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Lufthansa prüft Umbau: neue Freiheit für Töchter wie Eurowings?

Aktionäre der Lufthansa sind nach einer Gewinnwarnung misstrauisch. Eine neue Organisationsform könnte die Antwort von Konzernchef Carsten Spohr sein.

Für die Kontoverwaltung setzen sich neue Sicherheitsverfahren durch. Foto: dpa
Für die Kontoverwaltung setzen sich neue Sicherheitsverfahren durch. Foto: dpa

Europas größte Fluggesellschaft denkt über den Umbau in eine Holding nach. Nach Informationen des Handelsblattes wird im Vorstand und mit Teilen des Aufsichtsrats der Lufthansa über eine neue Konzernstruktur diskutiert.

Die Gespräche befinden sich zwar noch in einer frühen Phase. Doch die Führung unter Vorstandschef Carsten Spohr steht unter Druck. Das Unternehmen ist an der Börse nur noch gut sieben Milliarden Euro wert. Allein die Jets und das Ersatzteillager stehen mit 19 Milliarden Euro in der Bilanz. Investoren fordern schon länger eine schlanke Holding, ähnlich wie beim Konkurrenten IAG (British Airways, Iberia, Vueling, Aer Lingus).

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Ein Lufthansa-Sprecher blieb zwar einsilbig: „Ganz generell überprüft die Lufthansa Group in regelmäßigen Abständen die gegenwärtigen Konzernstrukturen, um die Zukunftsfähigkeit des Konzerns sicherzustellen.“ Aber Investoren drängen derzeit etliche Unternehmen, ihren Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Siemens und Daimler haben sich bereits neue Holding-Strukturen verordnet – die Lufthansa könnte diesen Beispielen folgen.

Sorgenvoll blicken Investoren auf kommenden Dienstag. Dann legt die Lufthansa Quartalszahlen vor. Nach einem verpatzten ersten Quartal und einer Gewinnwarnung ist das Vertrauen der Investoren in Europas größte Airline beschädigt. Die Furcht vor neuen Hiobsbotschaften ist allseits präsent.

Lufthansa-Chef Spohr steht damit nach einer jahrelangen Tarifauseinandersetzung und dem Absturz einer Germanwings-Maschine (März 2015) vor seiner dritten Bewährungsprobe. „Lufthansa versteht es traditionell glänzend, den Markt abzusichern“, sagt eine Führungskraft. „Wir haben die Größe, die wir brauchen. Aber wir schaffen es irgendwie nicht, die zur Verfügung stehenden Pferdestärken auch auf die Straße zu bringen.“

Nun soll gegengesteuert werden. Flankiert von der Strategieabteilung brütet das Topmanagement über einen Umbau. Im Zentrum steht eine bekannte Idee: die Umstrukturierung in eine Holding. Unter deren Dach sollen sich die einzelnen Marken freier bewegen und so höhere Gewinne erzielen. (Lesen Sie hier, warum Eurowings die größte Baustelle im Unternehmen ist.)

Es wird Hürden geben

Es ist eine Diskussion in einem frühen Stadium. Und es gibt Hürden. Der Konzern müsste die stillen Reserven offenlegen und versteuern. Auch müsste die Stammmarke Lufthansa aus der Verwaltung herausgeschält werden. Doch die Debatte läuft. Das bestätigen mehrere voneinander unabhängige Quellen.

Analysten fordern eine Holdingstruktur. „Es wäre ein positives Ergebnis, wenn es Schritte in Richtung einer Holdingstruktur geben würde“, hatte Daniel Röska von Bernstein Research vor dem Capital Markets Day von Lufthansa im Juni den Druck auf das Management erhöht. Damals reagierte Spohr zurückhaltend: „Da, wo es sinnvoll ist, etwa beim Flugzeugeinkauf, agieren wir wie eine Holding. Da, wo es nicht nötig ist, eben nicht.“

Die Kommunikation zu Investoren hat Spohr in der Vergangenheit zumeist seinem erfahrenen Finanzvorstand Ulrik Svensson überlassen. Doch die Investoren wollen auch Zugang zum CEO. Damit tat sich Spohr bislang schwer. „Er kann nicht akzeptieren, wenn ein 30-jähriger Analyst mit Excel-Sheet versucht, ihm zu erklären, wie das Geschäft funktioniert“, sagt ein Kenner des Lufthansa-Chefs.

Spohr ist Lufthanseat durch und durch. Der Wirtschaftsingenieur war Pilot, hat die Frachttochter LH Cargo geführt, das Passagiergeschäft und rückte dann an die Vorstandsspitze. Er weiß also, worum es beim Fliegen geht. Doch diese „Sozialisation“ steht ihm auch im Weg. „Er kann nicht nachvollziehen, warum die Investoren nicht wertschätzen, dass Lufthansa die einzige Fünf-Sterne-Airline in Europa ist und für viel Geld so viele neue Flugzeuge kauft“, sagt ein Wegbegleiter.

Der niedrige Börsenwert wird zu einem ernsten Problem. Spohr will weiter zukaufen. Ohne Unterstützung der Investoren ist das aber schwer. Gleich mehrere Fondsvertreter forderten Spohr auf der Hauptversammlung im Mai auf, von weiteren Übernahmen bitte vorerst die Finger zu lassen. In Einzelgesprächen mit Investoren sollen diese Tacheles geredet haben, wird in Finanzkreisen berichtet.

Erst spät realisierte Spohr, dass er die Finanzmärkte zu lange vernachlässigt hat. Dazu hat nicht zuletzt die heftige Reaktion auf die Gewinnwarnung beigetragen. Innerhalb weniger Stunden wurde fast eine Milliarde Euro an Aktionärsvermögen vernichtet. Auch ein anderes Amt des Managers dürfte zum Erkenntnisgewinn beigetragen haben. Spohr ist im Aufsichtsrat bei Thyssen-Krupp. Dort musste er erleben, was es bedeutet, wenn aktivistische Investoren einsteigen.


Druck vom Aufsichtsrat

Zum anderen macht der Aufsichtsrat um Karl-Ludwig Kley Druck. Von der Strategieanpassung bei Eurowings hatte Spohr das Gremium nicht vorab informiert. Erst im Nachgang lud Aufsichtsratschef Kley die Kontrolleure für den 3. Juli zu einer Telefonkonferenz mit dem Vorstand ein. Entsprechend ungehalten verlief das Gespräch. Mehrere Aufseher hätten deutlich gemacht, dass sie sich nicht derart behandeln ließen, hieß es in Aufsichtsratskreisen. Zumal der Plan, die Verantwortung für die Tochter Brussels Airlines aus dem Ressort von Vorstand Thorsten Dirks in das seines Kollegen Harry Hohmeister zu verlagern, eine Angelegenheit der Geschäftsordnung ist. Der muss das Kontrollgremium zustimmen.

Hinzu kommt: Mit Kley, ehemaliger Lufthansa-Finanzvorstand und Ex-Merck-Chef, dem Henkel-CFO Carsten Knobel und Stephan Sturm, Chef von Fresenius, sitzen drei Experten im Aufsichtsrat, die die Gesetze am Kapitalmarkt kennen. Vor allem Kley – so berichten Führungskräfte – kann nicht verstehen, warum das Prognosesystem angesichts der Vorausbuchungen so versagte. „Spohr merkt, dass er nicht unantastbar ist“, heißt es.

Der Verweis auf die besonderen Herausforderungen von Eurowings reichen den Mitgliedern des Kontrollgremiums nicht. Denn es gibt weitere Probleme. Etwa im Premiumgeschäft mit den Marken Lufthansa, Swiss und Austrian. Mit dem zentralen IT-Projekt „Airlines.com“ will die Gruppe endlich die Plattform schaffen, auf der die Kunden ihre Tickets komfortabel aus einer Hand kaufen und umbuchen können. Das Vorhaben stockt aber, auch weil ein Dienstleister in finanziellen Schwierigkeiten steckt. „Das hat Lufthansa um gut zwei Jahre zurückgeworfen“, heißt es im Konzernumfeld. Von Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe ist die Rede. Lufthansa will sich dazu nicht äußern.

Indizien für Umstrukturierungspläne

Es ist immer wieder die Komplexität, die Lufthansa ein Bein stellt. Die Holding könnte Abhilfe schaffen, wäre der Auftakt zu einer völlig neuen Struktur, bei der „alte Zöpfe“ abgeschnitten werden könnten – auch bei der im Konzern durchaus unbeliebten Matrixstruktur. Denn zentrale Aufgaben, etwa die Entwicklung eines neuen Business-Class-Sitzes, sind in Kompetenzzentren gebündelt – für alle Airline-Marken. Bei Lufthansa gibt es vier davon, verteilt auf die Drehkreuze Frankfurt, München, Zürich und Wien. Das Modell hat die Entscheidungen in vielen Bereichen vereinheitlicht, hat aber auch Nachteile. Zuweilen sind die Zuständigkeiten nicht ganz klar. Zudem produziert die Matrix viel Reiseaufwand. Ein Team soll die Struktur nun analysieren und Ineffizienzen identifizieren. Intern wird das bereits als eine Art Vorarbeit auf dem Weg zu einer Holding gesehen.

Dazu passen andere Vorhaben. Lufthansa soll sich stärker auf das Fliegen konzentrieren. So laufen Gespräche über den Verkauf der Cateringtochter LSG Sky Chefs. Drei Bieter gibt es, aber die Sache ist kompliziert. Die Strategen der „Hansa“ sorgen sich, dass Lufthansa zu sehr von einem externen Dienstleister abhängig wird. Eine mögliche Lösung: Die Gebäude und die Fahrzeuge von LSG verbleiben im Konzern. „Ohne die Infrastruktur geht es beim Catering nicht, man würde also eine gegenseitige Abhängigkeit mit dem Käufer herstellen“, heißt es im Umfeld der LSG. Lufthansa will sich nicht zum Stand der Gespräche äußern.

Eine Holding wäre die logische Fortentwicklung nach der Einkaufstour der vergangenen Jahre. Denn das Fluggeschäft gliedert sich längst über viele Marken und noch mehr Standorte. Über 130.000 Mitarbeiter zählen die 550 Tochterfirmen und Beteiligungen. Künftig könnten Neuerwerbungen einfacher unter das Holdingdach schlüpfen.

Die Investoren stellten jedenfalls längst klar: „Die langfristige Strategie ist richtig, aber es ist in den zurückliegenden Monaten einfach zu viel schiefgelaufen“, sagt Röska von Bernstein.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr steht unter Druck. Das Unternehmen ist an der Börse nur noch rund sieben Milliarden Euro wert. Foto: dpa
Lufthansa-Chef Carsten Spohr steht unter Druck. Das Unternehmen ist an der Börse nur noch rund sieben Milliarden Euro wert. Foto: dpa