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Bristol-Myers übernimmt Celgene – und wird zum Giganten im Onkologie-Geschäft

Schon seit gut einem Jahr spekulieren Branchenkenner über die nächste Fusionswelle im Pharmasektor. Nun scheinen sich diese Spekulationen mit einer Mega-Übernahme zu bestätigen: Der US-Konzern Bristol-Myers Squibb (BMS) will den Biotechkonzern Celgene für rund 74 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 65 Milliarden Euro) kaufen. Inklusive Schulden errechnet sich ein Transaktionswert von rund 89 Milliarden Dollar. Es wäre damit die größte Übernahme in der Pharmabranche.

Die Transaktion wird getrieben von den Ambitionen im boomenden Krebsmittelgeschäft. Mit künftig etwa 23 Milliarden Dollar Umsatz im Onkologiebereich wird BMS 2019 zum zweitgrößten Anbieter in diesem Segment hinter dem Marktführer Roche aufrücken. Krebsmittel werden damit für etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes von rund 37 Milliarden Dollar stehen.

„Das Beste von Pharma kombiniert mit dem Besten von Biotech“ lautet die einfache wie selbstbewusste Formel, die BMS-Chef Giovanni Caforio und Celgene-Chef Mark Alles in der Telefonkonferenz über die Transaktion präsentierte.

Beide Firmen wollen zusammen ein führendes Unternehmen in den Bereichen Onkologie, Immunologie, Entzündungskrankheiten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen formen, wie sie am Donnerstag mitteilten.

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Das Geschäft mit Krebsmedikamenten steht indessen klar im Vordergrund. Es ist derzeit das größte und zugleich auch eines der wachstumsstärksten Segmente im gesamten Pharmamarkt, angetrieben vor allem durch zahlreiche Neuentwicklungen, darunter etwa neuartige Krebsimmuntherapien und gentherapeutische Ansätze gegen Krebs. Die britische Marktforschungsfirma Evaluate Pharma etwa geht davon aus, dass sich das Marktvolumen bis 2024 auf mehr als 230 Milliarden Dollar verdoppeln wird.

BMS will in der neuen Struktur die Investitionen in die Produktentwicklung vorantreiben. In den nächsten Monaten sollen sechs neue Medikamente auf den Markt gebracht werden, die zusammen für einen Umsatz von mehr als 15 Milliarden Dollar stehen, darunter auch innovative Gentherapien. Beide Unternehmen sehen sich als Vorreiter in der Entwicklung innovativer Medikamente für Krankheiten, für die es bisher noch keine wirksamen Therapien gibt.

So groß der Markt und die Innovationen auch sind – die Entwicklung neuer Medikamente ist auch ein Risikogeschäft. Das gilt auch für BMS und Celgene. Beiden Unternehmen drohen Rückschläge.

Erfolgsgrundlage Thalidomid

So ist BMS in Gefahr, seine bisher führende Stellung in der Krebsimmuntherapie an den US-Konkurrenten Merck & Co. zu verlieren, dessen Medikament Keytruda in mehreren wichtigen Studien besser abschnitt als das BMS-Top-Produkt Opdivo.

Celgene wiederum scheiterte im ersten Anlauf mit seinem Multiple-Sklerose-Mittel Ozanimod, das man im Zuge der mehr als sieben Milliarden Dollar teuren Übernahme der Firma Receptos erworben hatte. Zudem verbuchte das Unternehmen bislang eher enttäuschende Erlöse mit einer Neuentwicklung gegen Schuppenflechte.

Im Herbst 2017 musste das Celgene daher seine Mittelfristprognose nach unten korrigieren. Der Aktienkurs hat sich seither halbiert, was für den Konkurrenten BMS nun die Möglichkeit für eine Übernahmeofferte eröffnete.

Celgene gehörte dabei in der Vergangenheit klar zu den erfolgreichsten Vertretern der amerikanischen Biotechindustrie. Ausgangspunkt für den Erfolg war ausgerechnet der Wirkstoff Thalidomid, der Ende der 50er-Jahre unter dem Namen Contergan für den größten Skandal der deutschen Pharmageschichte sorgte. Celgene entwickelte die Substanz in den 90er-Jahren unter dem Namen Thalomid als Mittel gegen Blutkrebs.

Das Nachfolgeprodukt Revlimid, eine modifizierte Form von Thalidomid, ist heute mit mehr als neun Milliarden Dollar Umsatz der wichtigste Umsatzträger für den Konzern und zugleich das umsatzstärkste Krebsmedikament überhaupt. Es wird mit großem Erfolg gegen diverse Arten von Leukämien und andere Blutkrebsarten eingesetzt, dürfte allerdings im Laufe der nächsten Jahre unter Generikakonkurrenz geraten.

Die Übernahme ist unterdessen ein neues Signal für die latente Fusions- und Übernahmebereitschaft in der Pharmabranche. Etwa alle vier Jahre schaukelt sich in dem Sektor die M & A-Aktivität zu neuen Höhepunkten auf. Zuletzt war das 2014/15 der Fall, als zum Beispiel die Firmen Allergan und Actavis fusionierten, Abbvie die Biotechfirma Pharmacyclics übernahm, Bayer die Consumer-Health-Sparte von Merck & Co. kaufte.

Der Branchenführer Pfizer versuchte damals vergeblich, zunächst mit Astra-Zeneca, dann mit Allergan zu fusionieren. Schon im ersten Quartal 2018, als Takeda die Übernahme der britischen Shire vereinbarte und Celgene den Gentherapie-Spezialisten Juno erwarb, deutete einiges darauf, dass die nächste Übernahmewelle starten würde. Weitere große Deals blieben dann aber aus.

Übernahmekandidaten

Die nun von BMS und Celgene angestrebte Transaktion bestätigt zugleich, dass erfolgreiche und wachstumsstarke Biotechunternehmen leicht zu Übernahmekandidaten werden können, sobald sich ihre Dynamik abschwächt.

Unter diesem Blickwinkel wurden in den letzten Jahren unter anderem auch Unternehmen wie Gilead und Biogen als Kandidaten gehandelt, die entweder selbst einen größeren Deal machen müssten oder zum Objekt für Big-Pharma-Konzerne werden könnten.

Etablierten Pharmariesen wiederum eröffnen solche Deals Möglichkeiten, Wachstumsschwächen auszubügeln und Spielraum für Effizienzgewinne zu schaffen. Das gilt auch für die Übernahme von Celgene durch BMS. Bis 2022 will der US-Konzern deutlich Kosten einsparen und Synergien in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar erzielen. Mehr als die Hälfte soll im Bereich der allgemeinen Verwaltung eingespart werden, 35 Prozent in sich überlappenden Bereichen in Forschung und Entwicklung sowie weitere zehn Prozent in der Produktion.

Dabei gehört Celgene in vieler Hinsicht bisher bereits zu den effizientesten Vertretern der Branche. Mit nur rund 7500 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen 2017 rund 13 Milliarden Dollar Umsatz. Für das gerade beendete Jahr 2018 erwartet Celgene einen Anstieg der Erlöse auf 15,2 Milliarden Dollar und eine operative Marge von 55,5 Prozent. Nur rund vier Prozent der Erlöse benötigt das Unternehmen für die Herstellung seiner Medikamente – ein Umstand, der in den USA für viel Kritik sorgt.

Hohe Forschungsausgaben

Demgegenüber leistete sich der Biotechkonzern in den letzten beiden Jahren auch sehr hohe Forschungsausgaben von rund sechs Milliarden Dollar, das heißt eine F+E-Ausgabenquote von mehr als 40 Prozent des Umsatzes. Diesem hohen Engagement standen zuletzt allerdings nur mäßige Erfolge gegenüber.

In Deutschland steuern beide Firmen ihr Geschäft von München aus. BMS beschäftigt derzeit 900 Mitarbeiter hierzulande. Celgene kommt auf mehr als 300 Mitarbeiter. Bei Celgene lag der Fokus zunächst ausschließlich auf der Behandlung bösartiger Erkrankungen des blutbildenden Systems, seit 2011 ist die Firma außerdem im Bereich der soliden Tumore aktiv.

Zuletzt kam im Jahr 2012 eine neue Geschäftseinheit hinzu, die sich schwerpunktmäßig mit entzündlichen Erkrankungen und Erkrankungen des Immunsystems beschäftigt und 2015 ihr erstes Produkt auf den Markt brachte.