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Vor neuem Übernahmeangebot: Osram hält neue Strategie unter Verschluss

Der Lichtkonzern will erst den Ausgang des Übernahmekampfes abwarten. Die IG Metall hält das für verkehrt – und nun mischt sich auch noch ein Hedgefonds ein.

Die Gewerkschaft warnt davor, die neue Strategie auf die lange Bank zu schieben. Foto: dpa
Die Gewerkschaft warnt davor, die neue Strategie auf die lange Bank zu schieben. Foto: dpa

Es ist noch keine vier Wochen her, dass Osram-Chef Olaf Berlien die Unabhängigkeit des Münchener Lichtkonzerns feierte. „Nach dem Scheitern der bisherigen Übernahmeversuche behalten wir jetzt unsere Eigenständigkeit und gestalten unsere Zukunft selbst“, erklärte der Manager – und versprach schon bald ein „Update“ der Unternehmensstrategie. Bei der Bilanzvorlage am 12. November werde er den „#new Osram-Plan“ vorstellen.

Doch es war ein Fall von zu früh gefreut. Der österreichische Sensorikspezialist AMS kündigte nach dem gescheiterten ersten Übernahmeversuch einen zweiten Anlauf an. Die Osram-Führung um Berlien hat nun zwar die neue Strategie ausgearbeitet in der Schublade. Nach Informationen aus Industriekreisen wird die Präsentation zunächst aber verschoben.

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Eine Vorlage der fortgeschriebenen Strategie dann im Dezember ergebe nur Sinn, wenn der neue Übernahmeversuch von AMS scheitere, hieß es. Die IG Metall forderte dagegen, Osram müsse die Weiterentwicklung der Strategie unabhängig von der Offerte vorantreiben.

Unabhängig von dem Übernahmekampf dürfte es bei Osram laut Industriekreisen zu weiterem Stellenabbau kommen. Eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Oktober, auf der die Pläne präsentiert werden sollten, war verschoben worden. Am Handlungsbedarf ändere das aber nichts, hieß es. Es soll um eine höhere dreistellige Zahl von Arbeitsplätzen gehen. Osram wollte die Informationen nicht kommentieren.

In Sachen Übernahme dürfte es dagegen schon bald Klarheit geben. Im Umfeld des Aufsichtsrats wird damit gerechnet, dass die Finanzaufsicht Bafin das neue Angebot von AMS über 41 Euro je Aktie in den kommenden Tagen freigibt. Die meisten Insider rechnen damit, dass die Österreicher diesmal ihr Ziel erreichen und die auf 55 Prozent abgesenkte Mindestannahmeschwelle überspringen dürften.

Allerdings ist dies etwas schwerer geworden: Am Freitag wurde bekannt, dass der Hedgefonds Sand Grove Capital mit 5,75 Prozent der Anteile bei Osram eingestiegen ist. Der Investor könnte zum Beispiel auf eine spätere, höhere Abfindung hoffen. Diese Anteile werden also womöglich nicht eingereicht. „Die 55 Prozent dürfte AMS aber dennoch schaffen“, hieß es in Industriekreisen. Auch der Hedgefonds könne kein Interesse daran haben, dass die Übernahme platzt.

Vorstand und Aufsichtsrat von Osram hatten sich lange gegen die Übernahme durch AMS gewehrt. Sie befürchten eine Zerschlagung des Unternehmens und einen massiven Stellenabbau. Zudem gab es Zweifel an der Finanzierung. AMS will den Kaufpreis von mehr als vier Milliarden Euro erst einmal komplett mit Krediten stemmen. Der neue Konzern würde damit mit der Belastung einer hohen Verschuldung an den Start gehen.

Scharfe Kritik von der Gewerkschaft

Die IG Metall warnte nun davor, die neue Strategie auf die lange Bank zu schieben. „Die Führung kann jetzt nicht einfach den Kopf in den Sand stecken. Osram braucht eine Vorwärtsstrategie – unabhängig von AMS“, sagte Aufsichtsratsvize Klaus Abel dem Handelsblatt.

Ein großer Teil der Managementkapazitäten werde derzeit durch den Übernahmekampf gebunden. Dabei dürfe aber nicht die Arbeit liegen bleiben. „Es kann ja durchaus sein, dass AMS auch mit dem neuen Übernahmeangebot gegen die Wand läuft“, sagte Abel.

Wenn Osram die Weiterentwicklung der Strategie verschiebe, verliere man nur Zeit. „Ich gehe davon aus, dass der Vorstand Mitte November seine aktualisierte Strategie vorlegt. Sonst würde man sich unglaubwürdig machen.“

Die IG Metall hatte zudem scharf kritisiert, dass AMS die eigentlich gesetzlich vorgeschriebene Sperrfrist von einem Jahr für das zweite Angebot umging, indem es einfach eine neue Zweckgesellschaft für die Übernahme gründete. Aufsichtsrats-Vize Klaus Abel forderte die Bafin auf, diesem „Bauerntrick“ einen Riegel vorzuschieben und das neue Angebot abzulehnen. In Industriekreisen wird aber damit gerechnet, dass die Aufseher die neue Angebotsunterlage zulassen. AMS nutze eine Gesetzeslücke.

Der Osram-Vorstand hat die Strategie derweil intern fortentwickelt. Diese sieht nach Informationen des Handelsblatts einerseits vor, eine Reihe von operativen Baustellen anzugehen. Zudem soll das Portfolio geschärft werden. Die Chipsparte OS habe schon eine „Rosskur“ hinter sich, hieß es in Industriekreisen.

Im Automotive-Geschäft müsse man zwar wegen des raschen Technologiewandels an der einen oder anderen Stelle nachjustieren, zumal die Zuliefererbranche weltweit unter Druck steht. Doch insgesamt sei Automotive auf Kurs.

Schwieriges Digitalgeschäft

Stärker im Fokus steht dagegen die Digital-Geschäftseinheit. AMS will diese im Fall einer Übernahme von Osram ganz loswerden. Doch auch bei Osram sieht man Handlungsbedarf.

Die zuletzt defizitäre Sparte ist ein sehr heterogenes Gebilde. Ein großer Teil entfällt auf das traditionelle Geschäft mit elektronischen Vorschaltgeräten für Leuchten, das rote Zahlen schreibt. Hier hätten alle Anbieter derzeit Schwierigkeiten, hieß es in der Branche.

Für Osram ergebe das Geschäft nach dem Verkauf der Leuchtensparte Siteco zudem weniger Sinn. Allerdings seien die Aktivitäten wohl nur schwer verkäuflich, am ehesten sei noch Interesse von chinesischen Unternehmen denkbar. Ein Komplettverkauf der Sparte, wie ihn AMS plane, sei nicht sinnvoll, hieß es.

Denn in der Einheit sind auch eine Reihe von Akquisitionen und kleinere, aber teils zukunftsträchtige Geschäfte versammelt. So hatte Osram zum Beispiel im vergangenen Jahr die US-Firma Fluence übernommen, die sich als weltweit führender Anbieter von intelligentem Pflanzenlicht versteht. Dieses wird zum Beispiel bei der Aufzucht von Gemüse oder in den USA von Cannabis für medizinische Anwendungen verwendet. Der sogenannte Horticulture-Markt gilt als wachstumsstark.

Zum Portfolio gehört auch Digital Lumens. Das Unternehmen verfügt über eine Software-Plattform, mittels derer Anwendungen von intelligenter Licht- und Energiesteuerung über Sicherheitstechnik bis hin zur Messung von Umweltparametern wie Luftqualität realisiert werden können.


Zustimmung zum Zusammenschluss wächst

Kritiker werfen Osram-Chef Berlien vor, ohne übergeordnete Strategie bunt zusammengekauft zu haben. Dass nicht jedes Engagement von Erfolg gekrönt ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Beteiligung Agrilution nach Informationen des Handelsblatts Insolvenz angemeldet hat.

Die Firma entwickelte sogenannte Vertical-Farming-Systeme, das sind Gewächsschränke, in denen auf mehreren Ebenen zum Beispiel Kräuter und Salate gepflanzt werden. Das Licht wird intelligent gesteuert. Die Systeme waren allerdings mit mehreren tausend Euro sehr teuer.

„Investments in Start-ups sind immer mit Risiko verbunden“, hieß es bei Osram auf Anfrage. Die nächste Finanzierungsrunde habe leider nicht geklappt. Trotz eines guten Produkts sei es Agrilution nicht gelungen, zusätzliche Investoren für die nächsten Produktweiterentwicklungen sowie einen weltweiten Vertrieb zu gewinnen.“ Der Lichtkonzern hielt zuletzt noch knapp 20 Prozent der Anteile.

In Industriekreisen hieß es aber, grundsätzlich sei die Strategie richtig, die Abhängigkeit von den traditionellen, wachstumsschwachen Lichtmärkten zu verringern und neue Zukunftsmärkte zum Beispiel in der Sensorik für Handys oder beim autonomen Fahren zu suchen. „Hätte Osram vor zwei Jahren AMS übernommen, stünde man heute anders da.“

Osram prüfte den Kauf der Österreicher damals zwar, entschied sich aber dagegen. Nun kommt es womöglich umgekehrt. Immer mehr Osram-Manager räumen mittlerweile ein, dass ein Zusammenschluss der beiden Unternehmen grundsätzlich Sinn ergibt.

Dass Osram-Chef Olaf Berlien die neue Unternehmensstrategie zunächst auf Eis legt, wird in Österreich aufmerksam registriert. AMS wollte aber auf Anfrage keine Stellung nehmen. Das Unternehmen besitzt bereits knapp 20 Prozent der Aktien am Münchner Lichtkonzern und ist damit der größte Einzelaktionär. Daher ergab es für Finanzinvestoren auch keinen Sinn mehr, mit einem höheren Angebot zu kontern. Zuletzt stiegen die Finanzinvestoren Advent und Bain aus der Bieterschlacht aus.

AMS handelt aus Position der Stärke

Auch die Börse ist zuversichtlich, dass dem Chiphersteller die Übernahme der deutlich größeren Osram gelingt. Innerhalb eines Jahres stieg die AMS-Aktie um mehr als 28 Prozent. Der Sensorikhersteller handelt aus einer Position der Stärke.

Die Österreicher hatten vor Kurzem ein gutes Quartalsergebnis verkündet. Die Erlöse legten um 41 Prozent auf 645 Millionen Dollar zu. Das bereinigte Nettoergebnis belief sich aufgrund der Investitionszurückhaltung auf 158 Millionen Dollar. Für das vierte Quartal erwartet der Konzern aufgrund der Nachfrage von Smartphone-Herstellern ein starkes Umsatzwachstum, auch wenn das makroökonomische Umfeld herausfordernd sei.

AMS ist mit seinem 9000 Mitarbeitern der weltweit führende Hersteller und Entwickler von Hochleistungs-Sensorlösungen für Handyhersteller wie Apple, die Autobranche oder die Medizintechnik. Der Konzern erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro und ein Nettoergebnis von 93 Millionen Euro.

Mit Spannung wird erwartet, ob die Österreicher in den Angebotsunterlagen für Osram weitergehende Zusicherungen für Arbeitsplätze oder Standorte machen. Die Arbeitnehmervertreter fürchten einen Stellenabbau, um die versprochenen Synergien zu erreichen. Allerdings ist auch der IG Metall klar, dass auf die Arbeitnehmer unabhängig von der Übernahme weitere Einschnitte zukommen könnten.

Der Gewerkschaft sei bewusst, dass die Transformation weiter gehe, sagte Aufsichtsratsvize Abel. „Auch wir sehen, dass traditionelle Arbeitsplätze weiter wegfallen, während es gleichzeitig neue Bereiche gibt, in denen Personal gebraucht wird.“ Daher sei es wichtig, die Beschäftigten für neue Themen weiter zu qualifizieren.

Der Manager wird vorerst nicht die neue Strategie des Unternehmens präsentieren. Foto: dpa
Der Manager wird vorerst nicht die neue Strategie des Unternehmens präsentieren. Foto: dpa