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Mit jedem Tag noch teurer: Der Handelsstreit verschärft sich weiter

Schwarze Listen, Einreiseverbote, Strafzölle: Vor den Handelsgesprächen zwischen China und den USA erreichen die Beziehungen einen neuen Tiefpunkt – und der Sog wird stärker.

Eigentlich hätte es eine Woche der Entspannung werden sollen. Doch vor den wichtigen Gesprächen von Chinas Vizeregierungschef Liu He am Donnerstag und Freitag in Washington haben sich die Beziehungen zwischen den Wirtschaftsmächten weiter verschlechtert.

Experten glauben nicht mehr an eine kurzfristige Lösung des Handelsstreits. „China wird immer wieder mit Gesten versuchen, Trump zu besänftigen, ohne bei den Kernthemen nachzugeben“, sagt Max Zenglein, Experte der Berliner China-Denkfabrik Merics.

Die US-Regierung setzt unterdessen weiter auf Konfrontation. So hat sie US-Unternehmen Geschäfte mit chinesischen Herstellern von Überwachungstechnologie verboten. Zudem haben chinesische Funktionäre wegen ihrer Verwicklung in die Unterdrückung der ethnischen Minderheit der Uiguren Einreiseverbote erhalten.

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Peking sieht darin „unilaterale Sanktionen“ und erwägt Einreisesperren für US-Beamte. Sollten sich beide Seiten nicht zumindest in Teilbereichen einigen, eskaliert der Konflikt weiter. In der kommenden Woche würde der Zollsatz auf chinesische Waren im Volumen von 250 Milliarden Dollar von 25 auf 30 Prozent steigen.

Die deutsche Regierung betrachtet den Konflikt mit wachsender Sorge. Auch Industrievertreter warnen: „Der Handelskonflikt zwischen den USA und China trifft auch die deutschen Unternehmen“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer dem Handelsblatt. „Neue Handelsbarrieren stellen weltweite Lieferketten infrage.“

Dieser Streit ist für alle teuer. Heben China und die USA ihre Strafzölle nicht auf, senkt dies nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds die weltweite Wirtschaftsleistung bis zum kommenden Jahr um 700 Milliarden US-Dollar.

Chinas Wachstum ist im zweiten Quartal bereits mit 6,2 Prozent auf den tiefsten Wert seit 30 Jahren abgesackt, und die Skepsis nimmt zu, ob Staatschef Xi Jinping das Pro-Kopf-Einkommen so stark wie versprochen steigern kann.

Und auch US-Präsident Donald Trump kann bisher keinerlei Triumph in Sachen Handelskonflikt verkünden. 2018, als die USA das erste Mal die Zölle erhöht haben, stiegen die Importe aus China um sieben Prozent, die US-Exporte nach China aber sanken um acht Prozent. In den ersten acht Monaten dieses Jahres sind die US-Exporte sogar um fast ein Viertel eingebrochen.

Das Außenhandelsdefizit hat sich vergrößert. US-Haushalte müssen nach Schätzung der New Yorker Federal Reserve Bank wegen der Zölle auf chinesische Einfuhren im Schnitt jährlich 620 Dollar mehr bezahlen.

Nur Verlierer. Und da der wirtschaftliche Schaden für die Streitenden mit jedem neuen Monat größer wird, hoffen Optimisten immer wieder auf ein Einlenken. Vergebens. Mit jeder neuen Sanktion, jedem neuen Strafzoll wächst der Preis für den Konflikt. „Es macht immer weniger Sinn, noch von einem typischen Handelskrieg zu sprechen“, sagt Max Zenglein, Experte der Berliner China-Denkfabrik Merics.

„Wir befinden uns am Startpunkt der Entflechtung zwischen den USA und China.“ Amerikaner und Chinesen haben damit begonnen, den Globalisierungsprozess rückgängig zu machen, der die beiden Großmächte in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich immer stärker miteinander verbunden hat. Dabei geht es um mehr als Sojabohnen, die China jetzt aus anderen Ländern als den USA bezieht.

Beispiele für eine Entflechtung der beiden größten Volkswirtschaften finden sich dieser Tage viele: Telefone des chinesischen IT-Konzerns Huawei ohne Google-Software. Der US-Konzern darf sie nicht mehr zur Verfügung stellen, weil die US-Regierung Huawei auf eine schwarze Liste gesetzt und damit die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen verboten hat, sobald eine Ausnahmegenehmigung ausläuft.

Forschungsprojekte an US-Universitäten, die wegen des Geldes aus chinesischen Firmen für Künstliche Intelligenz jetzt womöglich gestoppt werden, weil diese Firmen nun auch auf die schwarze Liste gesetzt wurden.

Und die Entflechtung setzt sich fort bei chinesischen Firmen wie der Shanghai Pudong Development Bank, Dongfeng Motor oder dem Lebensmittelhersteller Mengniu, die reihenweise ihr Engagement bei der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA stoppen, weil der Manager eines Teams getwittert hat: „Kämpft für die Freiheit, unterstützt Hongkong.“

Immer neue Konfliktfelder wie zuletzt die muslimische Minderheit der Uiguren werden Teil der großen Auseinandersetzung, des Kräftemessens der beiden Weltmächte. Und sie machen eine umfassende Lösung, wie sie Trump vorschwebt, immer unwahrscheinlicher. Deshalb soll angeblich eine kleine Teillösung zwischen beiden Staaten diskutiert werden. Ob diese jedoch wirklich Chancen hat, ist ungewiss.

„Die chinesische Führung weiß, dass sie sich bewegen muss“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), dem Handelsblatt. „Aber sie wird nicht klein beigeben und alle US-Forderungen an China erfüllen, die auf das chinesische Wirtschaftsmodell zielen.“

Peking bewegt sich, aber wie stark?

Im Vorfeld der Gespräche zwischen Chinas Regierungsvize Liu He und der US-Delegation aus Chefunterhändler Robert Lighthizer und Finanzminister Steven Mnuchin hieß es, China sei an einer Teileinigung interessiert und wäre für ein Aussetzen weiterer Zollerhöhungen bereit, mehr US-Agrarprodukte zu kaufen und den Schutz geistigen Eigentums zu stärken.

Die „Financial Times“ berichtete unter Berufung auf Verhandlungskreise, China sei bereit, künftig 30 statt 20 Millionen Tonnen Sojabohnen im Jahr zu kaufen und den Bankensektor für ausländische Unternehmen weiter zu öffnen.

„China hofft tatsächlich, dass der Handelskrieg bald beendet werden kann, denn er schadet der globalen Konjunktur“, sagt Sun Lijian, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Fudan-Universität. Doch dazu müssten beide Seiten Kompromisse eingehen.

Die USA drängen jedoch auf einen besseren Marktzugang in vielen Branchen und auf ein Ende von wettbewerbsverzerrenden Subventionen. „Das Land muss seinen Weg aus einem System finden, das seit 40 Jahren bemerkenswertes Wachstum liefert, aber immer noch nach Schwellenländer-Standards funktioniert“, sagt Blackstone-Chairman Stephen Schwarzman, der als Vermittler im Handelskonflikt agiert.

Er sieht ein Umdenken auf chinesischer Seite angesichts der wirtschaftlichen Kosten des Handelskriegs für das Land: „Ich glaube, China will die Entkoppelung der chinesischen und amerikanischen Wirtschaft stoppen.“

Doch es ist fraglich, ob Chinas angebotene Zugeständnisse in einzelnen Bereichen ausreichen werden. Denn in seine Industriepolitik will sich Peking nicht reinreden lassen. Und die zusätzlichen Sanktionen der US-Regierung gegen die Stars für Künstliche Intelligenz unter den chinesischen Unternehmen wie Sensetime tragen nicht zu Optimismus bei.

„Es gibt Wege, Druck auszuüben – im Hintergrund, indirekte Drohungen und so weiter. Aber das hier ist sehr, sehr laut“, kommentiert Taimur Baig, Chefökonom von DBS Group Research. Der potenzielle Gesichtsverlust der Chinesen sei enorm. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer rational ein konstruktives Ergebnis erwartet“, sagte er.

„Solche Dinge macht man nicht vor Verhandlungen“, kritisiert der ehemalige Botschafter in China, Max Baucus, im US-Wirtschaftssender CNBC. Da fragten sich die Chinesen doch, was das wahre Motiv der USA sei, meint der Demokrat. Sie fürchteten wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten nur den Aufstieg Chinas bremsen wollten.

Auch diese Dimension hat der Konflikt: Die etablierte Weltmacht USA wird von China wirtschaftlich abgehängt werden. Das erzeugt Friktionen. Würde eine Teileinigung zwischen Peking und Washington die Trump-Anhänger und -berater, die eine Eindämmung Chinas fordern, nicht enttäuschen? Stattdessen könnte nach der muslimischen Minderheit der Uiguren ein weiteres sensibles Thema für Peking den Streit noch komplexer machen: Hongkong.

Lange hatte sich US-Präsident Donald Trump auffallend zurückgehalten, wenn es um die Proteste ging, die seit vier Monaten auf Hongkongs Straßen stattfinden. Nach Berichten des US-Senders CNN soll er Xi Jinping versprochen haben, sich während der Handelsgespräche nicht zu dem Thema zu äußern.

Doch der Druck von US-Politikern auf die US-Regierung, klare Position zu beziehen, wächst. Und am Montag sagte Trump: „Wenn dort etwas Schlimmes passieren würde, wäre es sehr schlecht für die Verhandlungen.“

Nicht nur der massenweise Rückzug chinesischer Firmen von der NBA zeigt, wie empfindlich China auf das Thema Hongkong reagiert. Ein weiteres Beispiel ist Apple. Die chinesische „Volkszeitung“, ein Blatt der Kommunistischen Partei, verdächtigt Apple, mit den Demonstranten in Hongkong zusammenzuarbeiten.

Konkret geht es um das iPhone-Programm HKmap.live. Damit können Menschen verfolgen, wo sich aktuell Polizisten aufhalten. Die Zeitung kritisiert, die Demonstranten in Hongkong würden die App nutzen, um ihre Proteststrategie danach auszurichten. Auf diese Weise ermögliche Apple gewalttätige Aktionen in Hongkong und stifte zu illegalem Verhalten an.

Möglicherweise stören China aber auch andere Apple-Funktionen. So ist bekannt, dass Demonstranten in der Sonderverwaltungszone häufig Airdrop nutzen. Über die Apple-Technologie können Daten drahtlos von einem iPhone zum anderen übertragen werden, ohne dass sich die Nutzer kennen.

Sie ist schwer zu überwachen. Aktivisten versenden deshalb ihre Marschrouten und Protesttermine über Airdrop und warnen sich, wenn die Polizei anrückt. Für Apple sind Konflikte mit Peking gefährlich. Der Konzern ist stark abhängig von der Region.

Einerseits hat das US-Unternehmen seine komplette Produktion nach China verlagert. Andererseits ist das Land ein wichtiger Absatzmarkt. Apple-Chef Tim Cook hat unlängst US-Präsident Donald Trump zu überzeugen versucht, einige Strafzölle zurückzunehmen. Bislang vergebens.