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Wer die neuen Ausfallmilliarden bekommt – und wie

Die Bundesregierung verspricht weiteres Geld für Lockdown-geplagte Unternehmen und Selbstständige. Noch wirft die neue Milliardenhilfe viele Fragen auf, aber es gibt auch Antworten auf fünf der drängendsten Fragen.

Peter Altmaier (CDU, l-r), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, und Olaf Scholz (SPD), Finanzminister, geben eine Pressekonferenz zu den neuen Coronahilfen für die Wirtschaft. Foto: dpa
Peter Altmaier (CDU, l-r), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, und Olaf Scholz (SPD), Finanzminister, geben eine Pressekonferenz zu den neuen Coronahilfen für die Wirtschaft. Foto: dpa

Der Mann, der die „Bazooka“ und den „Wumms“ erfunden hat, will keine Zweifel aufkommen lassen: „Ich bin gut gerüstet“, sagt Olaf Scholz (SPD). „Wir haben die Kraft, das Erforderliche zu tun.“ Der Bundesfinanzminister steht gemeinsam mit Peter Altmaier (CDU), dem Bundeswirtschaftsminister, auf dem Podium der Berliner Bundespressekonferenz, um eine besondere Maßnahme vorzustellen. Eine, der wiederum Markus Söder, der bayrische Ministerpräsident, am Tag zuvor bereits ein bemerkenswertes Etikett angeklebt hatte: „Das hat es in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte selten gegeben.“

In der Tat. Mit „das“ ist eine neue, so genannte außerordentliche Wirtschaftshilfe gemeint. Sie soll besonders vom Lockdown betroffenen Unternehmen helfen, den November zu überstehen. Zehn Milliarden Euro sollen dafür fließen. Ein Vermögen für gerade einmal einen Monat? Besondere Zeiten, ohne Frage.

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Das Copyright für die neue Nothilfe, so heißt es aus Regierungskreisen, gehöre dem Finanzministerium. Die Fachleute in den beiden Ressorts müssen nun, wie schon so oft, binnen Tagen Details festzurren, den politischen Willen erst noch in klare Anweisungen überführen. Bei ihrem Auftritt geben sich Scholz und Altmaier betont einig, überspielen die allermeisten Differenzen, obwohl es in der Vergangenheit immer wieder Dissens über die richtigen Krisenmaßnahmen der Wahl und ihren Umfang gab.

Beide zusammen sparen nicht mit Pathos. Von einer „großen nationalen Kraftanstrengung“ spricht Altmaier, von „massiven, in dieser Größenordnung unbekannten“ Hilfen Scholz. Ganz klar, die Bazooka hat neue Munition bekommen.

Welche Unternehmen können die neue Wirtschaftshilfe bekommen?

Der Beschluss von Mittwoch liest sich eindeutig: „Für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag beträgt 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, womit die Fixkosten des Unternehmens pauschaliert werden.“

Es geht also, erstens, vor allem um kleinere und mittelgroße Unternehmen und zweitens nur um jene Branchen und Betriebe, die vom neuerlichen Lockdown besonders betroffen sind und ab dem 2. November dicht machen müssen. Die Losung lautet: Staatliche Entschädigung aufgrund von staatlich erzwungener Schließung. Zutreffen dürfte das also für Restaurants und Bars, Theater und Museen, Freizeitparks, Schwimmbäder, Massagesalons, Kosmetiker oder auch Bordelle.

Altmaier und Scholz machen es bei ihrem Auftritt auch noch einmal klar: Unterstützung gibt es nur für direkt betroffenen Firmen, nicht etwa für Zulieferer oder Vertragspartner, die mittelbar leiden.

Was aber ist beispielsweise mit Hotels, die offen bleiben dürfen, aber nur noch mit notwendigen dienstliche Übernachtungen Geld verdienen? Was mit Restaurants in Hotels? Was geschieht mit Gastronomiefirmen, die möglichweise mehr als 50 Mitarbeiter haben – allerdings verteilt auf mehrere Betriebsstätten, die wiederum für sich genommen klein genug wären? All das ist weiterhin offen.

Komplizierter dürfte es zudem bei größeren Firmen werden, denn hier kommt EU-Recht ins Spiel. „Die Prozentsätze für größere Unternehmen werden nach Maßgabe der Obergrenzen der einschlägigen beihilferechtlichen Vorgaben ermittelt“, heißt es im Beschluss. Soll heißen: Brüssel muss erst zustimmen, weil es sich um direkte Subventionierung handelt – und die Fördersätze dürften geringer ausfallen, allein auch deswegen, weil der finanzielle Rahmen sonst gesprengt würde.

Wie fallen die ersten Reaktionen aus?

Durchaus positiv. „Wenn der Staat den Geschäftsbetrieb untersagt, dann ist er auch in der Pflicht, die Folgen zu kompensieren“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, der WirtschaftsWoche. Die betroffenen Bereiche seien bisher schon besonders angeschlagen gewesen und das Eigenkapital bereits angegriffen. „Die Erstattung des Umsatzausfall ist sicher zielführend“, so Hüther weiter. „ob allerdings 75 Prozent ausreichen, dürfte fraglich sein, je länger der Lockdown dauert. Die Margen liegen in diesen konsumnahen Bereichen ja nicht bei 25 Prozent, insofern kann es trotz der Hilfen zu einem massiven Unternehmenssterben kommen.“

Ohne Einschränkung ist sein Lob dennoch nicht: „Gar keine Hilfe haben die Einzelhändler in Aussicht, deren Geschäfte zwar offen bleiben dürfen, aber in Innenstädten, die wegen geschlossener Cafés, Restaurants und Kultureinrichtungen unattraktiv sind, kaum noch oder viel weniger Kunden haben werden.“

„Die Signale, 75 Prozent der Umsatzverluste zu ersetzen, gehen in die richtige Richtung“, urteilte auch der Chef des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung, Gabriel Felbermayr. Unterstützung für die Maßnahmen ist zudem von der FDP zu vernehmen: Diese Absicherung für Selbstständige und Unternehmer sei „grundsätzlich zu begrüßen“, sagte FDP-Schatzmeister Harald Christ der WirtschaftsWoche. Wichtig sei jedoch, „dass Missbrauch verhindert wird“ und „bürokratische Hürden händelbar sind“.



Wie kommt man an das Geld?

Wie auch schon bei den bisher gewährten Krediten und Überbrückungshilfen wird es wieder einen Zielkonflikt geben: je unbürokratischer das Geld gewährt werden soll, desto mehr Mittel dürften nötig sein – und desto umfangreicher könnte es auch zu Missbrauch kommen.

Das Kriterium des Vorjahresumsatzes klingt jedenfalls nicht nach einer gänzlich trivialen Lösung. Denn selbst wenn es wohl keine Bedarfsprüfung im engeren Sinn geben wird: Der Umsatz des Monats November 2019 muss dennoch zunächst glaubhaft dokumentiert werden, bevor er dann geprüft werden und die konkrete Summe ausbezahlt werden kann.

Die neue Sonderhilfe soll wie Überbrückungshilfen über ein bestehendes digitales Antragsportal beantragt und dann über die Bundesländer abgewickelt werden. Das heißt dann auch, dass wieder Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zwischengeschaltet werden müssen. So ist es jedenfalls bei der Überbrückungshilfe II geregelt, auf die Altmaier explizit Bezug nahm.

Was dann wiederum mit Antragstellern passiert, die beispielsweise im Oktober und Dezember des letztens Jahres hohe, im November aber geringe oder gar keine Einnahmen hatten? Hier soll ein Mittelwert aus mehreren Monaten gebildet werden dürfen. Auch Unternehmen, die im vergangenen Herbst noch gar nicht existierten, also auch keine Umsätze hatten, sollen Alternativmonate angeben dürfen.

Können die in Aussicht gestellten zehn Milliarden Euro reichen?

Zunächst einmal: Mittel sind genügend vorhanden. Da hat Olaf Scholz recht. Allein die Töpfe der Überbrückungshilfen sind noch lange nicht ausgeschöpft. Dort liegen noch mehr als 20 Milliarden Euro bereit. Allerdings klingt das neue Hilfsprogramm nach einer sehr breit angelegten Förderung – es dürften also sehr viele Firmen dafür in Frage kommen. Und anders als bei bisherigen Programmen bemisst sich die Förderfähigkeit auch nicht an einem bestimmten Umsatzeinbruch zu Vor-Coronazeiten.
Es dürfte also sehr fraglich sein, ob die in Aussicht gestellten zehn Milliarden reichen – und sich im Nachhinein nicht als frei gegriffene Zahl erweisen werden.

Und gäbe es denn auch Alternativen?

Die gäbe es durchaus. Letzten Endes geht es ja vor allem darum, Liquidität zu garantieren. Eine von zahlreichen Ökonomen von allen Seiten des Spektrums seit Monaten propagierte Möglichkeit wäre es, die Flexibilität des Steuerrechts deutlich stärker zu nutzen als bisher.
Gerade erst wieder hat Ifo-Chef Clemens Fuest darauf hingewiesen, dass der steuerliche Verlustrücktrag ein kluger Weg wäre: „Die derzeit geltende Beschränkung der Verlustverrechnung verstärkt die Krise, denn sie belastet gerade Unternehmen, die vor der Krise positive Erträge erwirtschaftet haben und nun krisenbedingt Verluste erleiden“, sagt er. Bislang ist diese Option jedoch auf fünf Millionen Euro gedeckelt.

Zu wenig, findet auch BDI-Präsident Dieter Kempf, der eine sofortige Stärkung der Verlustrechnung in der Einkommen- und Körperschaftsteuer für „notwendig“ erachtet, „um die Betriebe in schwerer Zeit schnellstmöglich mit Liquidität zu versorgen“.
Diese Variante fände im Übrigen auch FDP-Mann Christ noch sinnvoller als dem Umsatzausgleich: „Dieser Liquiditätsimpuls würde sofort wirken.“ Doch dem Vernehmen nach sperrte sich in der großen Koalition bisher die SPD gegen eine Ausweitung. Sie wittert zu viele Steuergestaltungsmöglichkeiten. Dass Altmaier das anders sieht, ließ er heute durchblicken. Aber die Krise ist ja noch lange nicht zu Ende.

Mehr zum Thema: Ein neues Gesetz soll die Rettung von Unternehmen erleichtern. Doch für viele Corona-Opfer wird die Sanierung zu komplex und teuer.