder nicht. Wenn sie gebaut wird, wäre Le Bourget der Ort schlechthin, um das offiziell zu machen. Es ist die größte Luftfahrtmesse 2019.

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Es geht um ein Flugzeug für die „Mitte des Marktes“, den sogenannten „Middle of the Market“ (MoM) und damit um einen Jet mit 228 bis 268 Sitzen, der geeignet ist für Langstrecken. Neu ist das MoM-Segment nicht.

Boeing hatte bis 2004 die 757 im Angebot – mit gut 1000 gebauten Exemplaren eine durchaus erfolgreiche Maschine, die Platz für bis zu 295 Passagiere bot. Sie füllte damit eine Lücke zwischen den kleineren Mittelstreckenjets des Typs A320 oder Boeing 737 und den Großraum-Flugzeugen beider Hersteller. Seit dem Ende der 757 gibt es kein vergleichbares Flugzeug. Boeing plant deswegen bereits seit 2015 eine neues Flugzeug für diesen Markt.

Doch die Entscheidung über die Entwicklung eines völlig neuen Jets ist eine mit gewaltiger Tragweite. Boeing rechnet mit rund 15 Milliarden Dollar Kosten für die Entwicklung der 797. Denn nicht nur der Jet soll neu sein, Boeing würde bei einem Bau der 797 auch neue Fertigungstechniken einführen. Geld, das durch entsprechende Aufträge wieder eingespielt werden muss.

Airbus bereitet sich auf möglichen neuen Boeing-Jet vor

Wie schwer das sein kann, hat Airbus mit dem Super-Jumbo A380 leidvoll erfahren. Das Flugzeug ist bei Passagieren beliebt und effizient, dennoch findet es keine neuen Käufer. Zwar kann Airbus mit den bisherigen Bestellungen die Fertigungskosten abdecken, doch die Entwicklungskosten sind in dieser Rechnung außen vor.

Erst müsse es einen soliden „Business Case“ geben, hatte Boeing-Chef Muilenburg in Farnborough deutlich gemacht. Den zu eruieren, ist nicht einfach. Das beginnt schon mit der Frage, wie groß das Marktsegment überhaupt ist.

Boeing selbst beziffert den Bedarf für einen MoM-Jet auf 4000 bis 5000 Flugzeuge. Andere gehen von einem Bedarf eher in der Größe von rund 2000 Flugzeugen aus. Hinzu kommt: Muss es wirklich ein komplett neuer Jet sein, um die Mitte des Marktes bedienen zu können?

Rivale Airbus jedenfalls glaubt nicht, dass das notwendig ist. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern setzt stattdessen auf „getunte“ bestehende Modelle – und das immer intensiver, je näher Le Bourget rückt. Man will offensichtlich für den Fall der Fälle gerüstet sein. Dem Kontrahenten soll auf der Hausmesse in Frankreich nicht die Show überlassen werden.

So prüft Airbus derzeit eine spezielle Version des Langstreckenflugzeugs A330neo. Der abgespeckte Jet soll weniger Startgewicht haben, auch die Triebwerke sollen weniger Leistung besitzen. Das erklärte kürzlich A330-Marketingmanager Crawford Hamilton.

Mit der leichteren A330neo würde sich Airbus von oben in das MoM-Segment drängen. Von unten wiederum könnte der Konzern gleich zwei „aufgebohrte“ Versionen des Mittelstreckenflugzeugs A321 gegen eine mögliche 797 positionieren: die A321LR, die mit Zusatztanks eine größere Reichweite hat und bereits im Einsatz ist. Und möglicherweise eine A321XLR.

Letztere könnte laut Airbus mit einer verstärkten Struktur nochmal 700 Seemeilen weiter fliegen. Das Flugzeug käme etwa in die Mitte der Reichweitenbandbreite, die Boeing auch für die 797 plant: 4200 bis 5000 Seemeilen. Eine Entscheidung über die A321XLR könnte bald fallen. Ein Interessent soll laut Branchenkennern Lufthansa sein, die sich allerdings wegen der Reichweite auch die 797 anschauen könnte.

Das Kalkül von Airbus: Bis Boeing eine mögliche 797 im Jahr 2025 in den Markt einführt, will sich der europäische Konzern schon ein großes Stück von dem erwarteten Kuchen abgeschnitten haben – mit einem Angebot, bei dem für jeden etwas dabei ist.

Boeing als auch Airbus kämpfen derzeit mit Lieferproblemen

Wer auf den Komfort von zwei Gängen Wert legt, wie sie auch die 797 haben soll, kann auf die Leichtversion der A330neo zurückgreifen. Wer dagegen keine zwei Gänge braucht, hat die A321LR oder XLR. Angeblich hat Airbus für die XLR gegenüber Airlines das Jahr 2023 als mögliches Auslieferungsdatum in Aussicht gestellt. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht.

Ob die Rechnung aufgeht, ob also die Kunden eher auf bestehendes Gerät zurückgreifen oder auf den brandneuen Jet warten, ist ungewiss. Interessenten für die 797 gibt es bereits. Bislang hat die US-Airline Delta erklärt, die Patenschaft für den Jet übernehmen zu wollen. Auch United Airlines hat Interesse signalisiert. Zudem werden Norwegian und Air Lease als mögliche Kunden in Branchenkreisen genannt.

Die müssten allerdings wohl einiges an Geduld mitbringen. Zwar hat Boeing-Chef Muilenberg die lange Entscheidungsfindung auch damit begründet, alles von vornherein richtig planen zu wollen – also auch die Frage etwa der Zulieferer. Doch bislang hat es bei der Neuentwicklung von Passagierjets immer Probleme und größere Verzögerungen gegeben. Das ist auch bei der 797 zu erwarten.

Immerhin: Die Ausschreibung für die Triebwerke läuft bereits. Steve Udvar-Hazy, der Chef von Air Lease, geht davon aus, dass die 797 mit Triebwerken fliegen wird, die von bereits erprobten Motoren abgeleitet werden. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, wie schwierig es ist, komplett neue Triebwerke zu entwickeln.

Sowohl Boeing als auch Airbus kämpfen derzeit mit Lieferproblemen bei ihren Kurz- und Mittelstreckenjets Boeing 737Max und A320neo, weil die neuen Motoren Probleme machen und die Triebwerkslieferanten mit der Fertigung wegen ständiger Nachbesserungen nicht nachkommen.

Doch auch jenseits der Antriebe gibt es viele Baustellen bei dem neuen Jet. So hatte das in der Regel sehr gut informierte Fachportal „Leeham“ im vergangenen Sommer berichtet, dass Boeing bei den Überlegungen für eine 797 doch wieder zu Metall/Aluminium als Material für den Rumpf zurückgekehrt sei – und nicht mehr wie bisher mit Verbundmaterialen plane. Die seien deutlich teurer und Boeing sei es nicht gelungen, den Verkaufspreis für eine 797 in den geplanten Bereich von 70 Millionen Dollar zu drücken, schrieb Scott Hamilton damals in seinem Blog.

So oder so – die Signale verdichten sich seit kurzem, dass die 797 tatsächlich kommen wird. Darauf deuten unter anderem Aussagen von Zulieferern wie Safran hin. Deren Manager hatten jüngst am Rande einer Investorenveranstaltung erklärt, man gehe davon aus, dass der Jet gebaut werde. Das Rennen um eine Marktlücke ist also eröffnet.